Neue Gedenktafel für Helmut Schmidt am HSK-Schachzentrum enthüllt

von André Schulz
10.09.2024 – Helmut Schmidt war Zeit seines Lebens ein begeisterter Schachliebhaber. Erst kürzlich wurde bekannt, dass er mit seinen Eltern von 1931 bis 1942 in einer Wohnung lebte, die sich genau an der Stelle befand, an der heute das Schachzentrum des Hamburger SK steht. Vergangenen Donnerstag wurde im Rahmen der Eilbeker Tafelrunde eine Gedenktafel enthüllt. | Fotos: André Schulz

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Helmut Schmidts Ruf als Politiker ist legendär. Nach der Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft trat der gebürtige Barmbeker in die SPD ein und erwarb sich durch schnelles Handeln als Innensenator bei der großen Hamburger Sturmflut 1962 einen Ruf als entschlossener Macher. 1969 berief Bundeskanzler Willy Brandt Helmut Schmidt als Verteidigungsminister in die Sozialliberale Regierungskoalition. Im Juli 1972 übernahm Helmut Schmidt in der Nachfolge von Karl Schiller das Amt des Finanz- und Wirtschaftsministers. Nach der Aufteilung des Ministeriums führte Helmut Schmidt ab Dezember 1972 das Finanzministerium. 1974 folgte Helmut Schmidt Willy Brand als Bundeskanzler nach. Willy Brand war unter anderem wegen der Enttarnung seines persönlichen Referenten Günter Guillaume als DDR-Spion zurückgetreten. Schmidt blieb bis 1982 Bundeskanzler. Dann brach die sozialliberale Koalition auseinander. Die FDP bildete mit der CDU eine neue Regierung mit Helmut Kohl als Kanzler. In Helmut Schmidts Zeit als Kanzler fiel die Öl-Krise, und die Terror- und Mordanschläge der "Roten-Armee-Fraktion" im "Deutschen Herbst". Helmut Schmidt setzte sich unter anderem für die Kernkraft als Energiequelle und gegen großen Widerstand auch in der eigenen Partie für den NATO-Doppelbeschluss ein. 1987 schied Helmut Schmidt aus dem Bundestag aus.

Nach dem Ende seiner politischen Karriere wurde Helmut Schmidt 1983 Herausgeber der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit", war publizistisch mit der Veröffentlichung zahlreicher Büchern sehr aktiv und hielt als "Elder Statesman" viele Vorträge über politische Entwicklungen.

Zeit seines Lebens war Helmut Schmidt ein großer Schachliebhaber. Das Spiel hatte ihm schon sein Vater Gustav Schmidt beigebracht. Wie erst nach Recherchen in den 1990er Jahren bekannt wurde, war Gustav Schmidt eigentlich der uneheliche Sohn des jüdischen Bankiers Ludwig Gumpel aus einer kurzen Affäre mit Friederike Wenzel und wurde nach der Geburt vom Ehepaar Schmidt adoptiert. Gustav Schmidts jüdische Herkunft wurde allerdings geheim gehalten.

Schon in der Schulzeit lernte Helmut Schmidt seine spätere Ehefrau Hannelore "Loki" Glaser kennen. Das Paar heiratete 1942. Helmut und Loki Schmidt teilten die Liebe zum Schach und nutzten während der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg das Spiel, um in Partien gegeneinander Abstand vom teilweise sehr anstrengenden Tagesgeschäft zu gewinnen. 

Nach der Schulzeit, Helmut und Loki Schmidt lernten in der gleichen Klasse im reformpädagogischen Lichtwark-Gymnasium, heute Heinrich-Hertz-Schule, in Winterhude, meldete sich Helmut Schmidt zum freiwilligen Wehrdienst, um danach ohne Unterbrechung studieren zu können, und diente in einer Flugabwehr-Einheit der Luftwaffe. Bei Kriegsbeginn wurde er als Offizier der Reserve zunächst zur Luftabwehr nach Bremen eingezogen, dann nach Berlin versetzt und war schließlich bei der Blockade von St. Petersburg beteiligt. 1944 war er Batteriechef in Belgien und geriet bei Kriegsende in der Lüneburger Heide in britische Gefangenschaft. Dort schnitzte er sich ein Schachspiel und färbte die dunklen Felder des Brettes mit Kaffeepulver ein. Das Spiel bewahrte Helmut Schmidt bis zu seinem Tode auf.

Der Berliner Verbandspräsident Alfred Seppelt versuchte lange Zeit, Helmut Schmidt für das von ihm in Berlin organisierte Politiker-Schachturnier zu gewinnen, doch ohne Erfolg. Schmidt hätte dort eigentlich gerne mitgespielt, doch da man während der Partien nicht rauchen durfte, sah sich der Kettenraucher von Menthol-Zigaretten außerstande teilzunehmen.

Helmut Schmidt fand aber in seiner Zeit als Zeit-Herausgeber unter den Journalisten einige versierte Schachpartner. Ulrich Stock erzählte, dass er immer wieder einmal per Durchsage in das Büro des Herausgebers gerufen wurde und dann wurde dort Schach gespielt.

Erst kürzlich wurde entdeckt, das das Haus, in dem Helmut Schmidt von 1931 bis 1942 mit seinem Bruder und seinen Eltern wohnte, sich genau an der Stelle befunden hatte, wo heute das Schachzentrum des Hamburger SK steht. Der Hamburger Osten wurde bei den Bombenangriffen im Zuge der "Operation Gomorrha" ganz besonders zerstört und auch das Haus mit der Schmidt'schen Wohnung wurde dabei ausgebombt. Als der Hamburger SK von 1830 ein Grundstück für ein neues Vereinsheim suchte, stellte die Stadt Hamburg dieses leer stehende Grundstück zur Verfügung.

Nebenan befindet sich ein Sportplatz und ein Bunker aus der Kriegszeit, der inzwischen mit Wohnungen zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Die Bedeutung des Standortes wurde erst mit so großer zeitlicher Verzögerung klar, weil die Hausnummern in der Schellingstraße in den 1930er/40er Jahren anders war als heute.

Nachdem sich das aufgeklärt hatte, beschlossen die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung und der Hamburger SK zusammen mit der Eilbecker Tafelrunde hier im Rahmen des historischen Rundgangs eine weitere Tafel in Erinnerung an Helmut Schmidt anzubringen.

Dr. Meik Woyke (li.), Thomas Woisin

Dr. Meik Woyke, Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt Stiftung skizzierte in seiner Ansprache den Lebensweg und die Station den jungen Helmut Schmidt in Barmbek, Uhlenhorst, Eilbek und Winterhude und Thomas Woisin, Vorsitzender des Hamburger Schachklubs, hob die Bedeutung hervor, die der HSK in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg schon hatte.

Auch jüdische Mitbürger, denen schon vor der Nazizeit mancher Weg verschlossen war, waren hier willkommen, bis die Nazis sie 1933 aus dem gesellschaftlichen Leben ausschlossen. Der aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammende Walter Robinow war seit 1908 der 1. Vorsitzende des Hamburger Schachklubs und seit 1920 auch Präsident des Deutschen Schachbundes. 1933 mussten die jüdischen Mitglieder den Schachklub jedoch verlassen.

Nach den Ansprachen wurde die Tafel enthüllt und ist nun teil der Eilbeker Tafelrunde.

Dr. Meik Woyke (li.), Thomas Woisin

Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung...

Die Eilbeker Tafelrunde...

Beitrag beim NDR...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
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