"Im Spitzenschach geht es um Nuancen"
Gespräch mit Schachmanager Carsten Hensel
Peter Leko und Wladimir Kramnik
Carsten, wir erlebten einmal mehr "Hensel-Festspiele" in Miskolc. Zum dritten
Mal fand hier ein Schnellschach-Duell statt. Es war auch das dritte Match zwischen
Kramnik und Leko nach Budapest 2001 und der WM in Brissago 2004. Es ging wie
immer sehr knapp aus. Wie lautet dein Resümee?
Der Dreijahres-Rhythmus der Duelle von Wladimir und Peter ist sicher ein Zufall.
Aber es war insgesamt ein sehr interessantes Match für alle Schachfans. Wir
danken deshalb der Stadt Miskolc und ihrem vom Schach begeisterten Bürgermeister
Sandor Kali herzlich für das große Engagement.
Sandor Kali führt den ersten Zug aus
Kramnik, Kali und Leko
Die beiden Spieler haben hier keine Kurzremisen abgeliefert, sondern mit kämpferischen
Partien bewiesen, dass sie attraktives Schach auf hohem Niveau bieten.
Ein eingespieltes - und erfolgreiches - Team: Wladimir Kramnik mit seinem Manager
Carsten Hensel
Eingespielte Gegner: Peter Leko und Wladimir Kramnik beim entspannten Plausch
während der Eröffnungsfeier
Ein Manager muss immer vorausdenken. Was treibt dich derzeit um?
Mich bewegen natürlich schon jetzt die großen Vorhaben der nächsten Monate.
Ich meine die Events, die eine Standortbestimmung der beiden darstellen. Neben
den traditionellen Turnieren wie dem Chess Meeting in Dortmund stehen in diesem
Jahr noch sehr wichtige Ereignisse bevor.
Welche Aufgaben warten auf Wladimir und Peter in der nächsten Zeit?
Man muss beide Pläne unterscheiden. Für Peter Leko hat mit Sicherheit das Kandidatenturnier
im Mai-Juni in Elista Priorität, um nach Mexiko zu kommen. Als Weltmeister braucht
sich Wladimir Kramnik nicht zu qualifizieren. Für ihn stellt Mexiko den Höhepunkt
des Jahres dar. Im Grunde genommen ist das ganze Jahr 2007 mit Events verplant.
Konzentriert bei der Sache
Woran arbeiten deine beiden Schützlinge vor allem?
Für Wladimir Kramnik gilt es, seine sehr gute Form so lange wie möglich zu konservieren.
Er hat die letzten fünf Superturniere mit jeweils über 2800 ELO-Performance
gespielt. Vielleicht kann er das vor Mexiko noch optimieren. Für Peter Leko
gilt es, seine Form wieder zu finden, die er Ende des vergangenen Jahres bzw.
Anfang 2007 schon hatte, als er das ACP-Masters gewann.
Shake Hands: Der friedliche Eindruck täuscht - es war ein kämpferisches
Match
In Miskolc hat Peter sich nicht versteckt und in der 6. Partie schön zurückgebissen.
Ja, er ist ein Kämpfer. Und man muss natürlich berücksichtigen, dass ein Spieler
nicht immer seine Maximalform bringen kann. Da gibt es wie bei jedem ups und
downs. Es geht darum, beim Hauptereignis des Jahres die Topform zu bringen.
Daran arbeiten wir.
Was fehlt Peter noch, was Wladimir hat, und wo liegen noch Reserven?
Eine schwierige Frage. In dem Bereich, wo beide spielen, geht es um Nuancen.
Darin unterscheiden die Top-Spieler sich: In ihrer Schachauffassung, im Stil,
auch in ihren Fähigkeiten. Aber Nuancen gibt es auch im mentalen, psychologischen
Bereich und nicht zuletzt in der Vorbereitung. Dort sollte man ebenfalls ständig
versuchen, die Dinge zu verbessern.
Peter Leko
Wie kann das konkret geschehen?
Man muss aus Fehlern der Vergangenheit lernen und immer schauen, wer kann mir
in einer bestimmten Situation am besten helfen. Ich bin zwar nicht für das Training
meiner Schützlinge zuständig, aber auch in diesem Bereich gilt es, immer wieder
up to date zu sein und zu gucken, mit wem man kooperieren kann.
Voriges Jahr spielte Peter Leko in Miskolc gegen Anatoli Karpow, dieses Mal
gegen den amtierenden Weltmeister. Kann es danach überhaupt noch eine Steigerung
geben?
Die Frage ist berechtigt. Wir werten jetzt die Ergebnisse aus und klopfen die
künftigen Möglichkeiten der Veranstalter ab. Daran arbeiten wir. In etwa drei
bis vier Monaten werden wir uns wieder zusammensetzen und überlegen, wie evtl.
weitere Sponsoren zu gewinnen sind. Dann kann man auch einmal daran denken,
aus diesem Zweikampf noch etwas Größeres zu machen und ein starkes Turnier im
schönen Theater von Miskolc zu etablieren.
Die jungen ungarischen Talente eifern ihren Vorbildern nach
Ein Superturnier, vergleichbar mit Linares und Dortmund?
Warum nicht? Wenn man so etwas tut, dann sollte man es richtig machen. Das heißt,
es soll ein Turnier mit einer hohen Kategorie werden, das auch für Sponsoren
interessant ist. Miskolc hat mit kulturellen Events wie dem Bartok-Festival,
seinen Thermalbädern, dem Bükk-Gebirge und der angrenzenden Weinregion um Eger
sehr viel zu bieten.
Hauptsache, man kann Schach spielen
Bürgermeister Sandor Kali entwickelte die großartige Vision, Miskolc zur Schachhauptstadt
von Ungarn zu machen und damit auch international auszustrahlen.
Sandor Kali
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer