Analysen von Caruana, Giri, Duda, So, Vidit, Vitiugov, McShane u.v.a. Dazu Videos von Williams, King und Shirov. 11 Eröffnungsartikel mit neuen Repertoireideen und Trainingseinheiten für jede Partiephase!
Die aktuelle Übersicht widmet sich dem folgenden Eröffnungsabspiel der Skandinavischen Verteidigung: 1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 Dd6 4.d4 Sf6 5.Sf3 c6 6.Se5 Sbd7 7.f4.
Dies ist eine sehr ehrgeizige und aggressive Waffe gegen die Variante mit 3...Dd6. Statt die Entwicklung fortzusetzen, bezieht Weiß eine aktive Stellung im Zentrum und plant, sogar noch g4 folgen zu lassen. Obwohl diese Idee mit grundsätzlichen Eröffnungsprinzipien kollidiert (Bauernvormarsch, ohne vollständig mobilisiert zu sein), rechtfertigt sie sich positionell durch die Tatsache, dass Weiß Raumvorteil hat und der schwarze Läufer c8 aktuell nicht entwickelt werden kann. Schwarz erwidert in der Regel ...Sb6 und ...g6/...Bg7. Das typische Spiel von Weiß verläuft mit Lg2 (nach g2-g4), gefolgt von 0-0 und manchmal f5 oder g5.
Kommen wir zu konkreten Varianten. Aus dem Diagramm heraus hat Schwarz die Wahl zwischen den folgenden Fortsetzungen: A) 7...e6, B) 7...g6 und C) 7...Sb6.
A) 7...e6
Der simpelste Zug, aber auch sehr passiv, da er den c8-Läufer komplett einsperrt. 8.g4. Weiß setzt seinen aggressiven Plan fort. 8...Dc7. Auf c7 steht die Dame weniger anfällig, manchmal kann Schwarz jetzt sogar das Schlagen auf e5 erwägen, da fxe5 von Weiß keine Gabel mehr wäre. 9.Lg2. Nach g4 ist dies der natürliche Platz für den Läufer, Weiß macht sich bereit für 0-0. 9...Sd5 10.Se4!. Wieder eine typische Erwiderung, und die ehrgeizigste Fortsetzung. Weiß hat Raumvorteil, daher will er die Springer nicht tauschen. Ein weiteres Plus dieses Zuges ist, dass er den Weg ebnet für den Vorstoß c2-c4. 10...Le7 11.0-0 0-0 12.c4 Sb6 13.b3 und Weiß hat ein aussichtsreiches Mittelspiel.
B) 7...g6
Für mich wirkt dies wie der natürlichste Zug in diesem System: Schwarz plant, seinen Läufer auf g7 zu fianchettieren. Allerdings ist es wohl besser, dies vorzubereiten und zuerst den nächsten weißen Zug mit 7...Sb6 zu verhindern. 8.Lc4. Dies ist die einzige Variante in diesem Artikel, in der Weiß nicht g4 zieht. Er will ...e6 erzwingen, weil die Kombination von ...e6 und ...g6 zusammen für Schwarz nicht günstig ist. 8...e6 Wieder ist Schwarz gezwungen, den Lc8 einzusperren - 8...Sxe5? 9.fxe5 mit einer Gabel. 9.a4!. Ein guter Zug. Weiß verhindert ...b5 und bereitet außerdem b3 nebst La3 vor, bevor Schwarz rochiert. 9...Lg7 10.b3! 0-0. Traurig, aber was sonst? 11.La3 c5 12.dxc5 Dxd1 13.Txd1 Sxe5 14.fxe5 Sg4 15.c6 und Weiß steht klar besser.
C) 7...Sb6
Die am häufigsten gewählte Fortsetzung, doch nun folgt das starke 8.g4!.
Auf den ersten Blick wirkt dies seltsam, denn statt sich zu entwickeln, macht Weiß einen weiteren Bauernzug. Anderseits verhindert er damit ...Lf5 und macht sich außerdem bereit für den Angriff am Königsflügel. Nun teilt sich der Weg für Schwarz. Spielen kann er C1) 8...Le6, C2) 8...Sbd5 oder C3) 8...g6.
C1) 8...Le6
Darauf folgt in der Regel 9.Lg2 g6 10.0-0 Td8 (10...0-0-0 wirkt zu gefährlich nach dem starken 11.Df3!).
Schwarz entfaltet gewissen Druck gegen d4. Wenn angegriffen, kann sein Läufer jetzt manchmal einfach nach c8 zurückgehen. 11.f5. Der schwarze Läufer auf e6 ist nicht stabil, daher setzt Weiß seine Initiative fort. 11...gxf5 12.gxf5 Lc4 (12...Lc8!? verdient Aufmerksamkeit) 13.Sxc4 Sxc4, und hier hätte Weiß 14.b3! Sb6 15.Se2 spielen sollen, mit aussichtsreicher Stellung.
C2) 8...Sbd5
Bislang sind die einzigen Leichtfiguren, die auf beiden Seiten gezogen haben, die Springer. 9.Lg2 g6 Der Tausch 9...Sxc3 10.bxc3 gibt Weiß die halboffene b-Linie, den Bauernhebel c3-c4 und die Option a4 nebst La3! 10.0-0 Lg7 11.Kh1. Nützliche Prophylaxe, der weiße König vermeidet jedes mögliche Motiv auf der Diagonalen g1-a7. 11...Le6 12.Sa4!. Vermeidet endgültig den Springertausch und schickt sich an, mit c4 und Sc5 fortzusetzen. 12...h5 13.c4 Sc7 14.g5 und Weiß hat sich offensichtlich schön aufgestellt.
C3) 8...g6
Wie von mir oben angemerkt, ist das Läuferfianchetto die geradlinigste Entwicklungsmethode für Schwarz. 9.Lg2 Lg7 10.0-0 0-0 11.f5. Bislang haben beide Seiten natürliche Züge gemacht. An dieser Stelle hat Weiß die Wahl zwischen
f5 oder g5. 11.g5 ermöglicht ihm anschließend Se4 mit Tempo, würde aber die weißen Felder schwächen. Daher ist 11.f5 die richtige Entscheidung, zumal es auch ein mögliches Lf4 vorbereitet. 11...Td8 12.Se2 Sfd7. Den Springer e5 zu befragen wirkt logisch, aber jetzt bekommt Weiß sehr heftigen Angriff.
13.Sxf7!!. Ein brillanter taktischer Schlag, der den schwarzen Königsflügel zerlegt! Wahrscheinlich war dies Vorbereitung von Weiß, wobei er noch mehrere genaue Züge machen muss, um die Partie nach Hause zu fahren.
Fazit: Skandinavisch mit 3...Dd6 gilt eigentlich als solides System für Schwarz. Aber diese moderne Aufstellung mit Se5, f4 und g4 ist ein gefährliches Konzept dagegen. Weiß ist mit den Bauern am Königsflügel ziemlich schnell, und der e5-Springer steht sehr stabil. Hier liegen die Chancen, dass sich erheblich komplizierte Mittelspiele entwickeln, weitaus höher als in üblichen Skandinavisch-Varianten, vor allem, wenn Weiß ehrgeizig agiert. Schwarz kann bezüglich der Struktur der Partie keinerlei Initiative ergreifen. Natürlich muss auch Weiß aufpassen, da die Bauernzüge in der eigenen Stellung doch Schwächen hinterlassen. Der letzten Partie Safarli-Hera nach zu urteilen, liegt Weiß im Moment theoretisch vorn, daher ist aktuell Schwarz derjenige, der mit einer Verbesserung aufwarten muss.
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