Londoner Zitterpartien

von ChessBase
02.04.2013 – Nicht nur die Kälte ließ am Ostermontag Spieler und Zuschauer erzittern. Im Fernduell zwischen Carlsen und Kramnik benötigte der Norweger in der Schlussrunde des Kandidatenturniers genauso viele Punkte wie Kramnik, um sich als Herausforderer von Weltmeister Anand zu qualifizieren. Doch dann verlor der Norweger seine Partie - Kramnik seine allerdings auch. Videos zu den Zitterpartien...

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Selten hat man einen Großmeister nach einer Niederlage so strahlen gesehen.

In der 14. und letzten Runde verlor Magnus Carlsen seine Partie gegen Peter Svidler, hat aber trotzdem das Turnier gewonnen und ist damit Herausforderer von Weltmeister Viswanathan Anand.

Bonus-Interview

 

Die letzten Runden des Kandidatenturniers in London hatten es in sich. Zuerst verabschiedete sich Levon Aronian aus dem Rennen um den Turniersieg. Der Armenier verlor in der 9. Runde gegen Boris Gelfand. Nach einem Sieg in Runde 10 gegen Ivanchuk musste Aronian dann in der 11. und 12. Runde weitere Niederlagen gegen Peter Svidler und Vladimir Kramnik hinnehmen.

Magnus Carlsen erlebte sein Waterloo gegen Vassily Ivanchuk in der 12. Runde.

In der Vergangenheit ist der Norweger gegen den ukrainischen Spitzenmann ganz gut zurecht gekommen. Ivanchuk hatte in das Kandidatenturnier zudem nur mit Verspätung hinein gefunden und viele Punkte durch häufige Zeitnot verschenkt. Doch gegen Carlsen war Ivanchuk wieder voll auf der Höhe, gut vorereitet und glich mit Schwarz schnell aus. Carlsen überschätzte seine Stellung, stand schlechter, spielte trotzdem auf Sieg und verlor dann auch noch das Endspiel, von dem er eigentlich glaubte, es müsse remis enden.

Nun wurde Carlsen von Vladimir Kramnik überholt. Der 14. Weltmeister zeigte sich in diesem Kandidatenturnier sehr motiviert, kam nur am Anfang trotz guter Partien nicht zum Erfolg. Im zweiten Umgang gewann er gegen Svidler, Grischuk, Radjabov und Aronian und profitierte nun von Carlsens Scheitern gegen Ivanchuk. Zwei Runden vor Schluss hatte Kramnik die besten Karten in der Hand.

In der 13. Runde kam es zum ersten Fernduell zwischen Kramnik und Carlsen. Beide spielten gegen ihre Gegner - Gelfand und Radjabov - auf Gewinn. Kramnik erreichte gegen den amtierenden Vizeweltmeister zwar Vorteil, doch gegen die Verteidigungskünste des Israeli reichte es nicht zum Sieg.

Carlsen hatte mit den schwarzen Steinen gegen Radjabov die ganze Partie über keinerlei Vorteil, spielte aber munter weiter. Schließlich knickte der Aseri ein und Carlsen kam zum ersehnten Sieg, der ihn in der Tabelle wieder auf gleiche Höhe mit Kramnik brachte.

High Noon in der letzten Runde! Die Zweitwertung sah vor, dass bei Punktgleichheit zunächst der direkte Vergleich zählte - Carlsen und Kramnik hatten zweimal gegeneinander remis gespielt -, dann die Anzahl der Siege. Hier lag Carlsen vor der Runde vorne. Als dritte Wertung war Sonneborn-Berger vorgesehen, die aber nach Lage der Dinge gar nicht zum Tragen konnte, denn sollte Kramnik in der letzten Runde gewinnen und Carlsen Remis spielen (womit beide auf fünf Gewinnpartien gekommen wären), dann hätte Kramnik am Ende einen halben Punkt mehr als Carlsen gehabt und wäre alleiniger Erster geworden.

Carlsen mit Weiß gegen Svidler, Kramnik mit Schwarz gegen Ivanchuk: Im ersten Umgang hatte Carlsen Svidler noch mit leichter Hand besiegt. Diese Partie hatte wohl auch Kramnik im Hinterkopf als er gegen Ivanchuk die Pirc-Verteidgung wählte, was Kramnik gerne macht, wenn er gewinnen will.

Carlsen spielte gegen Svidlers 1...e5 die Spanische Partie mit d3, was alle Möglichkeiten offen lässt. Es ist anzunehmen, dass sich die beiden Spitzenspieler während der letzten Runde intensiv beäugten, so wie zwei Radfahrer bei Verfolgungswettbewerben.

Carlsen erreichte gegen Svidler eine leichte Initiative am Königsflügel, Kramnik hatte Mühe, gegen Ivanchuks ruhige positionelle Variante ein aussichtsreiches Ungleichgewicht herbeizuführen. Da Ivanchuk in den vergangenen Runden sehr unterschiedliche Leistungen gezeigt hatte, konnten sich die Carlsen-Fans aber keineswegs sicher sein, dass der Ukrainer seinen kleinen Vorteil ins Ziel retten würde.

Vielleicht würde er ja auch wieder in horrende Zeitnot kommen und eine ausgeglichene Partie wegwerfen, wie gegen Aronian - also alles offen in dieser Partie. In zunehmende Zeitnot kam dann indes Magnus Carlsen in seiner Partie.

Sein Angriff am Königsflügel wurde abgewehrt und am Ende hatte der Norweger für zehn Züge nur noch sechs Sekunden auf der Uhr. Zwar schaffte er die Zeitkontrolle - aber nur auf Kosten der Stellung, die jetzt verloren war. Carlsen war raus - oder doch nicht?

Nein! Vassily Ivanchuk hatte seinen Vorteil gegen Kramnik vergrößert und bei guter Stellung auch keine Probleme mit der Zeit. Der Ex-Weltmeister musste sich ins Unvermeidliche fügen und gab die Partie auf. Carlsen gewann trotz seiner zweiten Niederlage das Turnier und wird Weltmeister Anand herausfordern, vermutlich im November 2013.

Zum Ende der Runde brachen zahlreiche Schachserver, die die Partien übertrugen, wegen der großen Anzahl an Zugriffen zusammen. Dies passierte auch mit der Webseite der größten norwegischen Zeitung vg.no, die die Partien ebenfalls übertrug.

Henrik Carlsen und Peter Heine Nielsen

Kramnik enttäuscht, aber gefasst

Peter Svidler auf der Pressekonferenz

Aronian erneut gescheitert

Im Gegensatz zu den eher langweiligen Kandidatenwettkämpfen vor zwei Jahren war dieses Kandidatenturnier hochspannend vom Anfang bis zum Ende. Die Anzahl der Remispartien war mit etwas über 50% niedrig und die durchschnittliche Anzahl der Züge mit eher 43 hoch. Das Kandidatenturnier 2013 von London gehört ohne Zweifel zu den besten Kandidatenturnieren der Schachgeschichte.

Die Pressekonferenzen

Magnus Carlsens Siegerpressekonferenz

 

 

Vassily Ivanchuk gegen Vladimir Kramnik

 

 

Magnus Carlsen gegen Peter Svidler

 

 

 

 

Abschlusstabelle:

Carlsen gewinnt wegen der höheren Anzahl von Siegen

 

Alle Partien:

 

 

Das Turnierposter

Partiebeginn ist jeweils 14 Uhr (London), also 15 Uhr MEZ. Alle Partien werden live auf dem Fritzserver kommentiert. Den Löwenanteil der deutschsprachigen Kommentierung trägt GM Klaus Bischoff (Kostenlos für alle Premiummitglieder). Außerdem kommentieren Oliver Reeh mit Merijn van Delft und Karsten Müller sowie Stefan Kindermann mit Dijana Dengler.

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Klaus Bischoff

 

Spielplan, Ergebnisse, Kommentatoren

Runde 1, 15. März um 15 Uhr (MEZ)
Levon Aronian
½-½
Magnus Carlsen
Boris Gelfand
½-½
Teimour Radjabov
Vassily Ivanchuk
½-½
Alexander Grischuk
Peter Svidler
½-½
Vladimir Kramnik
Kommentar: GM Daniel King
Deutsch: Klaus Bischoff
Runde 2, 16. März um 15 Uhr (MEZ)
Magnus Carlsen
½-½
Vladimir Kramnik
Alexander Grischuk
½-½
Peter Svidler
Teimour Radjabov
1-0
Vassily Ivanchuk
Levon Aronian
1-0
Boris Gelfand
Kommentar: GM Chris Ward
Deutsch: Klaus Bischoff
Runde 3, 17. März um 15 Uhr (MEZ)
Boris Gelfand
0-1
Magnus Carlsen
Vassily Ivanchuk
0-1
Levon Aronian
Peter Svidler
1-0
Teimour Radjabov
Vladimir Kramnik
½-½
Alexander Grischuk
Kommentar: GM Yasser Seirawan
Deutsch: Klaus Bischoff
Runde 4, 19. März um 15 Uhr (MEZ)
Magnus Carlsen
1-0
Alexander Grischuk
Teimour Radjabov
½-½
Vladimir Kramnik
Levon Aronian 
½-½
Peter Svidler
Boris Gelfand
½-½
Vassily Ivanchuk
Kommentar: GM Daniel King
Deutsch: Klaus Bischoff
Runde 5, 20. März um 15 Uhr (MEZ)
Vassily Ivanchuk
½-½
Magnus Carlsen
Peter Svidler
½-½
Boris Gelfand
Vladimir Kramnik
½-½
Levon Aronian
Alexander Grischuk
½-½
Teimour Radjabov
Kommentar: GM Yasser Seirawan
Stefan Kindermann/ Dijana Dengler
Runde 6, 21. März um 15 Uhr (MEZ)
Peter Svidler
0-1
Magnus Carlsen
Vladimir Kramnik
½-½
Vassily Ivanchuk
Alexander Grischuk
½-½
Boris Gelfand
Teimour Radjabov
½-½
Levon Aronian
Kommentar: GM Chris Ward
Deutsch: Klaus Bischoff
Runde 7, 23. März um 15 Uhr (MEZ)
Magnus Carlsen
½-½
Teimour Radjabov
Levon Aronian
½-½
Alexander Grischuk
Boris Gelfand
½-½
Vladimir Kramnik
Vassily Ivanchuk
½-½
Peter Svidler
Kommentar: GM Alejandro Ramirez
Deutsch: Oliver Reeh
Runde 8, 24. März um 15 Uhr (MEZ)
Magnus Carlsen
½-½
Levon Aronian
Teimour Radjabov
0-1
Boris Gelfand
Alexander Grischuk
1-0
Vassily Ivanchuk
Vladimir Kramnik
1-0
Peter Svidler
Kommentar: GM Alejandro Ramirez
Deutsch: Oliver Reeh
Runde 9, 25. März um 15 Uhr (MEZ)
Vladimir Kramnik
½-½
Magnus Carlsen
Peter Svidler
½-½
Alexander Grischuk
Vassily Ivanchuk
1-0
Teimour Radjabov
Boris Gelfand
1-0
Levon Aronian
Kommentar: GM Maurice Ashley
Deutsch: Oliver Reeh
Runde 10, 27. März um 15 Uhr (MEZ)
Magnus Carlsen
1-0
Boris Gelfand
Levon Aronian
1-0
Vassily Ivanchuk
Teimour Radjabov
½-½
Peter Svidler
Alexander Grischuk
0-1
Vladimir Kramnik
Kommentar: GM Yasser Seirawan
Deutsch: Klaus Bischoff
Runde 11, 28. März um 15 Uhr (MEZ)
Alexander Grischuk
½-½
Magnus Carlsen
Vladimir Kramnik
1-0
Teimour Radjabov
Peter Svidler
1-0
Levon Aronian
Vassily Ivanchuk
½-½
Boris Gelfand
Kommentar: GM Chris Ward
Deutsch: Klaus Bischoff
Runde 12, 29. März um 15 Uhr (MEZ)
Magnus Carlsen
0-1
Vassily Ivanchuk
Boris Gelfand
½-½
Peter Svidler
Levon Aronian
0-1
Vladimir Kramnik
Teimour Radjabov
½-½
Alexander Grischuk
Kommentar: GM Daniel King
Deutsch: Oliver Reeh
Runde 13, 31. März um 15 Uhr (MEZ)
Teimour Radjabov
0-1
Magnus Carlsen
Alexander Grischuk
½-½
Levon Aronian
Vladimir Kramnik
½-½
Boris Gelfand
Peter Svidler
1-0
Vassily Ivanchuk
Kommentar: GM Daniel King
Deutsch: Klaus Bischoff
Runde 14, 1. April um 15 Uhr (MESZ)
Magnus Carlsen
0-1
Peter Svidler
Vassily Ivanchuk
1-0
Vladimir Kramnik
Boris Gelfand
½-½
Alexander Grischuk
Levon Aronian
1-0
Teimour Radjabov
Kommentar: GM Maurice Ashley
Deutsch: Danil King

Text: André Schulz

Fotos: Pascal Simon, Anastasiya Karlovich

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