Beim Tie-break dabei

von Maxim Dlugy
02.12.2016 – Maxim Dlugy war regelmäßig Zuschauer beim WM-Kampf zwischen Sergey Karjakin und Magnus Carlsen in New York. Natürlich wollte er auch den Tie-Break live erleben. Mittendrin im Getümmel musste er sich indes wurdern, weshalb Karjakin im Schnellschach nicht flotter zog. Mehr...

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Der Tie-Break war natürlich Abschluss und Höhepunkt des Wettkampfs - entsprechend viele Zuschauer waren dann auch gekommen, um die vier Schnellpartien live zu verfolgen. Auch die Fernsehteams mussten arbeiten: das offizielle Fernsehteam des Veranstalters Agon, der russische Sportsender Match TV und auch das Fernsehteam, das von der russischen Regierung beauftragt worden war, eine Dokumentation über den Wettkampf zu drehen und immer wieder wissen wollte, was vor sich geht.

Zuschauerandrang bei der Schach-WM

Ich wurde gleich zu Beginn der ersten Partie von Anna Burtosova eingefangen, die meinte, es wäre doch schön, wenn ich bei einer Schnellpartie als Kommentator dabei wäre. Ich hatte nichts dagegen, denn mit Judit zu analysieren ist eine Ehre und macht immer Spaß. Und schon in der ersten Partie, die mit Remis endete, zeigte sich ein Problem von Karjakin - dass der Wettkampfsieg zum Greifen nahe war, schien Sergey stärker zu belasten als Magnus, und das führte dazu, dass er über seine Züge viel länger nachdachte, als es in einer Schnellpartie gut ist. So verbrauchte er in einer Stellung, in der kaum Komplikationen zu erkennen waren, sehr viel mehr Zeit als Carlsen. Was würde passieren, sollte er so weiter machen? Wie sollten es bald erfahren!

Als ich aus dem Fernsehstudio wieder in den VIP-Bereich zurückkam, sah ich, dass ein Teil des VIP-Bereichs abgesperrt war, und man diesen Bereich nur mit einem ganz bestimmten roten Armband betreten durfte. Auf meine Frage, was es damit auf sich hatte, erklärte mir Richard Conn, dass dieser VIP-Bereich im VIP-Bereich für eine private Feier des Milliardärs Yury Milner reserviert war, der Magnus vor einiger Zeit nach Kalifornien eingeladen hatte. Das waren gute Nachrichten. Vielleicht würde Yury das, was er heute zu sehen bekam, so gut gefallen, dass er in Erwägung ziehen würde, als Sponsor des nächsten Weltmeisterschaftskampfs aufzutreten?

Während der zweiten Partie wurde ich wieder ins Studio gebeten und war wie die gesamte Schachwelt fassungslos, wie Magnus seinen Vorteil aus der Hand gegeben und Sergey erlaubt hatte, mit einer schönen Pattkombination ins Remis zu entschlüpfen.

Obwohl Sergey wieder bedenklich mit seiner Bedenkzeit umging,  riss er sich dann doch zusammen und schaffte es, den Weltmeister, der das Mittelspiel tadellos gespielt hatte, aus dem Gleichgewicht zu bringen und bei der Verwertung seines Endspielvorteils die Nerven verlieren zu lassen. Die Spannung wurde immer größer und auch Judit meinte, Magnus würde Probleme haben, sich nach einem solchen Rückschlag wieder zu erholen.

Henrik Carlsen und Maxim Dlugy

Doch was dann geschah, war einfach unglaublich. Sergey verbrauchte erneut bedenklich viel Zeit für seine Züge und landete in einer unangenehmen Stellung, doch als er dann endlich dem Ausgleich nahe war, zog er einfach nicht mehr. Die Menge im VIP-Bereich drehte durch und zählte die Sekunden auf seiner Uhr herunter. Mit nur noch ein paar Sekunden auf der Uhr griff er schließlich zu seinem Turm, doch anstatt die schwarze Dame anzugreifen, nahm er einen schwarzen Bauern auf c7. Magnus dachte nur ganz kurz nach und spielte dann Ta1, was zur sofortigen Aufgabe von Weiß führte.

Peter Heine Nielsen (links), der Sekundant von Magnus Carlsen, und Dirk Jan ten Geuzendam,
Redakteur der Zeitschrift New in Chess

Der entscheidende Faktor in diesem Tie-Break war die Zeit. Vor der letzten Partie des Tie-Breaks wurde ich von Elmira Mirzoeva von Match TV interviewt, und meinte, dass Sergey in Partie vier eine andere Eröffnung wählen müsste und nur an einen Sieg denken sollte - obwohl ich nicht wirklich glaubte, dass dies möglich war. 

Die letzte Partie zeigte, wie gefährlich es ist, gegen Magnus anti-positionell zu spielen. Magnus brachte die Felder d5 und b6 unter seine Kontrolle und wartete einfach, was Sergey unternehmen würde. Nachdem Sergey in einer fast verlorenen Stellung dem Remis durch Zugwiederholung ausgewichen war, beendete Magnus die Partie mit dem vielleicht schönsten Matt, dass es je bei einer Weltmeisterschaft zu sehen gab - er opferte die Dame und das war der letzte Zug des Wettkampfs.

Eine gute Art, seinen 26. Geburtstag zu feiern. Viva Magnus!!

Übersetzung: Johannes Fischer


Maxim Dlugy wurde 1966 in Moskau geboren, 1977 emigrierte er mit seinen Eltern in die USA. 1985 wurde Dlugy Juniorenweltmeister, später arbeitete er an der Wall Street. Dlugy lebt in New York, hat Frau und Kinder und liebt das Blitzen.

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