ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
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Robert Rabiega gewinnt Rekord-Open in Berlin
Von Dagobert Kohlmeyer
Der „Lichtenberger“ Sommer lebt und gedeiht. Das Folgeturnier des früheren Schachturniers „Berliner Sommer“ fand bereits zum 9. Mal statt.
Aus dem zarten Pflänzchen ist inzwischen ein starker Baum geworden. Längst zieht das Open Spieler aus vielen Nationen an. Mit 205 Teilnehmern wurde wieder ein Rekord erzielt. Beim diesjährigen Wettbewerb hieß der Sieger nach vierjähriger Pause wieder einmal Robert Rabiega. Der Großmeister vom SK König Tegel konnte sich am Ende knapp gegen die Konkurrenz durchsetzen.
Ein Remis in der Schlussrunde am Sonntag gegen den Turnierfavoriten Arik Braun genügte dem Lokalmatador, um mit 7,5 Punkten dank besserer Feinwertung zu gewinnen.
Es war der insgesamt vierte Erfolg von Robert in dem beliebten Open. Die nächsten Plätze belegten etwas überraschend Jürgen Brustkern (SK Zehlendorf) und Benjamin Dauth (Rotation Pankow). ELO-Favorit Arik Braun wurde mit einem halben Punkt Rückstand zu diesem Trio Vierter. Der deutsche Meister von 2009 studiert seit einem Jahr an der TU Berlin und nutzte die Gelegenheit gern, an seinem Ausbildungsort ein Turnier zu bestreiten. Sonst spielt Arik ja beim Bundesligisten SC Eppingen. Er lobte den schönen Saal der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin-Karlshorst. Das denkmalgeschützte Audimax sei wirklich eine schöne Location.
Schöne Location
Schöner Rücken
Stefanie Schulz
Stephanie Rudolph
Andere bekannte Schachspieler taten sich diesmal schwerer. Der zweifache Turniersieger Sergej Kalinitschew (SK Zehlendorf) hatte ein Formtief, und auch der titellose Gewinner des Vorjahres Martin Brüdigam (Schachfreunde Berlin) konnte diesmal nicht in den Kampf um die vorderen Plätze eingreifen.
Jirawat Wierzbicki
von der Schachjugend Berlin
Beste Frau war erwartungsgemäß FIDE-Meisterin Stefanie Schulz
(König Tegel),
... erfolgreichster Jugendlicher Wiede Friedrich (USV Potsdam). Als stärkster
Senior wurde Reinhard Postler (TSG Oberschöneweide) ausgezeichnet.
Zur Siegerehrung begrüßte Moderator Dieter Eisenträger erneut Lichtenbergs Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich sowie den BSV-Präsidenten Carsten Schmidt.
Carsten Schmidt gratuliert Robert Rabiega
Beide zeichneten den Gewinner, die Platzierten sowie alle anderen Preisträger aus. Schiedsrichter Uwe Bade dankte den Turnierteilnehmern für ihre Disziplin und Fairness. Streitfälle gab es so gut wie keine, das eingespielte Duo Uwe Bade und Martin Sebastian, in diesem Jahr noch ergänzt durch Stefan Krüger, hatte wieder ein leichtes Amtieren. Hervorgehoben wurde auch die kämpferische Einstellung aller Schachfreunde. Nur an den ersten Brettern gab es an zwei Spieltagen einige Kurzremis. Das geschah aber nach Auskunft der Titelträger nicht aus turniertaktischen Gründen, sondern weil die Stellung jeweils nicht mehr hergab.
Christina Emmrich und Benjamin Dauth
Richtig gekämpft wurde am letzten Spieltag in der Partie zwischen Michael
Richter und Benjamin Dauth. Es ging ja um sehr viel. Der Pankower sicherte sich
durch seinen Schwarzsieg den dritten Platz im Gesamtklassement.
M. Richter – B. Dauth
Lichtenberger Sommer (9) 15.08.2010
Holländisch A93
1.d4 f5 2.g3 Sf6 3.Lg2 e6 4.Sf3 Le7 5.0-0 0-0 6.c4 d5 7.b3 Se4
8.Lb2 c6 9.Se5 Sd7 10.Sd3 b5 11.f3 Sd6 12.c5 Sf7 13.e4 a5 14.Sd2 Ta7 15.De2 Lg5
16.Tae1 Dc7 17.e5 Sh8 18.f4 Ld8 19.g4 Sb8 20.Kh1 fxg4 21.Dxg4 Sf7 22.Lh3 Sh6
23.Dg2 Sf5 24.Lxf5 Txf5 25.Tf3 Sd7 26.Sf1 Sf8 27.Se3 Th5 28.Tg1 Df7 29.Th3 Kh8
30.Dg4 Txh3 31.Dxh3 Sg6 32.Tf1 Sh4 33.Lc3 b4 34.Le1 La6 35.Lxh4 Lxh4 36.Dxh4
Lxd3 37.Dd8+ Dg8 38.Dxg8+ Kxg8 39.Tf2 a4 40.bxa4 Txa4 41.Tb2 Lc4 42.Sc2 Kf7
43.Sxb4 Lb5 44.Kg2 Kg6 45.Kf3 Kf5 46.Tb3 h6 47.a3 g5 48.fxg5 hxg5 49.h3 Ta8
50.Sc2 Kg6 51.Te3 Tf8+ 52.Kg3 Kh5 53.Se1 Tf4 54.Sf3 La4 55.Td3 Lb5 56.Td2 Te4
57.Kf2 g4 58.hxg4+ Kxg4 59.Se1 Tf4+ 60.Ke3 Tf1
61.Sd3? Hier verliert Michael den Spielfaden. In ausgeglichener Stellung lässt er eine tödliche Fesselung zu. Richtig war 61.Td1 Th1 62.Kd2 Kf5 63.Kc3, und Weiß hat keine Sorgen mehr. Nach dem Fehler des Gegners nutzt Benjamin seine Gewinnchance und demonstriert die furchtbare Kraft des schwarzen Läufers.
61…Tf3+ 62.Ke2 Th3 63.a4 Th2+ 64.Ke3 Th3+ 65.Ke2 Lc4 66.Td1 Th2+ 67.Ke3 Th3+ 68.Ke2 Tg3 69.a5 Th3 70.Tg1+ Kf5 71.Tf1+ Kg5 72.Tg1+ Kh6 73.Td1 Kg7 74.Td2 Kf7 75.Td1 Ke7 76.Td2 Kd7 77.Td1 Kc7 78.Td2 Kb7 79.Td1 Ka6 0-1
Ein herzlicher Dank aller Teilnehmer galt am Ende dem ganzen Team des SC Friesen Lichtenberg für die große Arbeit vor dem Turnier und während der neun Spieltage. Insgesamt wurden mehr als 900 Partien eingegeben und so rasch wie möglich ins Internet gestellt. Eine Premiere hatte in diesem Jahr die Live-Übertragung der vier Spitzenbretter. Nach Auskunft von Webmaster Peter Weiß gab es weltweit viele Zugriffe auf die Turnierseite. Neben der Organisationsleitung übernahm Peter auch in diesem Jahr wie gewohnt die Funktion des Turnierfotografen. Ihm zur Seite standen viele freiwillige Helfer wie der frühere Vorsitzende des SC Friesen-Lichtenberg Dr. Klaus Kapr, der auch selbst die Figuren setzte. Besonders viel getan für das Turnier haben auch Georg Billing, Stefan Lüdtge, Ralph Rennoch, Uwe Sabrowski und Volker Schulz. Ohne ihr Engagement wäre der Erfolg des August-Turniers nicht denkbar.
Der "Lichtenberger Sommer" hat sich fest im Berliner Schachleben etabliert. Im kommenden Jahr gibt es das zehnjährige Jubiläum. Zu dem Schachfestival, das wieder im schönen Audimax der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlshorst über die Bühne gehen soll, sind neue, gute Ideen gefragt.
„Die Organisation war wie immer perfekt“
Siegerinterview mit Robert Rabiega
Nach seinem vierten Turniergewinn war der 39-jährige Großmeister gern bereit, unsere Fragen zu beantworten.
Glückwunsch, Robert, zum erneuten Sieg! Wie bist du mit deinen Partien zufrieden?
Es sind einige gute dabei gewesen. Das schwierigste Spiel war gegen Ulf von Herman in der achten Runde. Er ist so etwas wie ein Angstgegner für mich.
Es war ein interessantes Feld in diesem Jahr und der Ausgang am Ende sehr knapp.
Stimmt, denn die Spitze war recht ausgeglichen. Für mich gab es vorher keinen besonderen Favoriten. Auch Arik Braun nicht, obwohl er die Nr. 1 der Setzliste war. Für den Gesamtsieg kamen neben ihm und mir auch René Stern oder Michael Richter in Frage.
Arik hat dann vier Remis abgeben, wohl eines zu viel?
Sicher. So kann man das Turnier nicht gewinnen. In einem Open wie diesem muss man einfach etwas mehr Risiko gehen.
Arik Braun
Eine positive Überraschung war ganz bestimmt Jürgen Brustkern.
Ja. Er spielt auch viel besser, als es seine ELO-Zahl aussagt, kommt aber immer in große Zeitnot. Eigentlich hat Jürgen eine Spielstärke um die 2400, je nachdem, wie er drauf ist. Ich kenne ihn ja schon sehr lange, sein Schachverständnis ist viel größer als seine praktische Spielstärke.
Jürgen Brustkern
Und die anderen Berliner Spitzenleute?
Sergej Kalinitschew ist derzeit überhaupt nicht in Form, und Atila Figura hatte gesundheitliche Probleme. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder stärker auftrumpfen. Da bin ich ganz sicher.
Wie fandest du die Idee der Universität Kassel, mit den Teilnehmern während des Turniers ein spieltheoretisches Experiment durchzuführen?
Ein guter Einfall. Denkaufgaben sind immer förderlich für uns Schachspieler. Viele haben ja auch positiv darauf reagiert. Es hat für beide Seiten etwas gebracht.
Bitte noch ein Wort zur Organisation.
Sie war wie immer perfekt. Die Räumlichkeiten sind großartig. Man spielt in einem so schönen Saal wie dem Audimax der Karlshorster Hochschule einfach gern. Die Schiedsrichter sind ebenfalls fabelhaft. Es gefällt mir hier, unabhängig vom eigenen Abschneiden, jedes Jahr besser.
Die Teilnehmerzahlen sprechen ja auch für sich.
Das sehe ich genauso. Es werden immer mehr. Schon das zweite Mal starteten hier 205 Spielerinnen und Spieler. Das muss man in der Urlaubzeit erst einmal auf die Beine stellen. Respekt vor dem SC Friesen-Lichtenberg. An ihrem Schachsommer müssen sich jetzt andere Turniere messen lassen.
Was sind deine nächsten Pläne?
Mit König Tegel wollen wir versuchen, wieder in die 1. Schach-Bundesliga aufzusteigen. Das ist vorrangig. Ich spiele mit Unterbrechungen schon seit etwa 30 Jahren für diesen Klub. So etwas verbindet natürlich.
Gibst du auch noch Schachunterricht?
Ja, ich konzentriere mich jetzt auf die weitere Arbeit mit jungen Schachschülern. Es gibt einige männliche Talente in Berlin, die nach Erfolgen streben. Ihnen möchte ich gern mein Wissen weitergeben. So wie früher an Valeria Velina und Katja Nekrassowa. Die beiden Mädels haben nach den Lektionen bedeutend besser gespielt.
Folgende Partie des Turniersiegers aus der 1. Runde besticht durch ihre klare Spielführung.
R. Rabiega – A. Barwich
9. Lichtenberger Sommer Berlin (1) 07.08.2010
Zweispringerspiel C55
1.e4 e5 2.Lc4 Sf6 3.d3 Sc6 4.Sf3 Le7 5.0-0 d6 6.a4 0-0 7.a5 a6 8.c3 Lg4 9.h3 Lh5 10.Te1 Dd7 11.Sbd2 Sd8 12.Sf1 c6 13.Sg3 Lxf3 14.Dxf3 d5 15.Lb3 dxe4 16.dxe4 Se6 17.Sf5 Sc5 18.Lc4 Ld8
19.Lh6! Se8 20.Tad1 Dc7 21.Le3 Sd7 22.Sh6+ gxh6 23.Lxh6 Kh8 24.Txd7 Dxd7 25.Lxf8 Kg8 26.Td1 Dc7 27.Lh6 De7 28.Dg4+ Kh8 29.Td7 Df6 30.Lxf7 Sg7 31.Le3 Le7 32.Lc4 h5 33.De2 1-0
Endstand:
Rang | TNr | Teilnehmer | Tite | ELO | NWZ | Att | Verein/Ort | Punkt | Buchh | BuSum |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1. | 3. | Rabiega,Robert | GM | 2508 | 2466 | M | SK König Tegel 1949 e.V. | 7.5 | 54.0 | 380.0 |
2. | 18. | Brustkern,Jürgen | FM | 2266 | 2215 | M | SK Zehlendorf e.V. | 7.5 | 49.0 | 393.0 |
3. | 14. | Dauth,Benjamin | FM | 2291 | 2243 | M | SC Rotation Pankow e.V. | 7.5 | 49.0 | 375.0 |
4. | 1. | Braun,Arik | GM | 2527 | 2509 | M | SC Eppingen | 7.0 | 52.0 | 383.5 |
5. | 2. | Stern,René | IM | 2490 | 2477 | M | SK König Tegel 1949 e.V. | 7.0 | 50.5 | 386.5 |
6. | 22. | Friedrich,Wiede | 2183 | 2178 | M | USV Potsdam e.V., Abt. Schach | 7.0 | 47.5 | 369.0 | |
7. | 35. | Kapp,Martin | 2171 | 2098 | M | TSV IFA Chemnitz | 7.0 | 43.5 | 360.0 | |
8. | 30. | Ross,Chris N | 2207 | 2152 | M | New England | 7.0 | 43.0 | 361.5 | |
9. | 6. | Von Herman,Ulf | IM | 2400 | 2381 | M | SK König Tegel 1949 e.V. | 6.5 | 47.0 | 364.0 |
10. | 15. | Petersen,Soren Boeck | 2262 | 2238 | M | Damhus Skakklub | 6.5 | 47.0 | 356.0 | |
11. | 25. | Niehaus,Frank | 2201 | 2170 | M | SK König Tegel 1949 e.V. | 6.5 | 46.5 | 360.5 | |
12. | 11. | Postler,Reinhard | FM | 2327 | 2265 | M | TSG Oberschöneweide e.V. | 6.5 | 45.0 | 370.5 |
13. | 31. | Glantz,Robert | 2207 | 2138 | M | Sfrd. Berlin 1903 e.V. | 6.5 | 45.0 | 358.5 | |
14. | 9. | Muse,Drazen | IM | 2378 | 2311 | M | SK König Tegel 1949 e.V. | 6.5 | 44.5 | 351.0 |
15. | 8. | Köpke,Christian | FM | 2381 | 2343 | M | SC Tarrasch 45 München | 6.5 | 44.5 | 345.0 |
16. | 23. | Kohler,Thomas | 2246 | 2172 | M | SC Zitadelle Spandau 1977 e.V. | 6.5 | 44.0 | 358.5 | |
17. | 26. | Jahnz,Fabian | 2186 | 2164 | M | SK König Tegel 1949 e.V. | 6.5 | 43.5 | 354.5 | |
18. | 16. | Plump,Detlef,Dr | 2258 | 2226 | M | Chessclub York | 6.5 | 42.0 | 351.5 | |
19. | 19. | Kanellopoulos,Panayo | 2268 | 2215 | M | Patras Chess Club | 6.5 | 40.5 | 343.0 |
... 205 Spieler
Das Experiment
Während des Lichtenberger Sommers haben Professor Björn Frank von der Universität Kassel und seine Tochter ein spieltheoretisches Experiment mit den Teilnehmern durchgeführt.
Prof. Björn Frank
Vor der zweiten Runde erhielt jeder einen Briefumschlag, in dem sich eine Denkaufgabe befand. Die Entscheidung stellte nicht nur eine Problemlösung dar, sondern sollte auch Aufschluss über die soziale Kompetenz der Schachspielerinnen und -spieler geben, denn es winkten kleine Geldpreise. Der Berichterstatter hatte zum Beispiel folgende Aufgabe zu lösen.
Matt in 2 Zügen
|
Ihre Aufgabe: Was
ziehen Sie mit Weiß?
Beachten Sie dabei folgende Regeln:
Bitte kreuzen Sie Ihren Zug mit Weiß an:
r Dxd7+ |
r Df7+ |
Ein anderer Teilnehmer des Lichtenberger Sommers ist Ihr Gegenspieler (Schwarz)
und entscheidet über seine Antwort auf Ihren Zug, ohne dass er Ihren Namen
erfahren wird. Wir gehen davon aus, dass Sie im Anschluss das entsprechende Matt
finden würden.
Bitte diskutieren Sie Ihre Antwort mit niemandem!
Die Teilnahme war freiwillig, die Untersuchung diente der Grundlagenforschung. Je nachdem, wie der andere Befragte (in diesem Falle Schwarz) seine Aufgabe löste, waren Rückschlüsse auf das Sozialverhalten möglich. (Gönnt er dem weißen Gegenspieler die 8 Euro und begnügt sich mit 2 oder lehnt er es ab?) Eine erste Auswertung ergab, dass sich die meisten Schachfreunde sehr sozial verhielten. Das bestätigte uns auch FIDE-Meisterin Stefanie Schulz, VWL-Studentin an der Humboldt Universität Berlin, die schon früher an einem anderen Experiment von Professor Frank teilgenommen hatte. Genauere Ergebnisse oder Prozentzahlen wollen wir hier auf Bitten von Professor Frank noch nicht veröffentlichen, denn das Experiment soll im Herbst auch bei einem anderen großen Open in Deutschland durchgeführt werden. Dann aber werden die Leser von ChessBase News zu den ersten gehörten, die davon erfahren.