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Nona Gaprindashvili ist eine Schachlegende. Sie stammt aus Georgien und wurde am 3. Mai 1941 geboren. Doch die 77-jährige wirkt immer noch so vital wie ihre gesamte Karriere hindurch.
Und es war eine glanzvolle Karriere! 1962 wurde sie Frauenweltmeisterin und löste Elisaveta Bykova auf dem Thron ab. 16 Jahre lang konnte sie ihren Titel verteidigen, doch dann verlor sie 1978 gegen die erst 17-jährige Maia Chiburdanidze, die wie Gaprindashvili ebenfalls aus Georgien stammt. Mit der Mannschaft Georgiens gewann Gaprindashvili elf Mal Gold bei Schacholympiaden und wurde nach einer Reihe von Erfolge in den 70ern die erste Frau, die den Großmeistertitel holen konnte.
Nona Gaprindashvili bei den Seniorenweltmeisterschaften 2018 | Foto: European Chess Academy
Gaprindashvili spielt immer noch gerne, meistens Schaukämpfe und Seniorenturniere. Vor kurzem wurde sie zum fünften Mal Seniorenweltmeisterin. Bei der Seniorenweltmeisterschaft führten Tadej Sakelsek und Adrian Mikhalchisin ein ausführliches Interview mit der Weltmeisterin.
Wann hast du mit dem Schach begonnen?
Nona Gaprindashvili: Ich wurde in der kleinen Stadt Zugdidi im Westen von Georgien geboren. Ich hatte vier ältere Brüder, mit denen ich oft gespielt habe. Die Kinder aus der ganzen Nachbarschaft trafen sich bei uns oft zum Spielen. Wir haben auf einem zweckentfremdeten Tisch Tischtennis gespielt, Billard und auch Fußball. Als Mädchen durfte ich das Tor hüten. Und auch Schach haben wir gerne und oft gespielt.
Zwei Dinge haben meine spätere Schachkarriere entscheidend beeinflußt. Einer meiner älteren Brüder war der beste Schachspieler in unserer Stadt, Zugdidi, und er hat auch einmal an einer georgischen Meisterschaft teilgenommen. Ich habe Schach gelernt, als ich bei ihm zugeschaut habe.
Ein anderer entscheidender Moment kam, als ich 11 oder 12 war. Mein Bruder sollte in der Mannschaftsmeisterschaft spielen, aber musste im letzten Moment absagen. Doch sie hatten gehört, dass mein Bruder eine jüngere Schwester hat, die auch Schach spielen würde, und so haben sie mich gefragt, ob ich nicht spielen wollte, denn sie brauchten auch eine Spielerin am Frauenbrett. Auf der Fahrt zum Turnier spielte ich ein paar Partien gegen die anderen Spieler meiner Mannschaft und am Ende gewann ich sogar gegen unserer erstes Brett. Beim Turnier landeten wir am Ende auf dem fünften Platz, und für eine kleine Stadt wie Zugdidi war das ein großer Erfolg.
Zugdidi liegt ungefähr 350 Kilometer nordwestlich von Tiflis
Ich habe wirklich gut gespielt und Vakhtang Karseladze, einer der wichtigsten Trainer Georgiens und Vater des georgischen Frauenschachs, wurde auf mich aufmerksam. Wenig später hat er sich gemeldet und meine Eltern gefragt, ob ich nicht nach Tiflis kommen könnte, um dort richtiges Training zu bekommen. Meine Eltern waren schließlich einverstanden und 1954 begann ich mit dem Training. Nur ein Jahr später gewann ich ein Turnier nach dem anderen und 1956 auch das Halbfinale der Sowjetischen Frauenmeisterschaften. Ich war damals 14 und das war ein gewaltiger Erfolg.
Du hast praktisch alle starken Spieler nach dem Zweiten Weltkrieg gekannt. Wen hältst du für die wichtigsten und größten Spieler der Schachgeschichte?
Eine schwere Frage. Ich möchte zwei wichtige Spieler herausheben - aber ohne sie in eine Hierarchie zu stellen. Der erste ist Bobby Fischer, da er die Sowjetunion praktisch im Alleingang besiegt hat. Und der zweite Mikhail Tal, der in seinen Partien gezeigt hat, dass Schach ein Sport ist, denn er hat seine Gegner gezwungen, zu kämpfen. Auch Morphy möchte ich erwähnen, denn ich halte ihn ebenfalls für einen großen Spieler, obwohl er nie offiziell Weltmeister war.
Aber eigentlich mag ich es nicht, die vielen starken Spieler der Vergangenheit so miteinander zu vergleichen. Bei Autoren ist das ähnlich. Bei manchen gefällt mir vielleicht jedes Buch, das sie geschrieben haben, bei anderen gefallen mir nur ein oder zwei Bücher. Verstehen Sie?
Mit Schwarz gegen Jan Timman 1979 | Foto: Rob Croes / Anefo
Du hast oft um die Frauenweltmeisterschaft gespielt. Gibt es Geschichten, die Dir besonders gut im Gedächtnis geblieben sind?
Damals hatte die Titelverteidigerin das ungeschriebene Recht, den Spielort zu bestimmen. Zu Beispiel wollte Bykova bei unserem Wettkampf unbedingt in Moskau spielen; ich habe ohne Weiteres zugestimmt, da sie meiner Meinung nach als Weltmeisterin das Recht dazu hatte. Als Weltmeisterin habe ich solche "Vorteile" jedoch nie in Anspruch genommen.
Bei meinem ersten Wettkampf gegen Kushnir stimmte ich zu, den Wettkampf in Riga zu spielen. Aber das Team meiner Gegnerin war mit diesem Vorschlag nicht einverstanden und so entschied das Ministerium schließlich, dass die eine Hälfte des Wettkampfs in Tiflis, die andere in Moskau gespielt werden sollte. Doch ihr Team, in dem Botvinnik Berater wollte das nicht und brachte Riga wieder ins Gespräch. Doch jetzt war ich damit nicht einverstanden.
Bei meinem zweiten Wettkampf gegen Kushnir waren ihre Berater - Botvinnik und Kotov - besser vorbereitet: sie legten ein ärztliches Attest vor, das bestätigte, dass Kushnir den Wettkampf nur im Gebiet des Russischen Schachverbands spielen könnte. Am Ende kam es zu einem Treffen mit meiner Gegnerin, in dem ich erklärte, dass mir ihr ärztliches Attest verdächtig vorkommen würde und ich als Weltmeisterin nicht in dem Ruf stehen würde, unfair zu sein.
Botvinnik war damals eng mit FIDE-Präsident Max Euwe befreundet und es gelang ihm, den Wettkampf sechs Monate nach hinten verschieben zu lassen. Dann kam es zu einem Treffen des Sowjetischen Schachverbands, bei dem Botvinnik den Schachverband beschuldigte, für die Schwierigkeiten verantwortlich zu sein. Ich war die Einzige, die ihm damals öffentlich wiedersprach und ich machte Kotov und ihn für die Komplikationen verantwortlich. Als ich das gesagt hatte, herrschte Schweigen im Saal, da es damals niemand wagte, Botvinnik zu widersprechen. Am Ende entschied der Verband, dass der Wettkampf gegen Kushnir in Tiflis gespielt werden sollte.
Später hatte ich allerdings eine sehr gute Beziehung zu Botvinnik. Wir sind oft zusammen ins Ausland gefahren und haben oft gemeinsam zu Abend gegessen. Er war ein sehr angenehmer Gesprächspartner. In Amsterdam wurde ich bei einem Turnier sehr krank und musste das Bett hüten als Botvinnik plötzlich ins Zimmer kam — mit frischem Tee und Honig. Er öffnete alle Fenster und meinte, frische Luft heilt alles. Er war ein wirklich netter Mensch.
Nona Gaprindashvili 1963. Mit 22 Jahren war sie bereits Weltmeisterin. | Foto: Jack de Nijs / Anefo
Bei meinem Wettkampf gegen Bykova wurde ich von dem georgischen Meister Shishov und dem berühmten David Bronstein trainiert. Allerdings konnte Bronstein mich nur bei den Vorbereitungen auf den Wettkampf unterstützen — Bronstein und Bykova kamen beide aus Moskau und er durfte nicht mit mir zusammen in der Öffentlichkeit gesehen werden. Während des Wettkampfs gab er sogar ein paar Simultanvorstellungen in Sibirien, um so weit wie möglich vom Wettkampf entfernt zu sein.
Du bist in Turnieren oft gegen Männer angetreten. Was war dein größter Erfolg?
Ohne Zweifel der geteilte erste Preis beim Turnier in Lone Pine, in den USA, mit dem ich als erste Frau in der Geschichte des Schachs den Großmeistertitel bekommen habe. Die Partien, die ich damals gespielt habe, sind für mich immer noch etwas Besonderes. Ich war theoretisch nicht besonders gut vorbereitet, aber habe doch sehr komplizierte Stellungen aufs Brett bekommen.
Meine beste Partie war wohl die gegen den US-Großmeister James Tarjan, in der ich mit einem Figurenopfer gewonnen habe. Nach der Partie gratulierte mir Tarjan und meinte, die Idee, die Figur zu opfern sei unglaublich. Er hatte sich zusammen mit dem ungarischen Großmeister Andras Adorjan lange auf diese Variante vorbereitet, aber diese Idee hätten sie nicht gefunden.
Eine andere wichtige Partie war die gegen Peters. Er spielte Sveshnikov, was damals noch nicht so bekannt und beliebt war wie heute, und es kam zu einer komplizierten Stellung. Doch ich konnte die Partie gewinnen und das sicherte mir den Großmeistertitel.
Als ich 60 war, veröffentlichte ich ein Buch mit meinen besten Partien. Das Buch ist in drei Abschnitte geteilt: kurze Partien, Partien gegen Männer und Partien gegen Frauen. Eine einzige Partie in dem Buch endet mit Remis: meine Partie gegen den legendären serbischen Großmeister Drasko Velimirovic. Aber sie war spektakulär und wurde vom Informator zur besten Partie des Jahres gewählt.
Nona, hast du den WM-Kampf zwischen Carlsen und Caruana verfolgt?
Natürlich. Ich bin schließlich Schachspielerin. Für mich war Carlsen Favorit, obwohl seine theoretische Vorbereitung in letzter Zeit nicht den besten Eindruck macht. Zwölf Remis waren am Ende allerdings dann doch etwas viel, auch wenn die Partien umkämpft waren.
Nona, du interessiert dich nicht nur für Schach, du bist auch Fußballfan?
Ja, schon seit Jahrzehnten. 1963, ein Jahr nachdem ich Weltmeisterin geworden bin, hat mich Dynamo Tiflis zum Eröffnungsspiel der neuen Saison eingeladen. Dynamo gewann 4-1 und wurden am Ende der Saison Dritter. Im Jahr darauf gewannen sie die Sowjetische Meisterschaft und die Spieler scherzten, ich hätte ihnen Glück gebracht. Ich bin immer noch Fan von Dynama Tiflis, auch wenn sie im Moment schlecht spielen. International bin ich ein großer Fan von Barcelona.
Du warst auch politisch aktiv?
Ja, in den Zeiten der Sowjetunion war ich Mitglied des georgischen Parlaments. Und vor ein paar Jahren habe ich mich aktiv an den Protesten gegen den ehemaligen Präsidenten Georgiens Saakashvili beteiligt, bei dem am Ende 140 Menschen starben. Ich möchte, dass meine Enkel in einem normalen Land aufwachsen.
Von 1989 bis 1996 war ich Vorsitzende des Olympischen Komitees in Georgien. Auf diese Zeit in meinem Leben bin ich sehr stolz. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage waren wir bei Olympiaden und Weltmeisterschaften sehr erfolgreich.
Was machst du in deiner Freizeit?
Ich gehe gerne ins Theater, vor allem Tanzshows. Ich verfolge alle möglichen Sportarten. Ich bin nicht nur Fußball- sondern auch Snooker-Fan — mir gefällt, dass es dem Schach so ähnlich ist: man braucht viel strategisches Denke. Und ich lese gerne.
Nona Gaprindashvili | Foto: European Chess Academy
Wirst du die Seniorinnen-Weltmeisterschaft in guter Erinnerung behalten?
Definitiv! Und nicht nur, weil ich die Trophäe in Händen halte. Ich habe schon in vielen Senioren-Weltmeisterschaften gespielt, aber in Bled hat es mir besonders gut gefallen: die Organisation war gut und hatte viele originelle Ideen: ein Sudoku-Turnier, ein Schach-Quiz, das Schnell- und Blitzturnier, die Vorträge von Adrian Mikhalchishin, die literarischen Abende, etc. Und dieses Abendessen! Wunderbar!