Partie 9: Ein Blick hinter die Kulissen
Was für ein Tag! Ich kam noch vor Beginn der neunten Partie im Fulton Market Building an und traf dort auf Ian Nepomniachtchi, der ab 14.30 Dauer-Simultan an drei Brettern gegen alle Interessenten spielen wollte. Ich fand, ein kurzes Aufwärmprogramm würde ihm gut tun, und war so unvorsichtig, ihn zum Bullet aufzufordern. Er war ungewöhnlich und erstaunlich schnell und nach vier Niederlagen in Folge hatte ich genug. Danach spielten wir fünf gegen fünf und in einer unserer drei Partien konnte ich ein verlorenes Endspiel ins Remis retten. Ich entschied, eine Pause vom Schach zu machen, um zu sehen, was sich in der Partie zwischen Carlsen und Karjakin tat, wo schon die ersten Züge in einem bekannten Abspiel der Archangelsk-Variante im Spanier auf dem Brett standen.
Großmeistertreffen
Ich machte ein paar Fotos und verließ dann den VIP-Bereich, um mich mit einem meiner Schüler zu treffen, der mit seinen Eltern aus North Carolina nach New York geflogen war, um die WM-Partien vor Ort zu sehen. Ich arrangierte ein Blitz-Match zwischen ihm und Christopher Yoo, einem der größten Schachtalente der USA, und ging dann zu einer netten Gruppe von Großmeistern, Robert Hess, Alejandro Ramirez, Mark Arnold. Ich lud sie zu den Blitzturnieren in meinem Schachklub ein und ging danach in den VIP-Bereich zurück, um wieder auf dem Laufenden zu sein. Dort versprach mir Lawrence Trent, später einen Revanchekampf mit Zeitvorgabe gegen Fabiano Caruana zu organisieren.
Lawrence "Larry" Trent (links) beim Blitz gegen Maxim Dlugy
All you can eat
Hier gibt es die berühmten Beluga Lichee Martinis
Als ich so durch den VIP-Bereich schlenderte, fragte ich mich, wohin das Büffet, das die Organisatoren in der ersten Hälfte des Wettkampfs so großzügig angeboten hatten, verschwunden war. Auch etliche VIPs, die mehr als 600$ für die Karten bezahlt hatten, fragten sich wahrscheinlich, ob Beluga-Wodka tatsächlich das Einzige war, was es zu "essen" gab.
Anna Burtasova erzählte mir von einem strategisch günstigen Platz, den man einnehmen musste, um das Essen abzupassen. Die Kenner der Szene würden dort stehen, alles verschlingen und dann an der Bar mit Wodka-Cocktails nachspülen. Diese Kombination war mir zu kompliziert und ich ging wieder in den Publikumsbereich, wo ich Igor Glek traf, einen bekannten Trainer, der einmal zu den besten zehn Spielern der Welt gehört hatte.
Ich lud ihn zu meinen Blitzturnieren ein und hörte dabei, wie Andrei Filatov, die Numero Undo des Russischen Schachverbands, einem Reporter ein Interview gab. Was Filatov dem Journalisten erzählte, war so interessant, dass ich es hier unbedingt weitergeben möchte. Filatov meinte, der Weltmeistertitel, der Steinitz 1886 verliehen wurde, sei das erste Mal gewesen, dass der Weltmeistertitel überhaupt in einer Sportart vergeben worden sei, wodurch dem Schach die Ehre zukommt, diesen Titel ins Leben gerufen zu haben. Das war mir neu, aber ich finde es cool!
Die neunte Partie nahm allmählich Formen an, und Magnus stand zwar offiziell okay, aber dennoch war klar, dass er noch ein bisschen Arbeit vor sich hatte, als er immer mehr Zeit in seine Züge investierte und Sergey mit 21.b3 das Tempo anzog.
Mit Judit im Studio
Ein paar Züge später wurde ich in den Kommentatorenraum gebeten. Ich sollte als Gastkommentator verraten, was ich von dem Wettkampf und der Stellung auf dem Brett halten würde. Mit Judit ist es immer lustig und nachdem mir genügend Make-Up ins Gesicht geschmiert worden war, um mein Dauergrinsen zu übermalen, wurde mir noch ein Mikrofon angesteckt und ich war bereit für die interessanten Fragen der Fernseh-Crew.
Meiner Meinung nach sollte Magnus versuchen, Partie neun mit Schwarz heil zu überstehen, um dann in den Partien zehn und zwölf sein Glück mit Weiß zu versuchen. Für mich war Carlsens 1...e5 ein Zeichen, dass er das ähnlich sah.
Die Gesellschaft von Judit Polgar ist immer ein Vergnügen
Die Partie wurde dann sehr taktisch und war sehr schwer zu beurteilen und schon bald darauf kehrte ich in den VIP-Bereich zurück, um nach dem Rechten zu sehen.
Fabiano war mittlerweile auch schon da und wie versprochen hatte Lawrence ein Revanchematch mit Zeitvorgabe arrangiert. Allerdings wollte er mich vorher noch weich kochen und 5 gegen 2 gegen mich spielen. Nachdem ich 2-0 in Führung ging, überließ er Fabiano die Bühne und wir spielten wie vereinbart mit 3 gegen 2 Minuten. Eigentlich sollten die zwei Lichee Martini, die ich getrunken hatte, ja keine Wirkung haben, aber gegen Caruana lief es anders als geplant. Er zeigte phantastisches Schach und überspielte mich in schwierigen Stellungen. Nach sechs Partien stand es 3-3. Lawrence meinte, ich sei jetzt müde genug und wollte noch einmal gegen mich antreten und bot eine Partie "Alles-oder-Nichts" an. Die gewann ich und konzentrierte mich dann wieder auf die Partie zwischen Karjakin und Carlsen, in der Karjakin kurz vor der Zeitkontrolle an Lxf7 überlegte, was sehr gefährlich für Schwarz aussah.
Drinks und Blitz
Die Nummer vier der Welt im Blitzschach tritt gegen die Nummer zwei der Welt im klassischen Schach an
Aber Magnus fand eine Verteidigung und die Partie verflachte, als Sergey in einem Bauernendspiel 3 gegen 2, das klar Remis zu sein schien, versuchte wie Magnus zu spielen. Ich trank meinen vierten Martini und mir gelang eine Revanche gegen Ian, den ich mit 2,5-1,5 besiegen konnte. Wirklich interessant wurde es aber erst, als Fabiano und Ian zum 3 gegen 3 Duell antraten. Dann wollte Larry unbedingt 3 gegen 1 gegen Ian spielen. Dieser Wettkampf endete schließlich Unentschieden, aber Lawrence feierte jeden Sieg ein wenig zu übertrieben, was bei Ian nicht gut ankam.
Als sich Carlsen und Karjakin schließlich auf Remis einigten, machten wir ebenfalls Feierabend.
Ich freue mich auf Partie zehn!
Impressionen:
Andy Lerner, ehemaliger Grundschulmeister der USA ist jetzt Investmentmanager.
Geblitzt wird überall
WGM Elmira Mirzoeva verfolgt das Geschehen für Match TV in Russland.
Filatov unterhält sich mit Kirill Zengalis, Karjakins rechter Hand
Ian! Kamera, Action!
Ian beim Simultan gegen den Nachwuchs
Der VIP-Bereich ist nicht überfüllt, aber sehr gemütlich
Der Spielsaal vom VIP-Bereich aus gesehen
Vladimir Barsky (mit Kamera) hat immer etwas Interessantes zu erzählen