Moskauer Bilderbogen

von ChessBase
19.11.2004 – Das Superfinale der Russischen Meisterschaft ist der gegenwärtige Mittelpunkt der internationalen Schachszene und bietet reichlich Gesprächsstoff. Für diesen sorgten die Absagen von Kramnik und Karpov. Auf der Eröffnungspressekonferenz kam es zudem um Disput zwischen Kasparov und dem Ilyumzinov-Assistenten Balgabaev über den Stand der Realisierung des Wettkampfes zwischen Kasparov und dem FIDE-Weltmeister Kazimdzhanov. Außerdem ist das Turnier auch ein Schaulaufen der Moskauer Schachprominenz. Eugeny Atarov (Im Foto rechts, links Vizepremier Zhukov) schickt uns sein Fotoalbum vom Superfinale. Mehr...

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Moskauer Bilderbogen
Fotos von Eugeny Atarov
Text: André Schulz

Das so genannte Superfinale der Russischen Meisterschaft war als glanzvoller Höhepunkt der russischen Schachsaison geplant. Verbandspräsident Alexander Zhukov, der als Vizepremier der russischen Regierung das dritthöchste Amt im Staate einnimmt, hatte sich persönlich um die Teilnehmerliste gekümmert. Mit Vladimir Kramnik, Garry Kasparov, Anatoly Karpov hätte man die letzten drei Weltmeister (im klassischen Schach) und mit Alexander Khalifman einen FIDE-Weltmeister im Feld gehabt. Überraschend sagte dann Vladimir Kramnik aus gesundheitlichen Gründen ab. Offenbar, um die Teilnahmerzahl gerade zu halten, lud man daraufhin Alexander Khalifman aus. Ein Fehler, wie sich bald heraus stellte. Denn einen Tag nach der Eröffnungspressekonferenz und einen Tag vor Beginn des Turniers bemerkte Anatoly Karpov, dass er wegen "geschäftlichen" Gründen gar nicht mitspielen könne. Khalifman, der nun ersatzweise wieder eingereiht werden solle, war inzwischen nicht mehr verfügbar. So musste das Turnier statt mit 14 Spielern mit 11 an den Start gehen. Im Interview deutete Karpov später an, dass auch mangelnde Form ein Grund für die sehr kurzfristige Absage war. Kurz zuvor hatte er noch in Astana einen Wettkampf gegen Sadvakasov verloren. Absagen in letzter Minute kommen bei Karpov zuletzt häufiger vor. Im November des letzten Jahres sorgte er in Benidorm für einen Eklat, als er seine Erstrundenpartie verschieben wollte. Als ihm dies nicht zugestanden wurde, trat er nicht an und wurde disqualifiziert. Zwei Jahre zuvor, im November 2001 hätte er mit Kramnik und Kasparov einen Dreikampf im Rahmen des Botvinnik-Memorial spielen sollen, sagte aber ebenfalls kurzfristig ab und spielte zur gleichen Zeit lieber die FIDE-WM, wofür er von Illyumzhinov ein stattliches Antrittsgeld erhalten haben soll.


Austragungsort ist das Hotel Rossija (Rossija=Russland), eines der größten Hotels der Welt. Es liegt zwischen der Moskwa und dem Kreml. Im nächsten Jahr soll es abgerissen werden.

Die Eröffnungspressekonferenz

Als die Eröffnungspressekonferenz abgehalten wurde, wusste Karpov noch nichts davon, dass er tags darauf absagen würde oder wollte die Spannung erhöhen. Jedenfalls äußerte er sich noch zu der Frage der erwarteten Remishäufigkeit.

Alexander Zhukov wollte ursprünglich anwesend sein, erschien aber nicht. Er entschuldigte sich damit, dass er "von einer höheren politischen Instanz" zu einem anderen Meeting beordert worden sei. Moskauer Kreise mutmaßen, wer diese höhere Instanz gewesen sein könnte, da über Zhukov nur noch zwei Politiker im Staat rangieren.

Aufregung entstand, als Kasparov Fragen zum geplanten Wettkamf zwischen ihm und FIDE-Weltmeister Kazimdzhanov beantwortete. Er wisse nicht mehr, als alle anderen, also gar nichts. Bankgarantien lägen ihm nicht vor. Es gäbe nur die Bestätigung von FIDE-Präsident Illymshinov. Dies sei aber die gleich Situation wie vor dem ersten geplanten Wettkampf zwischen ihm und Ponomariov, der in Buenos Aires hätte stattfinden sollen.

Unter den Zuschauern befand sich Berik Balgabaev, Illymshinovs rechte Hand. Er widersprach den Ausführungen Kasparov. Tatsache ist jedoch, dass Kasparovs Wettkampf gegen Ponomariov, auf dem ein großer Teil der Prager Wiedervereinigungsidee von 2002 basierte, zunächst verschoben, dann überraschend völlig abgesagt wurde und dass die beteiligten Spieler und die Öffentlichkeit von der FIDE bis zuletzt im Unklaren gelassen wurde. Zurecht wies Kramnik in seinem Interview mit Sport-Express nach seinem Wettkampf gegen Leko darauf hin, dass man mit der FIDE keine Vereinbarungen treffen könne, die diese dann auch zuverlässig einhalte.

Deutet man die Bilder richtig, war Kasparov über die teils schon anmaßenden Einwürfe Balgabaevs recht ungehalten. Auch hier ist es die völlig intransparente Politik der FIDE-Leitung, die zu überflüssigen Spannungen zwischen Spielern und den führenden Funktionären des Verbandes führt. ACP-Präsident Lautier, Vladimir Kramnik und andere Spieler beklagen sich über den fehlenden Respekt, den die FIDE-Führung gegenüber den Spielern fort gesetzt vermissen lässt.



Von links: Alexander Roschal, Pressechef des Turniers und Chefredakteur von 64, Garry Kasparov, Anatoly Karpov, Alexander Bakh und der KGB-General Beresnev.



Alexander Roschal moderiert. Vorne in der Mitte die einstigen Rivalen Kasparov und Karpov. Zu diesem Zeitpunkt dachte man noch, dass dies nach Kramniks Absage und Khalifmans Ausladung die einzigen noch verbliebenen Weltmeister im Turnier seien. Später sagte dann auch Karpov noch ab.

 



Auf eine entsprechende Frage erklärt Kasparov, dass er keinerlei konkrete Informationen zu seinem geplanten Wettkampf gegen Kazimdzhanov habe, außer einer mündlichen Erklärung von Kirsan Illymshinov. Ihm lägen keine Bankgarantien vor. Es sei die gleiche Situation wie vor dem ersten geplanten Wettkampf gegen Ponomariov. Der türkische Verband sei an der Ausrichtung interessiert gewesen, doch Illymshinov habe nicht reagiert.



Die rechte Hand des FIDE-Präsidenten Kirsan Illymzhinov, Berik Balgabaev. Er widersprach den Ausführungen von Kasparov. Es sei alles klar mit Dubai. Kasparov solle sich aufs Spielen konzentrieren und keinen Streit suchen. Die türkische Föderation habe kein konkretes Angebot gemacht.



Kasparov ungehalten.







Karpov verschmitz. denkt er in diesem Moment daran, wie er seine Turnierabsage am nächsten Tag begründen wird?









Kasparov hat nichts mehr zu sagen und wartet auf das Ende der Pressekonferenz.

 

Moskau und das Hotel Rossija



Das Lenin-Mausoleum am Roten Platz.



Das Hotel Rossija, mit 3100 Zimmern für 5500 Gäste eines der größten Hotels der Welt. Es liegt  zwischen Moskwa und Kreml und war Ort der Aeroflotturniere. Im nächsten Jahr soll es abgerissen werden, das Aeroflot-Turnier 2005 wird aber noch hier stattfinden.



An einem großen Plasmaschirm können Zuschauer die Partien verfolgen.




Das Pressecenter mit mehreren Notebooks für die Journalisten.

Die Eröffnungsfeier



Alexander Zhukov, Parlamentspräsident Russlands und Präsident des Verbandes, ehrt die beiden russischen Olympiateams



Alexander Zhukov



Vitaly Tsechkowsky ist der älteste Turnierteilnehmer. Er qualifizierte sich in dem Ausscheidungsturnier in St.Petersburg. In den Jahren 1975 bis 1979 gehörte Tsechkovsky zu den besten Spielern der Welt und lag zeitweise unter den Top Ten mit einer Elozahl von 2595, die zu jener Zeit ein ganz anderes Gewicht hatte als heute.



Wladimir Epishin (rechts).



Weltmeister Vladimir Smyslov (mitte), umgeben von Postovsky (li.) und dem einflussreichen Geschäftsmann Burschtein.



Alexey Dreev


Artyom Timofeev





Rechts: Dagobert Kohlmeyer, hinten unterhalten sich Kasparov Sekundant Yuri Dochojan und Evgeny Bareev.



Kasparov begrüßt Postovsky, links: Vassiliy Smyslov



Boris Postovsky, Klara Kasparova auf der Couch



Kasparov beim Fernsehinterview



Verbandspräsident Alexander Zhukov und Garry Kasparov



Peter Svidler und Alexander Zhukov



Kasparov mit Gattin und Sohn Vadim



Alexander Morozevich



Alexander Grischuk bei der Auslosung. Links: Schiedsrichter Dvorkovich



Kasparov bei der Auslosung



Vladimir Epishin, Alexander Motylev, Alexander Grischuk



Ehrengast Smyslov mit Gattin Natalia



Kasparov mit seiner Mutter Klara

 



Gruppenbild mit Herrn: Boris Postovsky mit Tatiana und Nadeshda Kosintseva



Großmeister Dimitrij Jakovenko und Oksana Kosteniuk, die jüngere Schwester von Alexandra Kosteniuk. Beide arbeiten im Presseteam mit.

Bilder aus der ersten Runde

Der Beginn der Russischen Meisterschaft ist viel versprechend. Es gibt wenig Remisgeschiebe, stattdessen viele spannende Partien. Die Langeweile, die die Super-Turniere in Linares oder Dortmund in der jüngsten Zeit ausgestrahlt haben, liegt zum großen Teil daran, dass immer wieder die gleichen Spieler eingeladen werden und dort aufeinander treffen. Diese spielen zum unzähligsten Male die gleichen Eröffnung gegeneinander und sind vielleicht selbst von den immer gleich verlaufenden Partien angeödet. Wenn man einmal neue Teilnehmerfelder hat, mit Spielern, die ganz andere Eröffnungen aufs Brett bringen, entsteht sofort Abwechslung und beste Unterhaltung.

Kasparov hat zuletzt wenig gespielt und bei seinem Kurzauftritt in Kreta beim Europapokal der Vereine Elopunkte eingestellt. Zur Zeit befindet er sich sogar knapp unter der für ihn magischen 2800-Grenze. Um seine Ansprüche als wichtiger Verhandlungspartner bei allen Fragen zu wiedervereinigten Weltmeisterschaften zu behalten, braucht er bei diesem Turnier ein gutes Ergebnis. Besonders, das Vishy Anand zur Zeit gut in Form ist und ihm in der Elorangliste unmittelbar im Nacken sitzt. Auf der Pressekonferenz gab Kasparov an, dass er +4 anstrebe, was für den Turniersieg reichen sollte, aber auch notwendig wäre, damit er seine Zahl bestätige.



Alexander Bakh im Gespräch Schiedsrichter Dvorkovich. Davor der Tisch, an dem Kasparov gegen Bareev spielen wird.


Alexander Morozevich kommt


Alexander Bakh, Exekutiv-Präsident des Russischen Verbandes im Gespräch mit Peter Svidler und Alexey Dreev.


Der Turniersenior Vitaly Tseshkowsky


Tsechkovsky gegen Svidler in der ersten Runde
 


Artyom Timofeev und Alexex Dreev


Evgeny Bareev verlor in der ersten Runde gegen Kasparov


Vladimir Epishin und Alexander Morozevich


Immer im Mittelpunkt: Kasparov


Kasparov gegen Bareev


Bareev konzentriert


Kasparov konzentriert


Spaziergänge


Alexandre Kosteniuk gespannt


Im Pressezentrum verfolgt man die Partien: v.l.: Savinov, Kosteniuk, Razuvaev, die Hand  Vasiliev (Sport-Express Journalist),  Nikitin, Jakovenko,
 



Alexey Dreev schaut sich die Partien im Presszentrum an





Partievorführungen im Presseraum





Alexander Grischuk zeigt seine Gewinnpartie



Auch Kasparov will seine Partie zeigen...



...nimmt Platz...



... und zeigt, was er sich gedacht hat.

 



Alexey Dreev in Aktion





Der Schachnachwuchs: rechts die Schwestern Kosteniuk, Alexandra und Oksana




Analyse mit Vitaly Tseshkovsky

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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