Laudatio auf Junioren-Weltmeisterin
Elisabeth Pähtz
anlässlich des Empfangs im Thüringer Landtag in Erfurt am 12. Mai 2006
Von Axel Eger, Erfurt
Axel Eger von der „Thüringer Allgemeine“ Hielt als langjähriger
journalistischer Wegbegleiter diese Laudatio
Schachspieler haben immer Probleme zu
lösen.
Fangen wir deshalb mit einem Rätsel an! Die Frage wurde vor ein paar Tagen in
einer Quiz-Sendung des MDR gestellt. Bei Jauch wäre sie vermutlich 500 Euro
wert gewesen. Ich gebe Sie Ihnen mit verschärften Bedingungen wieder.
Also: Eine junge Dame gewann kürzlich in der Türkei die
Junioren-Weltmeisterschaft.
In welcher Disziplin? A) Domino b) Halma c) Mikado d) Schach.
Wer von Ihnen jetzt auf Domino oder Halma tippt, wird nachher leider vom
Büffet ausgeschlossen. Und wer an Mikado glaubt, muss sofort zurück ins Büro.
Zeitungsausschnitte dokumentieren Elisabeths großen Erfolg.
Der Kandidat im Fernsehen hatte es etwas leichter. Dort hieß die Frage: In
welcher Disziplin wurde Elisabeth Pähtz kürzlich Junioren-Weltmeisterin? Und
der Herr, er kam aus dem Vogtland, war so nett, nicht nur Halma, Mikado und
Domino als völligen Blödsinn auszuschließen. Nein, er sagte auch den Satz:
Elisabeth Pähtz ist mir bekannt. Die kleine Episode zeigt zweierlei. Erstens:
Schach gehört längst zur Allgemeinbildung. Es ist, über den Brettrand hinaus,
ein öffentliches Thema. Und zweitens, wichtiger: Elisabeth Pähtz hat dem
königlichen Spiel in Deutschland ein unverwechselbares Gesicht verliehen.
Gerade mal ein gutes Jahrzehnt hat sie dafür gebraucht. 1994, da war sie
neun, gewann sie ihre erste Bronzemedaille bei den
Kinder-Europameisterschaften im Pariser Disneyland und gab als jüngste
Spielerin aller Zeiten ihren Einstand in der Frauen-Bundesliga. Im
vergangenen Herbst krönte sie ihre bisherige Laufbahn mit dem Gewinn der
Junioren-Weltmeisterschaft, der zweiten Goldmedaille nach dem Sieg bei der
Jugend-WM 2002.
Was ist das schon besonderes, fragte damals mancher Sport-Experte. Gerade in
einer Sportstadt wie Erfurt. Und in einem Sportland wie Thüringen.
Junioren-Weltmeister - davon hatten und haben wir ja nun gewiss einige. Im
Eisschnelllauf, im Rodeln, im Biathlon, im Radsport.
Doch Schach-Weltmeister ist noch immer etwas besonderes. Es ist ein sehr
rarer Titel. In 120 Jahren WM-Geschichte kennen wir erst 14 Könige des
klassischen Schachs. Deutsche gar gab es erst zwei. Zum einen den legendären
Emmanuel Lasker, der die Krone von 1894 bis 1921 länger als jeder andere
trug. Und, zum zweiten, Elisabeth Pähtz. Deutschland hat mehr Menschen ins
Weltall geschickt, als es Schach-Weltmeister hat! Und einen, der den Titel
zweimal geholt hat, den gab es noch gar nicht – bis zum vergangenen Herbst.
Elisabeth hat also eine wahrhaft historische Tat vollbracht.
Birgit Pelke, Chefin des Stadtsportbundes Erfurt und
SPD-Landtagsabgeordnete, hob
die sportlichen Erfolge Elisabeths noch einmal hervor: „Wir sind uns bewusst,
was wir an Elisabeth
haben.“
Ich erinnere mich an einen Sommertag 1996
am Wörthersee. Wir trafen dort im Urlaub Familie Pähtz. Tochter, Sohn und
Vater spielten bei einem Openturnier. Abends saßen wir bei einem Glas Wein
zusammen – möglicherweise waren es auch zwei gewesen - und ich forderte
Elisabeth zum Blitzschach heraus. Nach drei untauglichen Versuchen sah ich
die Sinnlosigkeit meines Unterfangens ein, gegen das aufstrebende Talent
vielleicht doch noch einmal eine Partie zu gewinnen.
Bei einer der folgenden Analysen kommentierte Elisabeth eine zweischneidige
Variante mit dem Satz: „Ich hatte das Gefühl, dass das geht.“ Unbewusst traf
die damals Elfjährige den Kern ihres Talents. Es ist jenes Gespür, welches
die Figuren scheinbar mühelos auf die richtigen Felder führt. Ein Gefühl, das
man hat – oder eben nicht. Elisabeth wurde es in die Wiege gelegt.
Für Peter Gösel, Präsident des Landessportbundes, ist Schach Sport!
Denn schon Vater Thomas überrannte einst schier aus dem Bauch heraus die
gewissenhaft vorbereitete Gegnerschaft. Was ihm vor 30 Jahren für den ganz
großen Sprung fehlte, die zielgerichtete Förderung, das genießt die Tochter
seit ihrem vierten Lebensjahr. Zu jener Zeit spielte der zwei Jahre ältere
Bruder Thomas schon im Verein und Klein Elisabeth noch zu Hause mit der
Puppenstube. Doch während der Partien stand sie neben dem Brett und gehörte
als Maskottchen irgendwie dazu.
Eine Geschichte, die an den großen kubanischen Weltmeister Capablanca
erinnert, der auch als Vierjähriger seinem Vater immer still beim Spielen
zusah, ihn eines Tages herausforderte und gewann.
Sporthilfe-Chef Arnd Heymann überreichte einen Scheck von 300 Euro.
Schließlich fährt Elisabeth zur Olympiade nach Turin – dorthin, wo im Winter
viele Thüringer Sportler Medaillen abgeräumt hatten.
Bild 915: Viel Geld gab’s auch vom Thüringer Schachbund. Hinter dem
Rahmen verbergen sich Geldnoten aus der DDR. Sie symbolisieren einen
Gutschein, mit dem Elisabeth ihre Fahrschule finanzieren kann. Sie versprach,
es gleich beim ersten Anlauf zu schaffen!
Eine Zugfolge der Superlative nahm ihren Lauf. 1995 wurde Elisabeth
Vize-Weltmeisterin bei den 10-Jährigen in Brasilien, 1998, mit 13, folgte die
erste Berufung in die Frauen-Nationalmannschaft und die Teilnahme an der
Schach-Olympiade. 1999, mit 14, erfüllt sie die erste Großmeisternorm und
wird deutsche Meisterin bei den Frauen. 2001, mit 16, qualifiziert sie sich
für die WM der Frauen, schafft dort auf Anhieb den Sprung bis ins
Achtelfinale, im selben Jahr wird ihr die Großmeisterwürde verliehen. Seit
zwei Jahren trägt sie auch den Titel eines Internationalen Meisters der
Männer.
Die Oberen beim Deutschen Schachbund wussten diesen aufgehenden Stern seit
jeher zu schätzen. Als erste kam Elisabeth Ende der 90-er Jahre in den Genuss
des damals ins Leben gerufenen Projektes „Top-Förderung“. Der Schachbund
unterstützt Turnierstarts, organisiert Spezialtraining mit Großmeistern und
steckte dafür einst 30 000 Mark in einen Fördertopf. Mit dem Zentrum
Mikroelektronik Dresden ( ZMD )fand Elisabeth kurz danach auch einen
großzügigen Sponsor der sie bei vielen Turnieren unterstützte.
Der Dresdner Altmeister Wolfgang Uhlmann bescheinigte Elisabeth schon damals
nicht nur Genie, sondern auch Ausdauer und Ehrgeiz, ohne die es nicht geht.
Geformt hat ihr Talent in Thüringen in besonderem Maße der frühere
Landestrainer und jetzige Nachwuchs-Bundestrainer Bernd Vökler aus Apolda.
Vor allem aber Vater Thomas.
Und so erkennt der Erlanger Schachpsychologe Reinhard Munzert neben der
Begabung auch das fördernde Umfeld einer Schachfamilie.
Ein seltenes Bild. Das Ehepaar Anne und Thomas Pähtz findet einmal Muße für
einen gemeinsamen Abend.
Bild 463: Die Präsidentin des Thüringer Schachbundes, Diana Skibbe,
überreicht Elli den „Fahrschule-Gutschein“.
Wobei ich Sie an dieser Stelle beruhigen kann. Schach gilt ja bekanntlich nur
dann als familienfreundliches Spiel, wenn der Vater besser spielt als der
Sohn oder die Tochter. Doch bei Pähtzens ist, soweit ich das überblicken
kann, auch unter veränderten Voraussetzungen noch alles in Ordnung.
Zwar pocht Papa Thomas, der viele Jahre das Schach in Erfurt, in Thüringen
und auch in der DDR prägte, hin und wieder auf seine Routine, doch hat er
sich längst daran gewöhnt, dass, wenn heute in der Öffentlichkeit der Name
Pähtz fällt, fast immer Elisabeth gemeint ist. Der schachliche
Generationswechsel, die große Rochade zwischen Vater und Tochter, ist
vollzogen.
Okay, mögen nun die Kritiker einwenden, so ein Weltmeistertitel ist ja schön
und gut. Aber ehrlich, ein richtiger Sport ist Schach ja wohl nicht. Auch bei
der Quizfrage im Fernsehen wurde es schließlich in die Nähe von Domino, Halma
und Mikado gerückt.
Was also ist Schach?
Ist es, wie Stefan Zweig einmal sagte, tatsächlich ein Denken, das zu nichts
führt, eine Mathematik, die nichts errechnet, eine Kunst ohne Werke, eine
Architektur ohne Substanz? Und dennoch dauerhafter als alle Bücher und Werke,
das einzige Spiel, das allen Völkern und allen Zeiten zugehört hat. Oder ist
es, wie es Zweigs Schriftstellerkollege Raymond Chandler sagte, die
komplizierteste Vergeudung menschlicher Intelligenz, die sich außerhalb einer
Werbeagentur finden lässt?
Gewiss hat auch Boris Becker recht, der einmal feststellte: Schach ist ein
sehr realistisches Spiel. Niemand ist hier stärker als die Dame.
Glatt möchte ihm zurufen: Ja, es ist wie das Leben. Nur lassen sich im Schach
die Damen einfacher tauschen.
Was also ist Schach?
Ich entsinne mich eines Zeitgenossen, der die Frage lapidar vom Tisch fegte:
Kann ja kein richtiger Sport sein, der Schiedsrichter hat schließlich keine
Pfeife.
Ein anderer sagte: Sport ist nur das, wobei man schwitzt.
Allerdings – ins Schwitzen kann man ganz schön kommen. Meist ist es freilich
der mitfiebernde Papa. Von der Weltmeisterschaft 2004 im russischen Elista
ist folgendes Zitat von Elisabeth überliefert: „Nervlich versagt hat eher
mein Vater. Seine Kommentare haben wir alle auf Band, es war zum Glück ein
Fernsehteam dabei. Das war wirklich hollywoodreif.“
Natürlich hat auch Elisabeth in ihrem Schachleben oft genug geschwitzt. Vor
allem in der letzten Runde. Mehr als einmal hat sie immer ganz zum Schluss
die schon sicher geglaubte Goldmedaille noch verspielt. 1999 in Spanien war
es besonders tragisch. Elisabeth hat uns damals tapfer mit Nachrichten
versorgt und so fand am Tag nach der großen Niederlage folgende kleine
Schach-Novelle den Weg in die „Thüringer Allgemeine“. Dort, wo sonst die
Fußball-Kommentare stehen, war zu lesen:
„Hallo Deutschland! Die verflixte letzte Runde hat mir auch diesmal kein
Glück gebracht. Nach dem Sieg gegen die Armenierin Andriasian lag ich allein
in Führung. Die letzte Partie gegen die Vietnamesin Than Tu sollte über
Sein oder Nichtsein entscheiden. In einer großen Zeitnot-Schlacht stellte
ich in Gewinnstellung einen glatten Turm ein. Der greifbar nahe Traum
vom WM-Titel war wie eine Seifenblase zerplatzt. Mir ist zum Heulen zumute.
Und es nützt mir wenig, wenn mir der Bundestrainer bescheinigt, dass ich
hier mein stärkstes Turnier gespielt habe. Verzeiht mir, dass ich jetzt mal
zwei Tage nichts vom Schach hören und sehen will. Ich werde mich erst wieder
am Montag aus Kerspleben melden. Von Beileidsbekundungen bitte ich Abstand
zu nehmen. Tschüss sagt Eure sehr traurige Elisabeth.“
Irgendwann kam ihr die Erkenntnis: da schwitze ich doch lieber vorher.
Und so hat sie sich im vergangenen Herbst mit täglichem Joggen auf den
Feldwegen rund um Kerspleben fit gemacht für die Weltmeisterschaften von
Istanbul. Der Lohn ihres langen Atems hieß Gold. Im Endspurt trumpfte sie mit
drei Siegen am Stück auf.
Möglicherweise dämmert es jetzt manchem Kritiker, dass Schach - neben aller
Wissenschaft, aller Kunst und allem Spiel - harte körperliche Anstrengung
sein kann, weil es Energie in Größenordnungen verbraucht.
Könige schmücken ein Land, Königinnen erst recht.
Ein bisschen haben zuletzt die Sachsen unsere Elisabeth für sich beansprucht.
In Dresden hat sie im vergangenen Jahr ihr Abitur gemacht. Dabei war der
vorübergehende Wechsel eine rein pragmatische Entscheidung gewesen. Am
dortigen Sportgymnasium gab es – anders als in Erfurt - eine Schachklasse,
ausgebildete Trainer und eine Bundesligamannschaft der Frauen dazu. Sport war
für Elisabeth Leistungskurs, die Maximalpunktzahl 15 im Spezialfach Schach
für eine Weltmeisterin selbstverständlich. Ihr Nebenfach hieß übrigens
Volleyball.
Die Thüringer und die Erfurter schienen sie ein bisschen aus den Augen
verloren zu haben. Dabei hat sie ihre Geburtsurkunde nie verleugnet und immer
wieder betont, wie sehr sie sich freut, wenn es nach Hause geht. In der
vergangenen Saison kämpfte sie schon wieder am ersten Brett der
Männer-Oberligamannschaft von Lok Sömmerda.
Wir sollten also nicht bescheiden sein.
Sachsen hat seinen August den Starken, da ist uns unsere Elisabeth die Erste
nur recht und billig.
Irgendwie ist sie ja längst ein Thüringer Markenprodukt. Und in Zeiten, in
denen Schach immer häufiger als Werbeelement nicht nur im Fernsehen
auftaucht, ist eine doppelte Weltmeisterin geradezu ein Juwel. Warum
eigentlich wirbt Thüringen mit anerkannten wissenschaftlichen Zentren in
Jena, Ilmenau oder Erfurt nicht mit seiner Schachkönigin? Die eine Denkfabrik
mit der anderen? Immerhin vertritt Elisabeth inzwischen die deutschlandweite
Kampagne „100 Köpfe von morgen – die Zukunft im Land der Ideen“, die Ende Mai
mit einer Ausstellung in Berlin eröffnet wird.
Wer Weltmeister werden will, so etwa hat es ein früherer Champion einmal
gesagt, muss sich dem Schach mit Haut und Haar verschreiben.
Es ist ein Spiel fürs Leben.
Aber das ganze Leben nur Schach?
Immer nur Schach ist doof, lautete einmal ein altersgerechter Kommentar von
Elisabeth. Sie wollte noch nie alles diesem Spiel opfern wie eine Figur in
der Eröffnung.
So erinnert abseits des Bretts auch nichts an eine grübelnde Weltmeisterin:
Mindestens dreimal hat sie als 13-Jährige den Film Titanic angesehen und mit
zwei Freundinnen beim Schulfest eine gekonnte Playback-Show der Teenie-Band
TicTacToe gemimt.
Neben der allen weiblichen Wesen eigenen Lust am endlosen Telefonieren ist
vor allem das Faible für Musik geblieben. Elisabeth spielt Klavier oder
greift zur Gitarre und summt sich nach einer verlorenen Partie den Ärger von
der Seele. Blowin in the Wind und ein bisschen Frieden. Mittlerweile gilt
ihre Liebe dem großen Land der Schach-Weltmeister und an der heimischen
Karaoke-Maschine bringt sie das russische Liedgut bühnenreif zum Vortrag.
Sie konnte sich all die Muße mit Flöte, Klavier und Gitarre meistens leisten.
Als ihr der gestrenge Papa vor vielen Jahren einmal entgegenhielt: Ich habe
Dich noch nie mit einem Schachbuch gesehen – lachte ihm die Zehnjährige ins
Gesicht: Weil ich keine Lust habe, das alles nachzulesen.
Die Weltmeisterin lauscht der Laudatio…
Elisabeths Auffassungsgabe war seit jeher außergewöhnlich. Problemlos sagte
sie Gedichte auf und trug Geschichten vor, die sie nur zwei- oder dreimal
gelesen hatte. Und wenn das mehrstündige Training am Tag und die vielen
Turniere Opferbereitschaft verlangten, so lagen ihr in der Grundschule wie
auch am Buchenberg-Gymnasium nie Steine im Weg. Es gab verständnisvolle
Lehrer und hilfsbereite Mitschüler. Eine Extrawurst wollte Elisabeth
jedenfalls nie, versicherte ihr damaliger Schulleiter Joachim Etzhold einmal.
Clever zu kombinieren versteht sie nicht nur auf dem Schachbrett. Da wählt
sie zu pechschwarzer Kleidung schon mal einen Hut und dunklen Lippenstift
dazu. Skeptische mütterliche Blicke entwaffnet sie mit dem schlagenden
Argument: Wenn du gefährlich aussiehst, haben die anderen mehr Angst vor dir.
Inzwischen ist aus der kleinen Thüringerin längst eine kleine Weltenbürgerin
geworden. Sie jettet von hier nach da, besucht Freundinnen in der Schweiz, in
England, Frankreich oder Russland, dirigiert souverän ein Taxi durch Moskau,
um dem entnervten Papa den von ihm vergessenen Pass zum Flughafen zu bringen.
Sie zeigt im New Yorker Central Park den dortigen Schach-Junkies, was eine
Harke ist und chattet im Internet mit dem englischen Top-Großmeister und
früheren Vize-Weltmeister Nigel Short. Wobei das Gespräch dann auf völliger
Augenhöhe stattfindet. Zur Begrüßung hämmern beide Seiten schon mal ein „Hi
baby“ in die Computertastatur.
Schach ist nicht das ganze Leben. Aber es bestimmt den Rhythmus. Und es hält
auch schöne und tiefe Erlebnisse für Elisabeth bereit. Mehrmals schon
begegnete sie Garri Kasparow, zum ersten Mal als 13-Jährige auf der Cebit in
Hannover, später noch einmal in einem Sechs-Partien-Match in München. Und sie
schaffte es, dass sich der große Star selbst untreu wurde. Von ihm stammt
nämlich der leicht machohafte Satz: „Schach passt eigentlich nicht zu Frauen.
Es ist ein Kampf, vergessen sie das nicht, ein erbitterter Kampf.“ Doch von
Elisabeths Spiel war er sehr angetan und sagte ihr eine große Zukunft voraus.
Später gab es Fernsehauftritte bei Schmidt, Kerner und Kerkeling, spielte sie
im Leipziger Hauptbahnhof vor mehr als 1000 Zuschauern gegen die
Klitschko-Brüder Blindschach. In einer anderen Partie dribbelte sie den
Bremer Fußballprofi Marco Bode aus.
Inzwischen werden die Verpflichtungen mehr, wird die Zeitnot größer.
Schließlich verteidigt Elisabeth seit Anfang des Jahres nicht nur Stellungen
auf dem Schachbrett, sondern als Mitglied der Sportförderkompanie der
Bundeswehr auch ein bisschen das Vaterland.
Dennoch sind für Funkerin Pähtz die Manöver auf dem Brett weiterhin die
angenehmeren. Und so sehen zwei typische Monate im Leben einer Weltmeisterin
aus, entnommen dem Terminkalender, den Bundestrainer Uwe Bönsch führt, der
sie inzwischen unter seinen Fittichen hat.
19. April bis 3. Mai. russische Liga In Sotschi (Ankunft am 3.5. in Berlin )
4. Mai. Veranstaltung "100 Köpfe im Land der Ideen" in Berlin .
6. Mai. Simultan in Geislingen (bei Stuttgart)
7. Mai. Simultan in Düren (bei Aachen)
8.-12. Mai Lehrgang Nationalmannschaft in Hockenheim
12. Mai Erfurt - Ehrung WM-Titel
13. Mai Halle - Simultan 17.00 Uhr
15.-17Mai Hockenheim - Training mit Ex-Weltmeister Anatoli Karpow, Empfang im
Rathaus mit Eintragung ins Goldene Buch
18.-19.Mai zu Hause in Kerspleben - Ausruhen, wichtig!
20.Mai - 5.Juni Turin Schacholympiade – erstmals an Brett 1
10. Juni Willingen - Abschlussveranstaltung Deutsche Jugendmeisterschaft,
WM-Ehrung durch DSB
Und damit ist der Schachsommer noch nicht zu Ende. Im Juli spielt Elisabeth
auf der Bühne des Schauspielhauses Dortmund parallel zum stärksten deutschen
Männerturnier einen Zweikampf gegen die Amerikanerin Irina Krush und im
August gibt es im Mainz eine Neuauflage des Duells gegen die Russin Alexandra
Kostenjuk - das wird dann ein Match um die inoffizielle
Schnellschach-Weltmeisterschaft.
Sie sehen also, Schach ist offenbar immer noch ein bisschen mehr als Halma,
Mikado und Domino zusammen.
Und so hätte die Quizfrage im Fernsehen auch lauten können:
Welche junge Dame schaffte, was 80 Jahre lange kein anderer Deutscher
erreichte?
Wessen Foto zierte schon einmal vierspaltig den Titel der Zeitung „The Gulf
today“ aus den Vereinten Arabischen Emiraten? Mit wem drehte arte einen
Dokumentarfilm? Wer kennt sich nicht nur in Variantenküchen aus, sondern
bäckt während eines Turniers einen vorzüglichen Schokoladenkuchen, um ihn
seiner englischen Gegnerin zum 21. Geburtstag zu schenken?
Und wer haut die Klitschkos gleichzeitig K.o, obwohl er gar nicht deren
Gewichtsklasse ist?
Ihnen stelle ich die Fragen natürlich nicht, denn sie wissen ja jetzt die
Antwort.