Ein Schachhaus in Sambia
Von Björn Lengwenus
Wenn viele Menschen sich zusammenschließen, dann können große
Dinge bewegt werden, auch wenn Sie auf den ersten Blick gar nicht so
überwältigend aussehen. Zum Beispiel: Sechs der vielen Millionen Straßenkinder
in Afrika ein neues Zuhause zu geben.
Als ich vor knapp eineinhalb Jahren an dieser Stelle über meine Idee berichte,
ein weiteres Waisenhaus für Mädchen im wunderbaren Projekt „Liyoyelo“ in Sambias
Westen in Limulunga zu eröffnen, war ich zwar festen Willens diese Idee zu
verwirklich, aber keineswegs restlos überzeugt die nötigen finanziellen Mittel
zusammen zu bekommen. (s.
Bericht und
Aufruf... )
Aber auf die „Schachgemeinde“ war Verlass. Es war ein tolles
Echo. Viele Schachfreunde reagierten auf den Aufruf gaben Zuspruch und machten
mir Mut, einige kündigten auch gleich ihre Spende an.
Irgendwann war ich mit den Zusagen der ChessBase-Homepage-Besucher und den
einsatzfreudigen Schülern meiner Hamburger Stadtteilschule Barmbek sicher, dass
wir es bewerkstelligen können, die anfallenden Kosten für sechs Mädchen
aufzubringen.
Also startete der Projektgründer Michael Scholz vor Ort mit seinem Team den
Ausbau des Hauses.
Mahlzeiten werden vorbereitet
Und das unfassbare geschah: Am 19.August 2011 wurde tatsächlich ein Haus für
sechs neue Waisenmädchen eröffnet: Das Münster-Barmbek-Haus. Ebenso gut hätte es
auch "Schachhaus" heißen können, so viele Schachspieler waren mittlerweile im
Spendenpool dabei.
Im Rahmen meines "Sabbat"jahres ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, als
Station meiner geplanten Weltumrundung an diesem Tag in Limulunga Halt zu machen
und konnte gleich miterleben, wie die ersten Waisenmädchen einzogen. Unter
anderem ein sechsjähriges Mädchen, das von diesem neuen Haus erfahren hatte und
sich zu Fuß auf über 200 Kilometer (!) Fußweg aufgemacht hatte um das Projekt zu
erreichen. Der Anblick des Mädchens ließ sogar die „hartgesottenen“ sambischen
Hausmütter weinen. Aber schon zwei Ganzkörperwäschen später durfte ich Zeuge des
ersten Lächelns dieses Waisenmädchens werden. Ein sehr besonderer Moment.
Der grüne Stoff reichte für drei Kleider und eine Tischdecke
Dass dieser besondere Moment noch ein bisschen besonderer wurde, dafür sorgten
sechs Mädchen aus Hamburg, die zusammen mit ihren beiden Lehrerinnen unserer
Stadtteilschule Barmbek/ Fraenkelstraße nach Sambia gekommen waren.
Bewegte Bilder in der Kamera
Austauschschüler aus Hamburg
Hamburger Stiftungen und Sponsoren hatten dafür gesorgt, dass
unsere Schülerinnen diese irre Reise antraten. Solch Austausch-Reisen – bei
wohlbetuchten Gymnasien üblich – sind bei den stets klammen Brennpunkt Haupt-
und Realschulen (nun: Stadtteilschulen) eigentlich unmöglich. So waren die
meisten der Hamburger Mädchen vorher noch nie geflogen und es eher gewöhnt „arm“
zu sein und Hilfe anzunehmen. Hier in Limulunga waren sie reich – unschätzbar
wohlhabend. Auch eine Erfahrung.
Und so lag ein echter Zauber über Limulunga, über den alle Anwesenden noch lange
sprechen werden. Denn die Einblicke und Einsichten, die alle gemeinsam gewannen,
waren viel mehr als das eigentliche Wort „Austausch“ aussagte. Die Hamburger
Delegation berichtete später in ihrem Blog sehr eindrucksvoll was die zwei
Wochen Afrika in Ihnen ausgelöst haben:
Hamburg-Afrika Blog...
Die Sonne schien (natürlich) als der Prinz von Limulunga (klingt nach Augsburger
Puppenkiste, ist aber ganz offiziell) zusammen mit dem Provinz–Gouverneur das
Eröffnungsbändchen durchschnitten.
Beginn der Eröffnungsfeier
Offizielle Ansprachen
Gesang und Tanz. Die Dorfjugend schaut zu.
Die Eröffnung
Der Prinz von Limulunga schreitet zur Tat
Erst Eröffnung dann Party
Ran ans Buffet
Und das Strahlen der Sonne schien auch auf unseren Gesichter.
Zumal noch eine ganz besondere Überraschung wartete: Der Lions-Club-Kopenhagen
hatte einige PCs gespendet und so konnte auf dem Gelände des Projekts das erste
Internet-Cafe der Region eröffnet werden.
Stellvertretend für den Lions-Club
Fritz&Fertig im Internet-Café
Das war die längst gewünschte „kleine Einnahmequelle“, die sich
Gründer und Projektleiter Michael Scholz so gewünscht hatte. Es sind
Minimalbeträge, die das Projekt nun durch das Internetcafe neben dem Verkauf von
Korbflechtereien einnimmt.
Ein erster kleiner Schritt, der allerdings noch unter anderen Gesichtspunkten
bedeutsam ist. Die Projektmädchen erhalten die Chance durch die Nutzung von PCs
chancenreich für den sambischen Arbeitsmarkt ausgebildet zu werden. Auch in
Sambia sind PC-Kenntnisse sehr bedeutsam.
Wie es sich für ein kleines Schachdorf – seit meinem Besuch vor einem Jahr hat
sich Schach als Freizeitbeschäftigung fest etabliert und alle Mädchen spielen es
von Zeit zu Zeit – gehört, wurde natürlich auch sofort Fritz und Fertig
installiert. In diesem Zusammenhang „outete“ sich Projektmanager Mr. Maketo als
ehemaliger Schach-Meister der sambischen Westprovinz und forderte nach und nach
alle Anwesenden zum Duell.
Der West-Sambia-Meister begutachtet Fritz&Fertig
Tatsächlich spielte er ziemlich gutes Schach, wie ich
erschreckt feststellen musste, als er zum Duell gegen mich antrat.
Aber ich konnte auf die afrikanische Gastfreundschaft bauen und durfte die
Partie für mich entscheiden.
So vergingen die Tage unter der sambischen Sonne direkt am Sambesital viel zu
schnell. Hamburger und Limulunga-Mädchen wuchsen und wachsen (Dank den
vorhandene PCs) eng zusammen, das Schachbrett wurde als fester Bestandteil der
afrikanischen Freizeitbeschäftigung allgemein anerkannt, das Münster-Barmbek-
(Schach-) Haus bietet sechs kleinen Waisenmädchen ein neues Zuhause in diesem
ganz besonderen Projekt und in unseren Köpfen wuchsen weitere Träume.
Kronkorken statt Türme
Es fehlt noch etwas Regelfestigkeit: Was ist der König, was die
Dame?
Alles Steine nach vorne!
Es geht auch ohne Tisch
Unrasiert und fern der Heimat
Bayern München kennt man überall in der Welt - auch am Sambesi
Zum Beispiel, dass weitere Einnahmequellen für das Projekt
erdacht werden, um nach und nach auf eigenen Füßen stehen zu können. Zum
Beispiel, dass schon jetzt die neugegründete „Sambia-AG“ der Stadtteilschule
Barmbek/ Fraenkelstraße nicht nur jeden Cent für das Partnerdorf sammelt,
sondern auch wieder Sponsoren und Hamburger Stiftungen sucht, die eine Reise von
sechs Hamburger Mädchen nach Sambia im nächsten Jahr ermöglichen. Zum Beispiel,
dass ein Team aus dem kleinen Projekt Liyoyelo über die neuen PCs am größten
Schulschachturnier der Welt beim „Rechten gegen Linken“-Alsterufer in Hamburg
online teilnimmt. Und in ferner Zukunft vielleicht sogar zwei sambische Mädchen
für eine Zeit nach Deutschland kommen um neben PC-Kenntnissen auch noch anderes
Know How als Gastschüler der Stadtteilschule-Barmbek/Fraenkelstraße zu erwerben.
Das sind Träume. Weit weg. Oder vielleicht doch nicht?
Bis dahin müssen allerdings die laufenden Kosten für die sechs neuen Mädchen in
Liyoyelo gedeckt werden. 50 Euro pro Monat pro Mädchen. Das haben wir
versprochen. 300 Euro insgesamt – Monat für Monat. Das ist nicht wenig, aber
eben auch nicht viel.
Auch heute möchte ich also die Schachgemeinde auf dieses Projekt hinweisen.
Neben Zuspruch freue ich mich ebenso wieder über Spendenzusagen. Und wieder
möchte ich darauf hinweisen, dass es viele großartige Projekte auf unserer
bunten Erde gibt. Dieses ist eines von vielen. Möge jeder selbst entscheiden,
wann, wie viel und wo er sich engagiert. Es gibt einfach viel zu tun.
Für Nachfragen und Spendenzusagen für Liyoyelo stehe ich gerne (auch wenn ich
gerade im Rahmen meines "Sabbat"jahres um die Welt reise) per E-Mail zur
Verfügung (wer meine Reise verfolgen möchte, ist herzlich eingeladen meinen Blog
zu lesen:
http://www.bisbaldbarmbek.blogspot.com)
Dankeschön!
Bjoernlengwenus@aol.com
Apropos: Zwischendurch gab es auch noch überraschenden Besuch:
Es reicht nach Essen...
Ein Irrtum?
Dann ist es Zeit schlafen zu gehen
Schach macht schnell müde
Chrr....