Mihail Marin: Pirc-Verteidigung

von ChessBase
03.08.2015 – GM Mihail Marin gilt als anspruchsvoller, produktiver Autor. Rezensent Robert Klenk hat sich Marins zwei DVDs über die Pirc-Verteidigung angeschaut und sah diesen Ruf bestätigt: "Spieler mit einer Wertungszahl von +1900 finden hier ein modernes und vermutlich bis IM-Niveau ausreichendes Repertoire. Denn: Wo Marin drauf steht, ist auch Marin drin!" Mehr...

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GM Mihail Marin: Pirc-Verteidigung: Ein Repertoire für Schwarz

Rezension von Robert Klenk

Der rumänische GM Mihail Marin ist mit vielen hochwertigen Publikationen in Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel mittlerweile einer der renommierten Schach-Autoren. Er selbst spielte und spielt Pirc seit Jahrzehnten. So war ich sehr gespannt, nach Gallaghers Starting Out: Pirc/Modern und Dejan Bojkovs Chessbase-DVD The Pirc und einiger persönlicher Spielpraxis das nunmehr dritte Werk über diese Eröffnung zu sehen.

Marins Darstellung erstreckt sich über zwei DVDs, die jeweils  über vier Stunden Laufzeit haben. DVD 1 behandelt die positionellen, DVD 2 die scharfen Varianten.

Inhalt

In Band 1 „Positionelle Varianten“ nimmt die Analyse der Zugfolge 1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 4.Sf3 Lg7 5.Le2 0-0 6.0-0 c6 breiten Raum ein. Nacheinander werden die weißen Möglichkeiten 7.a4, 7.Le3, 7.h3, 7.Lf4 und 7.Te1 aus schwarzer Sicht abgehandelt (12 Clips). Es folgen 5.h3 (3 Clips) und 5.Le3 (4 Clips), das g3-System (3) und 3.f3 (1).

Nicht behandelt werden seltene Zugfolgen wie 3.Ld3 oder das o.g. Hauptsystem mit verzögerter weißer Rochade.

Im zweiten Teil „Angriffsvarianten“ stehen auf dem Programm:

  • der Aufbau 4.Le3-Dd2-f3 nebst nachfolgendem Lh6 (5 Clips)
  • der Dreibauern-Angriff mit 4.f4 („Austrian Attack“), der mit 13 Clips den Löwenanteil bildet
  • 4.Lg5 (was mit den besten weißen Score hat, auch wenn dieses Abspiel theoretisch nicht besser oder schlechter als andere Hauptvarianten ist; die Schwarzen tun sich aber statistisch schwerer)
  • 4.Lf4
  • das giftige, wenn auch nur als Überraschungswaffe auf Clubnivau taugliche 4.Lc4

Ausgespart werden Systeme mit frühem h4, vermutlich da sie theoretisch als nicht kritisch gelten. Beide Teile enthalten am Schluss jeweils die bereits vertrauten Übungsfragen sowie eine dreistellige Zahl an Beispielspartien. Als Bonbon obendrauf gibt es noch sämtliche von Marin selbst gespielte Pirc-Partien.

Marins Vortragsweise ist zwar nicht in perfektem Deutsch, aber ohne Weiteres verständlich und angenehm unaufdringlich.

Mihail Marin beim Isle of Man Turnier (Foto: Fiona Steil-Antoni)

Bewertung

Hier eher ein persönlicher Eindruck, die schachliche Bewertung können eigentlich nur Profis vornehmen:

Was wirklich gut rüberkommt, ist, wie wichtig Zugreihenfolgen und Nuancen bei den positionellen Varianten sind: Auffallend ist, dass kaum einmal allgemeine Regeln vom Autor genannt werden wie „Weiß/Schwarz sollte diese oder jene Figur versuchen zu tauschen“. Drei Ideen kommen allerdings immer wieder vor:

  •  Schwarz sollte Weiß an einem günstigen Durchbruch mit e4-e5 hindern
  •  h3 als fast immer nützlicher weißer Zug gegen schwarzes Sg4/Lg4
  •  a4 auf schwarzes c6 bei weißem Springer auf c3

Die Begründungen für bestimmte Züge sind ansonsten fast immer konkrete Varianten – ob dies in der Natur der Eröffnung liegt oder eher an Marins Schachverständnis, ist schwer zu sagen. Die abschließende Stellungseinschätzung am Ende einer Variante fällt meist etwas knapp aus, was aber bei diesem Umfang der Arbeit wohl unvermeidlich ist. Eigenanalysen, wie es weitergeht, sind in einigen Fällen sicher mehr als sinnvoll.

Im zweiten Teil kann man sehr schön nachvollziehen, wie sich über die Jahre die Empfehlungen gegen die aggressiven Systeme gewandelt haben – kaum noch eine vertraute Zugfolge, die ich von den oben genannten Vorgängern her kannte! Besondere Erwähnung verdienen die Empfehlungen gegen das sehr häufig gespielte 4.f4, wo Marin ein fast vergessenes System (...Sbd7) gegen 6.Ld3 mit eigenen Analysen wieder zum Leben erweckt. Hier geht es allerdings zuweilen rasiermesserscharf zu. Für ruhigere Naturen gibt es eine Alternative: Marins zusätzlich mitgelieferte Artikel zur nach wie vor spielbaren Hauptvariante mit 6...Sa6 aus früheren ChessBase-Magazinen, ganz ohne Taktik geht es allerdings auch hier nicht ab.

Fazit & Einkaufsratgeber

Die CB-Einstufung: „Turnierspieler/Profi“ sagt es schon: Aufgrund der Fülle des Materials und der vielen konkreten Abspiele würde ich Interessenten raten, viel Zeit mitzubringen und sich immer wieder mit dem Werk & den Beispielspartien zu beschäftigen. Gesehen, verstanden, gespielt – eher nicht. Spieler mit einer Wertungszahl von +1900, oder Spieler, die sich schon öfter mit Pirc beschäftigt haben (möglichst als Hauptwaffe gegen 1.e4),  finden hier ein modernes und vermutlich bis IM-Niveau ausreichendes Repertoire. Denn: Wo Marin drauf steht, ist auch Marin drin!

Pirc-Anfängern oder Spielern, die Pirc als Zweitverteidigung gegen schwächere Gegner wählen wollen  - es gibt wenig Verflachungstendenzen – lege ich hingegen Dejan Bojkovs Angreifen mit der Pirc-Verteidigung ans Herz (1 DVD, leicht verdaulicher und für den Einstieg gut geeignet), um sich erst mal heranzutasten.

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