Mannschaftseuropameisterschaften: Resümee des DSB

von ChessBase
23.11.2021 – Der Deutsche Schachbund kann mit dem Abschneiden der beiden Nationalmannschaften sehr zufrieden sein. Die Männer erfüllten mit Platz zehn die Erwartungen. Rasmus Svane war dabei zweitbester Spieler an Brett 5. Die Frauen platzierten sich als Fünfte unmittelbar hinter den europäischen Großmächten im Frauenschach. Ein Resümee des Deutschen Schachbundes. | Foto: Deutscher Schachbund.

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Pressemitteilung des Deutschen Schachbundes
 

TEAM-EM RUNDE 9: FRAUEN AM ENDE AUF TOLLEM 5. PLATZ, MÄNNER WERDEN ZEHNTER

Dank eines fulminanten Schlussspurts bei der Team-EM im slowenischen Terme Catez schafft es die deutsche Männer-Nationalmannschaft knapp in die Top 10, die Frauen springen sogar dank eines Kantersieges gegen Litauen noch auf Platz 5! Ein mehr als versöhnlicher Abschluss für ein langes und kräftezehrendes Turnier.

Männer

In der neunten und letzten Runde bekamen es die Männer heute mit der Türkei zu tun. Die Frauen hatten bereits am Vortag mit einem 3,5:0,5-Sieg über die Türkinnen vorgemacht, wie es geht. Für die Männer entwickelte sich der Mannschaftskampf dann aber vielleicht unangenehmer als gedacht, sicherlich aber als erwünscht. Zwar war man an allen Brettern leicht favorisiert ins Match gegangen, doch Sorgenfalten machten sich beim ein oder anderen Spieler ausgangs der Eröffnung breit.

Am meisten Zittern mussten die deutschen Fans an den Bildschirmen zu Hause mit Liviu Dieter Nisipeanu am Spitzenbrett. Der sonst so solide und erfahrene Großmeister, der schon so häufig für die deutsche Nationalmannschaft am ersten Brett die Kohlen aus dem Feuer holen musste, erwischte keinen Sahnetag. Nachdem Dieter sich nicht an die gespielte Eröffnungsvariante erinnern konnte, geriet er schnell auf die schiefe Bahn. Zwar konnte er die Qualität gewinnen, dafür aber sah er sich drei gefährlichen, verbundenen weißen Freibauern gegenüber. Dass sich Dieter am Ende noch ins Remis retten konnte, war großer Zähigkeit und gnädiger Mithilfe des Gegners zu verdanken.

Aber nicht nur an Brett eins, auch an Brett drei schien die deutsche Mannschaft ein wenig zu wackeln. In der Partie von Matthias Blübaum ging es drunter und drüber, wobei Matthias nach der Partie beim Abendessen gestand: „An der ein oder andere Stelle habe ich glaube ich nicht so gut gespielt.“ Doch auch sein Gegner ließ gute Möglichkeiten ungenutzt und zündete just im falschen Moment das Brett an. Mit einem präzise berechneten Figurenopfer konterte Matthias den weißen Angriff, wonach plötzlich der König seines Gegners sich in höchster Not befand. Das Matt konnte sein türkischer Kontrahent abwehren, Materialverlust aber nicht mehr, sodass Matthias die deutsche Mannschaft mit 1,5:0,5 in Führung schoss.

Den Sieg unter Dach und Fach brachte Rasmus Svane am vierten Brett. In einem soliden katalanischen Mittelspiel war es vielmehr der Nachziehende, der anstatt langwieriger Verteidigung einer leicht schlechteren Stellung sich für aktives Gegenspiel entschied – und damit im Nachhinein falsch lag. So verirrte sich der letzte schwarze Springer in der weißen Stellung ohne jede Chance, jemals wieder die eigene Bretthälfte lebendig zu erreichen. Für Rasmus‘ Freibauer auf der a-Linie gab es dann kein Halten mehr, Rasmus hatte leichtes Spiel und als Schwarz dann auch noch die Racheschachs ausgingen, konnte Rasmus die Siegerfaust ballen!

Mit insgesamt 5,5/7 Punkten holte Rasmus zudem den 2. Brettpreis mit einer Performance von 2710 Elo am fünften Brett. Eine grandiose und verdiente Leistung, herzlichen Glückwunsch hierzu!

Rasmus Svane, li.

Einen weiteren halben Punkt zum finalen 3:1 steuerte Vincent Keymer am zweiten Brett bei. Nach ruhiger Eröffnungsbehandlung gelang es Vincent, nach und nach seine Figuren im Zentrum zu platzieren, während für die gegnerischen Figuren nur Zuschauerplätze am Rand des Brettes übrigblieben. Doch als in Folge einiger ungenauer Züge die Zaungäste wieder mitmischen durften, verflüchtigte sich Vincents Vorteil, wonach beide Großmeister die Partie friedlich durch Remisschluss beendeten.

Mit diesem 3:1-Schlussrundensieg erreicht die Nationalmannschaft der Männer unter Trainer Daniel Fridman noch rechtzeitig zum Ende des Turniers mit Platz 10 einen versöhnlichen Abschluss. Von Rang 9 ins Turnier gestartet ist ein 10. Platz kein Beinbruch. Ganz im Gegenteil: Nach wackligem Mittelteil hat die junge Mannschaft Moral gezeigt und sich gerade in den letzten beiden Runden noch einmal wacker aufgerafft und zwei verdiente Siege folgen lassen. Und wer weiß, was bei der Schacholympiade 2022 dieser Mannschaft schon zuzutrauen sein wird?

Gewonnen haben im offenen Turnier die Ukrainer mit 14:4 Punkten vor den punktgleichen Franzosen. Unsere Nachbarn brachten das Kunststück fertig, dass vier von fünf Spielern das Turnier mit einem Elo-Minus beendeten – doch dank Alireza Firouzja am Spitzenbrett (8/9!) reichte dies dennoch für den zweiten Platz. Mit dieser absoluten Weltklasseleistung (Performance 3015 Elo!) wird Firouzja in der Dezemberliste der FIDE der jüngste Spieler aller Zeiten sein, der die magische Schallmauer von 2800 Punkten durchbrochen haben wird. Herzlichen Glückwunsch!

Frauen

Einen noch größeren Schlussspurt legten die Deutschen Frauen hin. Gegen die bis dato weit, weit über ihrer Zahl spielenden Litauerinnen war absehbar, dass die letzten vier Partien des Turniers kein Spaziergang für unsere Nationalspielerinnen werden sollten. Doch bereits gestern konnte man beim Abendessen spüren, dass alle fokussiert die letzte Runde angehen und noch ein Top-Resultat einfahren wollten. Und diese Einstellung sollte sich schlussendlich bezahlt machen.

Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen brachte Hanna Marie Klek in Führung. Bereits in der Eröffnung verhaftete sie einen wichtigen Bauern der Nachziehenden, da sie korrekt berechnet hatte, dass Schwarz diesen nie mehr wiedersehen würde. Als Schwarz dann im Versuch, Gegenspiel zu erlangen, auch noch den eigenen König schwächte, ließ sich Hanna Marie nicht zweimal bitten. Bei ungleichfarbigen Läufern erzwang sie innerhalb kürzester Zeit das Matt. Paul Meyer-Dunker hat Hanna Marie im Anschluss zu ihrer Partie befragt:
 

Den zweiten vollen Punkt legte Josefine Heinemann nach. Anscheinend gelang es ihr, in der Eröffnung erfolgreich eine Überraschung zu platzieren, denn ihre litauische Gegnerin verbrauchte viel wertvolle Bedenkzeit innerhalb der ersten Züge. Dies sollte sich später dann auch rächen: Als es konkret und kompliziert wurde, fehlte Weiß die Zeit, um eine adäquate Verteidigung gegen Josefines Drohungen zu finden. Josefine krönte ihre starke Performance in diesem Turnier mit einem hübschen taktischen Finale, wonach Materialverlust aus weißer Sicht nicht mehr zu verhindern war. Mit ihrer Leistung von 6/9 Punkten bei einer Elo-Performance von 2437 schrammte Josefine ganz knapp an einer IM-Norm vorbei, aber wir sind uns sicher: Mit dieser Leistung ist die nächste Norm nur eine Frage der Zeit!

Den notwendigen halben Punkt zum Sieg der Mannschaft besorgte Melanie Lubbe am vierten Brett. Dabei war dies nach einem Missgeschick im Mittelspiel gar nicht mehr zu erwarten: Ihre junge Gegnerin fand eine versteckte taktische Möglichkeit zum Figurengewinn, sodass hier eigentlich schon die Felle davonzuschwimmen drohten. Im Angesicht der drohenden Niederlage warf Melanie aber noch einmal alles in die Waagschale, was ihre Stellung herzugeben vermochte. Und das gelang in der Tat erfolgreich! Nachdem Melanie zwischenzeitlich drei Bauern für den verlorengegangenen Springer einsammeln konnte, rettete die Unterverwandlung eines durchrasenden Freibauerns in einen Springer erst die Partie und dann den Tag. Das urplötzlich resultierende Springerendspiel war für keine Seite zu gewinnen, sodass sich beide Spielerinnen alsbald auf Remis einigten.

So spielte wie so häufig Elisabeth Pähtz die letzte Partie des Tages. Von Beginn an machte Elisabeth Druck und schaffte es, einen Bauern zu gewinnen. Im Übergang in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern verpasste ihre Gegnerin dann den rettenden Remismechanismus – und Elisabeth ließ ihre zweite Chance zum Partiegewinn nicht ungenutzt und erhöhte zum abschließenden, deutlichen 3,5:0,5-Sieg über Litauen.

Mit diesen zwei 3,5:0,5-Schlussrundensiegen stürmen unsere Frauen noch auf einen sagenhaften fünften Platz in der Abschlusstabelle vor! Die ersten vier Plätze belegen mit Russland, Georgien, Aserbaidschan und der Ukraine Teams, die im Frauenschach seit jeher bärenstarke Mannschaften an den Start bringen. Daher ist der fünfte Platz in diesem erlesenen Feld aller Ehren wert, alle fünf Spielerinnen haben in diesem Turnier Großes geleistet. Dass sich alle gegenseitig unterstützt und motiviert haben, ist sicherlich auch ein Verdienst von Frauenbundestrainer Yuri Yakovich, der es geschafft hat, ein funktionierendes Team zusammenzuschweißen. Herzliche Glückwunsche an die gesamte Mannschaft!

Wir haben Yuri auch noch zu seiner Sicht des Turniers befragt. Was unser Frauenbundestrainer zu sagen hat, hört selbst:

Wir danken unserem Sponsor UKA Meißen für die Unterstützung unserer Nationalmannschaften!

Resümee des Schachbundes auf der DSB-Seite mit Partieanalysen...

 


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