Moskauer Bilderbogen
Fotos von Eugeny Atarov
Text: André Schulz
Das so genannte Superfinale der Russischen Meisterschaft war als glanzvoller
Höhepunkt der russischen Schachsaison geplant. Verbandspräsident Alexander
Zhukov, der als Vizepremier der russischen Regierung das dritthöchste Amt im
Staate einnimmt, hatte sich persönlich um die Teilnehmerliste gekümmert. Mit
Vladimir Kramnik, Garry Kasparov, Anatoly Karpov hätte man die letzten drei
Weltmeister (im klassischen Schach) und mit Alexander Khalifman einen
FIDE-Weltmeister im Feld gehabt. Überraschend sagte dann Vladimir Kramnik aus
gesundheitlichen Gründen ab. Offenbar, um die Teilnahmerzahl gerade zu halten,
lud man daraufhin Alexander Khalifman aus. Ein Fehler, wie sich bald heraus
stellte. Denn einen Tag nach der Eröffnungspressekonferenz und einen Tag vor
Beginn des Turniers bemerkte Anatoly Karpov, dass er wegen "geschäftlichen"
Gründen gar nicht mitspielen könne. Khalifman, der nun ersatzweise wieder
eingereiht werden solle, war inzwischen nicht mehr verfügbar. So musste das
Turnier statt mit 14 Spielern mit 11 an den Start gehen. Im Interview deutete
Karpov später an, dass auch mangelnde Form ein Grund für die sehr kurzfristige
Absage war. Kurz zuvor hatte er noch in Astana einen Wettkampf gegen Sadvakasov
verloren. Absagen in letzter Minute kommen bei Karpov zuletzt häufiger vor. Im
November des letzten Jahres sorgte er in Benidorm für einen Eklat, als er seine
Erstrundenpartie verschieben wollte. Als ihm dies nicht zugestanden wurde, trat
er nicht an und wurde disqualifiziert. Zwei Jahre zuvor, im November 2001 hätte
er mit Kramnik und Kasparov einen Dreikampf im Rahmen des Botvinnik-Memorial
spielen sollen, sagte aber ebenfalls kurzfristig ab und spielte zur gleichen
Zeit lieber die FIDE-WM, wofür er von Illyumzhinov ein stattliches Antrittsgeld
erhalten haben soll.
Austragungsort ist das Hotel Rossija (Rossija=Russland), eines der größten
Hotels der Welt. Es liegt zwischen der Moskwa und dem Kreml. Im nächsten Jahr
soll es abgerissen werden.
Die Eröffnungspressekonferenz
Als die
Eröffnungspressekonferenz abgehalten wurde, wusste Karpov noch nichts davon,
dass er tags darauf absagen würde oder wollte die Spannung erhöhen. Jedenfalls
äußerte er sich noch zu der Frage der erwarteten Remishäufigkeit.
Alexander Zhukov wollte ursprünglich anwesend sein, erschien aber nicht. Er
entschuldigte sich damit, dass er "von einer höheren politischen Instanz" zu
einem anderen Meeting beordert worden sei. Moskauer Kreise mutmaßen, wer diese
höhere Instanz gewesen sein könnte, da über Zhukov nur noch zwei Politiker im
Staat rangieren.
Aufregung entstand, als Kasparov Fragen zum geplanten Wettkamf zwischen ihm und
FIDE-Weltmeister Kazimdzhanov beantwortete. Er wisse nicht mehr, als alle
anderen, also gar nichts. Bankgarantien lägen ihm nicht vor. Es gäbe nur die
Bestätigung von FIDE-Präsident Illymshinov. Dies sei aber die gleich Situation
wie vor dem ersten geplanten Wettkampf zwischen ihm und Ponomariov, der in
Buenos Aires hätte stattfinden sollen.
Unter den Zuschauern befand sich Berik Balgabaev, Illymshinovs rechte Hand. Er
widersprach den Ausführungen Kasparov. Tatsache ist jedoch, dass Kasparovs
Wettkampf gegen Ponomariov, auf dem ein großer Teil der Prager
Wiedervereinigungsidee von 2002 basierte, zunächst verschoben, dann überraschend
völlig abgesagt wurde und dass die beteiligten Spieler und die Öffentlichkeit
von der FIDE bis zuletzt im Unklaren gelassen wurde. Zurecht wies Kramnik in
seinem Interview mit Sport-Express nach seinem Wettkampf gegen Leko darauf hin,
dass man mit der FIDE keine Vereinbarungen treffen könne, die diese dann auch
zuverlässig einhalte.
Deutet man die Bilder richtig, war Kasparov über die teils schon anmaßenden
Einwürfe Balgabaevs recht ungehalten. Auch hier ist es die völlig intransparente
Politik der FIDE-Leitung, die zu überflüssigen Spannungen zwischen Spielern und
den führenden Funktionären des Verbandes führt. ACP-Präsident Lautier, Vladimir
Kramnik und andere Spieler beklagen sich über den fehlenden Respekt, den die
FIDE-Führung gegenüber den Spielern fort gesetzt vermissen lässt.
Von links: Alexander Roschal, Pressechef des Turniers und Chefredakteur von 64,
Garry Kasparov, Anatoly Karpov, Alexander Bakh und der KGB-General Beresnev.
Alexander Roschal moderiert. Vorne in der Mitte die einstigen Rivalen Kasparov
und Karpov. Zu diesem Zeitpunkt dachte man noch, dass dies nach Kramniks Absage
und Khalifmans Ausladung die einzigen noch verbliebenen Weltmeister im Turnier
seien. Später sagte dann auch Karpov noch ab.
Auf eine entsprechende Frage erklärt Kasparov, dass er keinerlei konkrete
Informationen zu seinem geplanten Wettkampf gegen Kazimdzhanov habe, außer einer
mündlichen Erklärung von Kirsan Illymshinov. Ihm lägen keine Bankgarantien vor.
Es sei die gleiche Situation wie vor dem ersten geplanten Wettkampf gegen
Ponomariov. Der türkische Verband sei an der Ausrichtung interessiert gewesen,
doch Illymshinov habe nicht reagiert.
Die rechte Hand des FIDE-Präsidenten Kirsan Illymzhinov, Berik Balgabaev. Er
widersprach den Ausführungen von Kasparov. Es sei alles klar mit Dubai. Kasparov
solle sich aufs Spielen konzentrieren und keinen Streit suchen. Die türkische
Föderation habe kein konkretes Angebot gemacht.
Kasparov ungehalten.
Karpov verschmitz. denkt er in diesem Moment daran, wie er seine Turnierabsage
am nächsten Tag begründen wird?
Kasparov hat nichts mehr zu sagen und wartet auf das Ende der Pressekonferenz.
Moskau und das Hotel Rossija
Das Lenin-Mausoleum am Roten Platz.
Das Hotel Rossija, mit 3100 Zimmern für 5500 Gäste eines der größten Hotels der
Welt. Es liegt zwischen
Moskwa und Kreml und war Ort der Aeroflotturniere. Im nächsten Jahr soll es
abgerissen werden, das Aeroflot-Turnier 2005 wird aber noch hier stattfinden.
An einem großen Plasmaschirm können Zuschauer die Partien verfolgen.
Das Pressecenter mit mehreren Notebooks für die Journalisten.
Die Eröffnungsfeier
Alexander Zhukov, Parlamentspräsident Russlands und Präsident des Verbandes,
ehrt die beiden russischen Olympiateams
Alexander Zhukov
Vitaly Tsechkowsky ist der älteste Turnierteilnehmer. Er
qualifizierte sich in dem Ausscheidungsturnier in St.Petersburg. In den Jahren
1975 bis 1979 gehörte Tsechkovsky zu den besten Spielern der Welt und lag
zeitweise unter den Top Ten mit einer Elozahl von 2595, die zu jener Zeit ein
ganz anderes Gewicht hatte als heute.
Wladimir Epishin (rechts).
Weltmeister Vladimir Smyslov (mitte), umgeben von Postovsky (li.) und dem
einflussreichen Geschäftsmann Burschtein.
Alexey Dreev
Artyom Timofeev
Rechts: Dagobert Kohlmeyer, hinten unterhalten sich Kasparov Sekundant Yuri
Dochojan und Evgeny Bareev.
Kasparov begrüßt Postovsky, links: Vassiliy Smyslov
Boris Postovsky,
Klara Kasparova auf der Couch
Kasparov beim Fernsehinterview
Verbandspräsident Alexander Zhukov und Garry Kasparov
Peter
Svidler und Alexander Zhukov
Kasparov mit Gattin und Sohn Vadim
Alexander Morozevich
Alexander Grischuk bei der Auslosung. Links: Schiedsrichter Dvorkovich
Kasparov bei der Auslosung
Vladimir Epishin, Alexander Motylev, Alexander Grischuk
Ehrengast Smyslov mit Gattin Natalia
Kasparov mit seiner Mutter Klara
Gruppenbild mit Herrn: Boris Postovsky mit Tatiana und Nadeshda Kosintseva
Großmeister Dimitrij Jakovenko und Oksana Kosteniuk, die jüngere Schwester von
Alexandra Kosteniuk. Beide arbeiten im Presseteam mit.
Bilder aus der ersten Runde
Der Beginn der Russischen Meisterschaft ist viel
versprechend. Es gibt wenig Remisgeschiebe, stattdessen viele spannende Partien.
Die Langeweile, die die Super-Turniere in Linares oder Dortmund in der jüngsten
Zeit ausgestrahlt haben, liegt zum großen Teil daran, dass immer wieder die
gleichen Spieler eingeladen werden und dort aufeinander treffen. Diese spielen
zum unzähligsten Male die gleichen Eröffnung gegeneinander und sind vielleicht
selbst von den immer gleich verlaufenden Partien angeödet. Wenn man einmal neue
Teilnehmerfelder hat, mit Spielern, die ganz andere Eröffnungen aufs Brett
bringen, entsteht sofort Abwechslung und beste Unterhaltung.
Kasparov hat zuletzt wenig gespielt und bei seinem Kurzauftritt in Kreta beim
Europapokal der Vereine Elopunkte eingestellt. Zur Zeit befindet er sich sogar
knapp unter der für ihn magischen 2800-Grenze. Um seine Ansprüche als wichtiger
Verhandlungspartner bei allen Fragen zu wiedervereinigten Weltmeisterschaften zu
behalten, braucht er bei diesem Turnier ein gutes Ergebnis. Besonders, das Vishy
Anand zur Zeit gut in Form ist und ihm in der Elorangliste unmittelbar im Nacken
sitzt. Auf der Pressekonferenz gab Kasparov an, dass er +4 anstrebe, was für den
Turniersieg reichen sollte, aber auch notwendig wäre, damit er seine Zahl
bestätige.
Alexander Bakh im Gespräch Schiedsrichter Dvorkovich. Davor der Tisch, an dem Kasparov gegen Bareev
spielen wird.
Alexander Morozevich kommt
Alexander Bakh, Exekutiv-Präsident des Russischen Verbandes im Gespräch mit
Peter Svidler und Alexey Dreev.
Der Turniersenior Vitaly Tseshkowsky
Tsechkovsky gegen Svidler in der ersten Runde
Artyom Timofeev und Alexex Dreev
Evgeny Bareev verlor in der ersten Runde gegen Kasparov
Vladimir Epishin und Alexander Morozevich
Immer im Mittelpunkt: Kasparov
Kasparov gegen Bareev
Bareev konzentriert
Kasparov konzentriert
Spaziergänge
Alexandre Kosteniuk gespannt
Im Pressezentrum verfolgt man die Partien: v.l.: Savinov, Kosteniuk, Razuvaev,
die Hand Vasiliev (Sport-Express Journalist), Nikitin, Jakovenko,
Alexey Dreev schaut sich die Partien im Presszentrum an
Partievorführungen im Presseraum
Alexander Grischuk zeigt seine Gewinnpartie
Auch Kasparov will seine Partie zeigen...
...nimmt Platz...
... und zeigt, was er sich gedacht hat.
Alexey Dreev in Aktion
Der Schachnachwuchs: rechts die Schwestern Kosteniuk, Alexandra und Oksana
Analyse mit Vitaly Tseshkovsky