Notationsfehler in Barcelona: Keymers verkannter Gewinn

von Conrad Schormann
03.09.2018 – Liviu-Dieter Nisipeanu hat das stark besetzte Open in Barcelona nach einem Stichkampfsieg gegen den französischen Großmeister Jules Moussard gewonnen. Das steht fest, obwohl die Informationen auf der Webseite des Veranstalters nicht immer zuverlässig waren. Das betraf auch einen schönen Sieg von Vincent Keymer, der in einem vorherigen Bericht erwähnt wurde. Conrad Schormann hat noch einmal hingeschaut und präsentiert eine hübsche Gewinnkombination Vincent Keymers. | Foto: Gerd Densing, Archiv

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Das Sants-Open in Barcelona ist fraglos ein großartiges Turnier, allein schon, weil es in Barcelona stattfindet, eine Stadt, die auch ohne Schach-Begleitprogramm eine Reise wert ist. Aus deutscher Sicht war das Turnier von besonderem Interesse, weil so viele Deutsche teilgenommen haben und am Ende sogar ein Mitglied der Delegation aus Alemania gewann.

Die Berichterstattung aus der Ferne war freilich nicht ganz einfach. Nur die zwölf ersten Bretter wurden live übertragen, und selbst bei denen stimmten gelegentlich die ins Netz gespeisten Züge und Ergebnisse nicht. Darüber hinaus tröpfelten die Informationen überaus spärlich.

Das Turnier lief noch, da kursierte im schachaffinen Teil der sozialen Medien schon die vermeintliche kuriose Schlussstellung von Vincent Keymers Erstrundenpartie. Der Deutsche stand auf Verlust, hatte sich aber trotzdem den vollen Punkt gesichert. Wie war das möglich? Aufgabe des Gegners in Gewinnstellung? Zeitüberschreitung?

Lacasta Palacio, Joaquim (2102) – Keymer, Vincent (2493)
Barcelona, 17. August 2018

 

Schwarz am Zug gewinnt.
(Auflösung am Ende dieses Beitrags)

Weder noch. Jetzt stellte sich heraus, dass sich beim manuellen Erfassen der Partie in Barcelona mehrere Fehler eingeschlichen haben. Vincents Vater Christof war so freundlich, uns die tatsächliche Notation zuzusenden. Die bietet ein ganz anderes Bild als das durchs Internet wabernde Kuriosum, das auch zum Teil unserer Berichterstattung geworden war.

Vincents Gegner in der ersten Runde hätte ja so gerne einen "Leningrader im Anzug" gespielt, wusste sich aber nach 1. g3 d5 2. Lg2 Sf6 3. f4 Sc6!? 4. Sf3 Dd6 nicht anders zu helfen, als sich per 5. d4 einen minderwertigen Stonewall zu basteln, und dann nahm die Angelegenheit ihren nominell regulären Verlauf bis zur Diagrammstellung.

Im 35. Zug (Diagramm oben) beendete Vincent Keymer die Angelegenheit kurz und schmerzlos: 35… Txh4+! 36. gxh4 Txh4+ 37. Kg1 Txf4 und nun droht ganz schrecklich …Dg7+ nebst Exekution des weißen Monarchen. Weiß spielte 38. bxa6? und gab sich nach 38… Dg7+ geschlagen.

38. Td4 wäre der einzige Versuch gewesen, gleichwohl ein untauglicher, auch wenn er das Ende hinauszögert. Das Damenendspiel nach 38…Txd4 39. cxd4 Dg3+ 40. Kf1 axb5 ist für Weiß verloren.

Die ganze Partie

 

Conrad Schormann, gelernter Tageszeitungsredakteur, betreibt in Überlingen am Bodensee ein Büro für Redaktion und Kommunikation. Fürs Schachspielen hat er zu wenig Zeit, was auch daran liegt, dass er so gerne darüber schreibt, sei es für Chessbase, im Reddit-Schachforum oder für sein Schach-Lehrblog Perlen vom Bodensee...


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