Magnus Carlsen mit klaren Worten

von André Schulz
20.09.2024 – Anlässlich seiner 100-Jahr-Feier ehrte die FIDE unter anderem Magnus Carlsen als "besten Spieler". Der Norweger dankte, wies aber daraufhin, dass die Ehre eher Garry Kasparov gebührt hätte. Dieser wurde allerdings bei allen Ehrungen der FIDE sicher nicht zufällig übergangen. Auch sprach Carlsen sich gegen die Aufhebung der Suspendierung des Russischen und des Weißrussischen Schachverbandes aus.

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Anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens hat der Weltschachbund seine FIDE 100 Awards ausgelobt, um damit Personen, Organisationen und Mannschaften zu ehren, die sich mit ihren Leistungen auf verschiedenen Gebieten um das Schach besonders verdient gemacht haben. Die Auszeichnungen wurden in einer Gala am Donnerstag Abend im Rahmen der Schacholympiade 2024 in Budapest übergeben. 

Magnus Carlsen wurde als "bester Spieler" geehrt, gemeint war "bester Spieler aller Zeiten". Die Auszeichnung für die beste Spielerin erhielt Judit Polgar.

Der frühere Weltmeister und langjährige Weltranglistenerste dankte für die Auszeichnung, wunderte sich, dass er als aktiver Spieler diese Ehrung erhält und nutzte die Gelegenheit  auch zu einem politischen Statement. Carlsen sagte, dass er die Ehrung nachvollziehen könne, meinte aber, dass die Wahl eher auf Garry Kasparov hätte fallen müssen.

Kasparov hat die Schachwelt von 1985 bis 2000 dominiert wie kein Zweiter vor ihm und nach ihm. Nach dem Ende seiner Schachkarriere betätigte Kasparov sich in der russischen Politik, wurde bei einer Demonstation für frei Wahlen verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Außerdem musste er erleben, wie Oppositionspolitiker und politische Weggefährten in Russland verhaftet oder sogar ermordet wurden. Kasparov verließ schließlich Russland, weil er um sein eigenes Leben fürchtete. Kasparov hatte schon früh vor der Entwicklung in Russland gewarnt und blieb ein ständiger Kritiker von Vladimir Putin. Inzwischen wurde Kasparov deshalb in Russland sogar zum "ausländischen Agenten" erklärt.

Nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine wurden die russischen Sportverbände von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Der friedliche sportliche Vergleich und ein mörderischer Angriffs- und Vernichtungskrieg passen nicht zusammen. Die russischen Sportler dürfen allerdings im Schach unter neutraler Flagge teilnehmen.

Unter dem Einfluss des russischen FIDE-Präsidenten Vladimir Dvorkovich versucht der russische Schachverband derzeit, die Suspendierung aufzubrechen. Der kirgisische Schachverband - die ehemalige sowjetische Republik Kirgistan ist auch heute noch in hohem Maße wirtschaftlich von Russland abhängig - wurde vorgeschickt, die Wiedereingliederung des Russischen Schachverbandes zu beantragen. Auf dem FIDE-Kongress zum Ende der Schacholympiade wird dieser Antrag zur Abstimmung vorgelegt werden. Die Delegierten der FIDE, vor allem aus Asien, Afrika und Südamerika, haben schon bei der Wiederwahl von Arkady Dvorkovich zum FIDE-Präsidenten wenig Sensibilität und Interesse an den sportpolitischen Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gezeigt und es steht zu befürchten, dass dies bei dem kirgisischen Antrag ebenfalls so sein wird.

Sollte aber die Suspendierung des russischen Schachverbandes von internationalen Sportveranstaltungen im Schach aufgehoben werden, so würde sich die FIDE innerhalb der internationalen Sportverbände weitgehend isolieren.

Darauf haben verschiedene Vertreter von Schachverbänden und auch die European Chess Union in einer Erklärung hingewiesen:
 

Erklärung des ECU-Verwaltungsrats

19. September 2024

Auf seiner Sitzung am 18. September in Budapest hat das ECU Board im Zusammenhang mit der Diskussion um die IOC-Sanktionen gegen Russland und Weißrussland und die Verletzung der Sportgerichtsbarkeit des ukrainischen Schachverbandes folgende Erklärung abgegeben.

„Die ECU beschließt, die Sanktionen gegen Russland und Weißrussland in Übereinstimmung mit der Politik des IOC aufrechtzuerhalten, um die Integrität der FIDE zu schützen. Die ECU ersucht die FIDE-Generalversammlung, die vom FIDE-Rat verhängten Sanktionen gegen Russland und Weißrussland im Jahr 2022 aufrechtzuerhalten.

Die ECU bedauert die Entscheidung des sekundären FIDE-Disziplinarausschusses der FIDE, die es dem Russischen Schachverband effektiv erlaubt, weiterhin in Gebieten zu agieren und diese in seine Struktur aufzunehmen, die zur Ukraine gehören und unter die sportliche Zuständigkeit des Ukrainischen Schachverbandes fallen. Dies verstößt gegen die IOC-Charta, die FIDE-Statuten und die territoriale Integrität eines ECU-Verbandsmitglieds. Darüber hinaus werden diese Aktivitäten des RCF von internationalen Organisationen als Unterstützung einer illegalen militärischen Besetzung betrachtet. 

Wir bitten den FIDE-Rat, den Russischen Schachverband aufzufordern, jegliche Aktivitäten auf ukrainischem Territorium einzustellen und im Falle der Nichtbefolgung den Russischen Schachverband mit sofortiger Wirkung zu suspendieren.“

Magnus Carlsen verwies in seiner Dankesrede nicht nur auf Kasparov, der sicher nicht ohne Absicht von der FIDE bei der Verleihung der Awards übergangen wurde - man hätte ihn auch bei den Sonderpreisen des Präsidenten ehren können. Carlsen sprach sich auch klar gegen die Aufhebung der Suspendierung des Russischen und des Weißrussischen Schachverbandes aus. 

Carlsen veröffentlichte sein Statement auch auf seinem X-Account:

FIDE General Assembly 2024...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
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