09.05.2015 – Wer Königsindisch oder Grünfeld spielt, liebt oft scharfe, taktische Stellungen, wer 1. d4 spielt, liebt oft ruhige Stellungen mit kleinem, aber angenehmem Vorteil. Aber was macht man als 1. d4-Spieler dann gegen Königs- oder Grünfeldindisch? Der englische GM Nick Pert hat eine Antwort: Man stellt seinen Läufer nach g2! Solide und sicher. Mehr...
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Rezension: Nick Pert: Solid and safe against the wild Indians Zähmen Sie Grünfeld- und Königsindisch!
Von Florian Hahn
Im Gegensatz zu Spielern, die mit 1. e4 aufschlagen und oftmals direkt in messerscharfe Eröffnungsduelle involviert sind, fahren viele Spieler, die ihren Aufschlag mit 1. d4 machen, lieber erst einmal in ruhigeren Gewässern. Sie streben nach einem soliden Aufbau mit einem kleinen Plus an Raum und Aktivität und der Aussicht auf eine risikoarme Initiative.
Natürlich gibt es aber auch gegen 1. d4 nicht wenige Eröffnungen, die sehr viel dynamisches Potential bergen und darauf angelegt sind, die weißen Pläne zu durchkreuzen. Zwei sehr populäre Eröffnungen dieser Natur sind Grünfeld- und Königsindisch. In beiden Eröffnungen scheint sich der Schwarze erst einmal trügerisch bescheiden zu geben und lässt Weiß großzügig das Zentrum besetzen, um es anschließend allerdings von allen Seiten unter Beschuss zu nehmen. Die sich hier entwickelnden taktischen Scharmützel und wilden Stellungen sind den Weißspielern oftmals ein Dorn im Auge.
In seiner jüngsten Chessbase-DVD hat Nick Pert diese beiden Schwarzeröffnungen einmal genauer unter die Lupe genommen und untersucht, wie man ihnen denn den dynamischen Wind aus den Segeln nehmen kann. Seine Lösung besteht gegen beide Eröffnungen in soliden Aufbauten mit dem Zug g3, der Fianchetto-Variante. In diesen Systemen baut sich Weiß erst einmal in aller Ruhe mit Sf3, Lg2 und 0-0 sein Häuschen am Königsflügel und schreitet anschließend mit einer gesunden Entwicklung seiner Figuren und einem kleinen Raumvorteil in den Nahkampf. Die empfohlenen Systeme der DVD sind somit an die von Boris Avrukh vor einigen Jahren herausgebrachte zweiteilige Bibel für 1. d4-Spieler angelehnt und lassen sich auch gut kombinieren.
Der englische Großmeister und Nachwuchstrainer Nick Pert, zu dessen größten Erfolgen der Gewinn der U18-Jugendweltmeisterschaft im Jahre 1998 zählt, ist auch im Hause ChessBase kein Unbekannter und hat bereits mit gelungenen DVDs, wie z.B. der über die Französische Verteidigung, die ich ebenfalls rezensiert habe, auf sich aufmerksam gemacht.
Die DVD ist in zwei Teile unterteilt. Im ersten spricht Pert über Königsindisch, im zweiten über den Grünfeldinder. Anzumerken ist hier, dass die Verteilung der Videos deutlich zugunsten von Königsindisch ausfällt, über das deutlich mehr Videoclips gezeigt werden.
Beim Königsindisch-Teil zeigt sich Nick Pert sehr präzise und untersucht wie Boris Avrukh in seinem Eröffnungsbuch sämtliche schwarze Möglichkeiten. Von der Ausgangsstellung 1. d4 Sf6 2. c4 g6 3. g3 Lg7 4. Lg2 0-0 5. Sf3 d6 6. Sc3 ausgehend fallen hierunter die schwarzen Optionen 6. …Sc6 und anschließend 7. …Lf5, 7. …Lg4, 7. …e5, 7. …a6 sowie die verschiedensten Aufbauten mit c6, Sbd7, Da5, e5, b6 und c5.
1. d4-Experte Boris Avrukh (rechts) im Gespräch mit ChessBase-Redakteur André Schulz
Hierbei wartet der Autor mit durchaus interessanten neuen Erkenntnissen auf. Beispielsweise nimmt er in einer der Hauptvarianten nach den Zügen 6. …Sc6 7. 0-0 e5 Abstand vom Hauptzug 8. d5, der unter anderem von Boris Avrukh empfohlen wird, sondern greift auf die Abtauschvariante mit 8. dxe5 zurück, die als Ausgleichsvariante verschrien ist. Diese Empfehlung gibt Nick Pert jedoch nicht, weil er auf einen baldigen friedlichen Handshake aus ist, sondern weil er diese Variante für unterschätzt hält und gegen beide schwarze Erwiderungen 8. …Sxe5 sowie 8. …dxe5 durchaus einen kleinen Vorteil für den Weißen reklamiert. Gerade diese Passage der DVD hat mir als Anhänger des Avrukh-Repertoires sehr gut gefallen, da man hier eine interessante Alternative zu dem Zug 8. d5 findet und so die Flexibilität innerhalb des eigenen Repertoires erhöhen kann.
Nimmt Weiß den Raumvorteil mit dem Zug 8. d5 mit
oder folgt er Nick Perts Empfehlung mit 8. dxe5?
Auch in anderen Abspielen, wie z.B. in untenstehender typischer Stellung, verdeutlicht Nick Pert anschaulich die beidseitigen Pläne und weiht die Zuschauer somit auch in weiterführende Mittelspielgeheimnisse ein.
Eine charakteristische Stellung für die Fianchetto-Variante gegen Königsindisch.
Der Grünfeldteil fällt zwar ein wenig kürzer aus, dafür behandelt der Autor aber auch hier die relevanten schwarzen Möglichkeiten, sich gegen das g3-System aufzubauen – die solidere Variante, bei der Schwarz zunächst den Zug c6 spielt, um d5 zu unterstützen, und die dynamischere Variante, in der Schwarz in klassischer Grünfeldmanier direkt mit d5 im Zentrum dagegenhält.
Als kleines Bonbon für die Experten sei verraten, dass Nick Pert auch das System untersucht, das kein Geringerer als der Grünfeldexperte schlechthin, Peter Svidler, in seiner eigenen umfangreichen Videoserie zur Grünfeldindischen Verteidigung aus schwarzer Sicht empfiehlt. Während Peter Svidler in einer sich um Ausgleich bewegenden Stellung die Analysen abbricht, geht Nick Pert hier noch einen Schritt weiter und zeigt, dass sich der Schwarze doch noch sehr umsichtig verteidigen muss, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten.
Für wen ist diese DVD schließlich geeignet? Nick Perts Repertoirevorschlag ist in dieser DVD recht detailliert und auf einen kleinen Teil des 1. d4 Kosmos beschränkt. Das Repertoire basiert auf grundsoliden Systemen mit dem Ziel der Anhäufung kleiner positioneller Vorteile. Um diese kleinen Vorteile letztlich auch ausnutzen zu können, bedarf es einer guten Technik. Persönlich würde ich die Spielstärke dafür am unteren Ende der Skala bei ca. 1600-1700 ansetzen. Spielern mit einer DWZ unter 1500 möchte ich bei dieser DVD keine Kaufempfehlung aussprechen, da ich hier eine solch dezidierte Auseinandersetzung mit Eröffnungssystemen noch nicht als sinnvoll erachte und auch die von Nick Pert gezeigten Ideen und Vorschläge recht anspruchsvoll sind.
Wie eingangs bereits erwähnt, fühlen sich in dieser DVD eher diejenigen Spielerinnen und Spieler zu Hause, die Stellungen ruhigerer Natur bevorzugen und gerne an mikroskopischen Vorteilen herumbasteln, um diese letztlich zu größeren Vorteilen auszubauen. Spieler, die dynamische und hochtaktische Stellungen lieben, kommen hier weniger auf ihre Kosten, zumal die Eröffnungen Grünfeld- und Königsindisch dem Weißen mehr als genug Möglichkeiten geben, auf das Angebot des Schwarzen einzugehen und in den absoluten Hauptvarianten einen Kampf auf Messers Schneide zu suchen. Für risikoaverse Spielertypen, Techniker und Endspielliebhaber aber kann ich hier eine klare Kaufempfehlung aussprechen.
Beispielvideo
Nicholas Pert:
Solid and Safe against the wild Indians:
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