Mit der Zugfolge e6/a6 wird die Option offengelassen, d5 in einem Zug zu spielen, zudem ist der Ausfall Lb4 eine Option. Konkretes Wissen ist im Paulsen-System weniger entscheidend als die Kenntnis der taktischen und positionellen Motive.
Viele Systeme der Sizilianischen Verteidigung zeichnen sich durch ihre scharfen und dynamischen Konturen aus. Dazu zählen vor allem die Najdorf Variante, das Sweschnikov System und der sog. Drachen. Diese Kombination erfordert von einem Spieler mit den weißen Steinen viel Vorbereitungsaufwand, sofern er gewillt ist die Hauptvarianten in diesen Abspielen zu diskutieren oder man versucht schon etwas früher andere Wege zu gehen. Zugegeben, es wird mit der immer umfangreicheren Fülle an Partien immer schwieriger, einerseits stets den Trend zu kennen und andererseits sich alles zu merken. Das mag einer der Gründe sein, warum viele Spieler mit den weißen Steinen gegen Sizilianisch versuchen mit 3.Lb5(+) zu punkten. Diese „Nebenvariante“ ist wohl mit einer der aussichtsreichsten Abspiele, um möglicherweise auch einen objektiven Vorteil für den Anziehenden suchen zu können. Gerade für jemanden der als Nachziehender gerne 2…Sc6 spielt sind 3.Lb5 Ideen in einem gewissen Maße lästig, aber man kann zu einen Kniff greifen mit 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 (nun ist 4.Lb5 nicht wirklich zu fürchten), aber das ist nun mal die Taimanov- Variante. Die Ausgangsstellung der DVD entsteht nach den Zügen 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sd4 a6. In der englischsprachigen Literatur finden man auch den Namen Kan- Variante. Dieses Abspiel führt meist zu etwas ruhigeren Stellungen, als es in vielen anderen Hauptabspielen der Sizilianischen Verteidigung der Fall ist. Demnach kann man mit dem Paulsen Sizilianer versuchen eher über das Kennen der Strukturen und der typischen Pläne für die Praxis gut spielbare Stellungen zu erhalten. In einer Einführung werden die Vor- und Nachteile gegenüber den Abspielen der Najdorf Variante und der Taimanov Variante besprochen, was sehr hilfreich ist für das allgemeine Verständnis.
Die langfristigen strategischen Ziele bleiben freilich die gute Zentrumskontrolle dank der schwarzen Bauern auf der e- und d- Linie und der halboffenen c-Linie. Deshalb sind die meisten Anziehenden auch bestrebt so schnell wie möglich eine Initiative zu entfalten, welche mit Königsangriffen kombiniert werden soll. In vielen Abspielen spielt der sog. Englische Angriff eine wesentliche Rolle, welcher sich durch die Züge f2-f3, Lc1-e3, Dd1-d2 und 0-0-0 auszeichnet. Aber genau das bekommt der Anziehende gegen die Paulsen Variante nicht wirklich gut umgesetzt. 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Sc3 Dc7 6.Le3 Sf6 7.Dd2 Lb4(!).
Der Anziehende hat versucht sich so schnell es geht zu entwickeln, aber gerade jetzt zahlt sich der Zug …e6 aus im Vergleich zu …d6, denn es ist gerade dieser Läuferausfall, welcher das weiße Zentrum nachhaltig unter Druck setzt, denn der Durchbruch …d7-d5 ist kaum sinnvoll zu unterbinden, wonach der Anziehende schon etwas mehr vom Spiel hat. Das Autorenteam, welches schon eine DVD gemeinsam aufgenommen hat knüpft an ihre Vorgehensweise an. In Form von Minivorträgen und Frage-Antwort Dialogen werden die jeweiligen Vorzüge und Ideen aus Sicht des Nachziehenden beleuchtet. Dadurch, dass der Englische Angriff für den Anziehenden in dieser Variante kaum zu empfehlen ist, gehen die beiden dazu über, die sog. Fianchetto Variante zu besprechen, welche nach 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Sc3 Dc7 6.g3 entsteht. Man bekommt als Zuschauer deutlich gesagt, dass dieses Abspiel alles andere als Harmlos ist und man einige Klippen als Nachziehender umschiffen muss, aber wenn dies geschehen ist, dann verfügt man auch über eine gute und gesunde Stellung. Abermals ist es der Zug 6…Lb4, welcher Drohungen gegen die weiße Stellung aufbaut. Der Druck gegen den Punkt c3 und damit dann auch meist e4 ist einer der unmittelbaren Pluspunkte, wenn man als Nachziehender zunächst den Zug …Sc6 zurückstellt.
Diese Stellung entsteht nach den Zügen 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Dc7 6.g3 Lb4 7.Sde2 Sf6 8.Lg2 Le7. Huch, ein freiwilliger Rückzug?! Dieser „Tempoverlust“ ist aber kein wirkliches Zugeständnis, denn durch den Zug 7.Sde2 ist der weiße Königsspringer auch kein wirklich aktiver Posten der weißen Stellung.
Natürlich gibt es auch recht scharfe Abspiele im Paulsen Sizilianer, aber schwarze Königswanderungen sind eher selten auf der Tagesordnung, gerade weil das schwarze Zentralgerüst so fest ist, aber mit Hilfe von Figurenopfern kann der Anziehende versuchen dies zu ändern:
Diese Stellung entstammt der Fianchettovariante und das Autorengespann legt gut dar, wie sich der Nachziehende verteidigen sollte und auch kann.
Ein Eröffnungsrepertoire ist in den meisten Fällen von Geschmacksfragen diktiert und sofern der Anziehende mit 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Le2!? eine klassische Entwicklung bevorzugt, so hat der Nachziehende eine sehr breite Palette an Zügen und da entscheidet auch die Frage des Geschmacks. Im Sinne einer zusammenhängenden Strategie für den Nachziehenden empfehlen die beiden an dieser Stelle wieder einen Aufbau mit dem Störmanöver …Lb4. Ebenfalls gut spielbar ist an dieser Stelle aber auch …d6 mit einem Übergang in das sog. Scheveninger System. Solche Zugumstellungen gilt es stets im Auge zu behalten, und wer weniger ausrechenbar sein möchte, dem kann man dies an Herz legen, hier auch einen Übergang zum reinen Scheveninger System zu vollziehen. GM Baldauf plädiert aber für …Lb4 in so gut wie allen Lagen vor dem Hintergrund, dass man es sich selbst so weniger umfangreich gestaltet, was die Repertoirepflege betrifft. Dies ist meines Erachtens ein absolut sinnvoller Ansatz, gerade wenn die eigene Zeit begrenzt ist.
Einen sehr großen Teil nimmt der zweite Part dieser DVD ein, welcher sich mit 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Ld3 beschäftigt. Dieser Läuferzug gilt aus Sicht des Anziehenden als kritischer Versuch das etwas langsam anmutende Spiel des Nachziehenden zu bestrafen. Der Ld3 richtet sich schon mal gegen den Punkt h7 und mit späterem f2-f4 liegen stets die Durchbrüche f4-f5 oder e4-e5 in der Luft. Diese sind oft gefährlich, verfügt der Anziehende ja über einen Entwicklungsvorsprung. Auch hier gibt es Video Clips darüber, was man als Nachziehender vermeiden sollte, was ich besonders gut finde. Es wird sehr nachvollziehbar erklärt, dass ein zu frühes …b5 von Schwarz sich als Boomerang erweisen kann, denn der Zug a2-a4 führt zu einer Öffnung der Stellung, welche für den besser entwickelten Anziehenden zum Vorteil ist:
Solch ein Szenario gilt es tunlichst zu vermeiden! Der anfällige schwarze Bauer auf a5 bindet die eigenen Kräfte zu sehr.
Gegen 5.Ld3 empfehlen die beiden Autoren nach Möglichkeit Abspiele mit …g6. Dies ist ein weiterer Bauernzug, also strategisch riskant, aber der Pluspunkt liegt in der Abwehrkraft gegen besagten Ld3 in Richtung h7. Dazu gibt es exzellente Analysen. Auch die thematisch geordneten Versuche des Anziehenden die schwarze Stellung zu stürmen werden überzeugend entkräftet. Der Durchbruch f4-f5 wird in drei Clips untersucht und der andere Ansatz um e4-e5 kommt auch nicht zu kurz. Hier ist es angebracht sich konkretes Detailwissen anzueignen. Was mir hierbei auch sehr gut gefällt ist die Tatsache, dass sich die beiden kritisch mit der Literatur auseinandersetzen. In diesen Abspielen werden die Vorschläge von GM Negi genau geprüft, um gut spielbare Lösungen zu präsentieren, sprich es werden auch Neuerungen angeboten!
Das mitgelieferte Partienmaterial und die Videoanalysen zu den Video Clips zeigen, dass der Nachziehende nichts fürchten muss und eine feste Stellung besitzt mit genügend Konterchancen. Dies ist genau das, was GM Baldauf mit dem Paulsen System insgesamt erzielen möchte, eine kämpferische Stellung mit vollem Brett.
Die folgenden zwei großen Blöcke beschäftigen sich mit den sog. Igelstellungen, der eine Block hat weißes Le2 und der andere Ld3 zum Thema, jeweils mit dem weißen Bauernzug c2-c4. Hier setzt der Anziehende auf eine Dominanz im Zentrum uns versucht eher am Damenflügel einen Vorteil nachzuweisen. Hierbei ist es vor allem der Durchbruch um c4-c5, welcher strategisch sehr gefährlich für den Nachziehenden sein kann, aber erneut sind die Ausführungen, Hinweise und Tipps bestens dazu geeignet diese Gefahren zu erkennen und so gewappnet Gegenmaßnahmen einleiten zu können. In diesen beiden Blöcken lernt man sehr viel zu den Themen Manövrieren, Zeitpunkt zum Kontern, dynamisches Gegenspiel und nicht zuletzt die Königssicherheit (oft ist es der weiße König, welcher ins Kreuzfeuer geraten kann).
Eine kleine Kostprobe zu rein strategischen Überlegungen:
Die Bauernstruktur des Nachziehenden wird mit …e6-e5 optimiert. Das Loch auf b6 stellte ein Problem dar, stünde der weiße Bauer c4 noch auf c2, denn so wäre die Route des weißen Damenspringers nach b6 via d2-c4 möglich! Steht der Damenspringer auf c3 ist dies also weniger problematisch oder kann mit …b7-b5 aus der Stellung genommen werden. Solche „kleinen“ Einlagen wirken sehr überzeugend und lehrreich!
Auch im Igelabspiel besprechen die Autoren kritische Versuche aus der Literatur, diesmal ein von Ex – WM Khalifman vorgeschlagenen Plan:
Diese Stellung entsteht nach den Zügen 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Ld3 Sf6 6.0-0 Dc7 7.De2 d6 8.c4 g6 9.Sc3 Lg7 10.Td1 0-0 11.Sf3 Nicolas Huschenbeth konnte aus dieser Stellung heraus eine gute Partie gegen Alexander Indjic gewinnen, allerdings zeigen die zwei Autoren, dass der nachziehende eine wirkungsvolle Riposte hat um …Sd7 und …Lxc3. Dies wirkt wiederum riskant, den Fianchetto Läufer abzugeben, aber die zersplitterte weiße Struktur rechtfertigt dies.
Der Part um weißes Le2 beinhaltet viele „klassische“ Igelthemen und Pläne, u.a. den sog. Fischer Plan, welcher mit den Zügen …Kh8, …Tg8 und …g5 verknüpft ist, also besitzt der Nachziehende selbst aktive Möglichkeiten und wartet nicht immer nur auf Konterchancen!
Dieses Diagramm zeigt das feste weiße Zentrum mit dem Zug f2-f3. Deshalb geht der Anziehende am Königsflügel vor und die von Fischer in die Turnierpraxis eingeführte Idee liegt darin, diese Kette von g2 bis e4 unter Druck zu setzen, wodurch der weiße Monarch anfällig gegenüber Angriffen wird.
Weitere Clips beschäftigen sich mit dem Manöver …Le7-d8-c7, dem Angriffsplan um …h7-h5-h4. Hier werden wieder weiße Koryphäen genannt und sich mit deren Ideen auseinander gesetzt. Ein in der Praxis gefährlicher Aufbau stammt von Anatoli Karpov, ein anderer von Garry Kasparov und in den theoretischen Fragen ist es der bekannte und respektierte griechische GM Vassilios Kotronias. In allen Bereichen stehen die Autoren Rede und Antwort und machen sich für die Stellung des Nachziehenden stark und räumen dabei auch die Schwierigkeiten ein, aber sie sind überzeigt, alle Versuche der Anziehenden neutralisiert zu haben. Dazu zählt vor allem eine Partie zwischen Garry Kasparov und Vladimir Kramnik:
Wir sehen hier eine Stellung, wo der Nachziehende aufpassen muss nicht vom Brett gefegt zu werden. Gerade die weiße Schwerfigurenführung ist mustergültig und diese zu studieren und zu verstehen ist wertvoll, damit man als Nachziehender Paroli bieten kann.
Kotronias bietet einen sehr gefährlichen Plan mit einem Aufbau um Dd3 an. Die Dame unterstützt von hier aus die Kontrolle über die wichtigen Punkte e4 und c4, sodass die Durchbrüche um …d6-d5 und oder …b6-b5 schwerer fallen. Die Dame kann auch nach g3 oder h3 schwenken, um am Königsflügel Unheil anzurichten, aber wieder werden gute Abwehrmechaniken vorgestellt.
Der letzte weiße Zug war Lg5-e3. Die Idee dahinter lautet mit Sc3-a4 das Feld b6 zu entern. Folglich ist es angezeigt dies mit …b7-b5 zu verhindern. Später folgt der Bauernzug …e6-e5 und die Struktur ist nahezu perfekt für den Nachziehenden (vgl. oben).
Dieses ambitionierte Repertoire wird im letzten Abschnitt ergänzt um einige Antisizilianer. Im Sinne der von GM Baldauf angesprochenen Ökonomie werden Abspiele um …e6 vorgeschlagen, damit man nicht durch Tricks in der Zugreihenfolge in eine ungewollte Stellung manövriert werden kann. Dies ist vor allem bei 1.e4 c5 2.Sc3 der Fall. Viele Repertoirevorschläge empfehlen für einen Nachziehenden nun 2…Sc6. Aber dann gehen sowohl 3.Sf3 als auch 3.Se2 nebst 4.d2-d4. Dies kann man zwar mit 3…e5 verhindern, aber dann wird es an diesem Tag keinen Paulsen Sizilianer geben. Folglich wird zu 2…e6 geraten und wenn 3.g3 nun 3…a6. Hier ist man also wieder bei der Frage des Geschmacks. Auch bei 2.c3 wird ökonomisch vorgegangen, denn mit 2…Sf6 hat man gleich etwas gegen das Morragambit, sollte der Anziehende zu 1.e4 c5 2.d4 cxd4 3.c3 greifen, denn 3...Sf6 leitet nun über. Das hat nicht nur den Vorteil sich selbst weniger Theorie aneignen zu müssen, sondern auch gegen die Absichten des Gegners wird gespielt. Gambits werden bekanntlich durch deren Annahme widerlegt, sich aber in das bevorzugte Terrain des Gegners zu begeben hat aber auch seine Tücken. Das ist auch der Grund, warum das Flügelgambit um 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.b4 oder auch 1.e4 c5 2.b4 mit dem eleganten …b6 (!) abgefedert wird. Es geht darum, dem Anziehenden die Freude an seinem geliebten Aufbau nicht zu gönnen. So wird auch gegen den Versuch des Grand Prix Angriffes vorgegangen, also 1.e4 c5 2.Sc3 e6 3.f4 a6. So verlieren die Ideen um Lb5 und Lc4 an Bedeutung und die Partie wird ruhiger als es der Anziehende gerne gehabt hätte.
Die beigefügten Musterpartien, die Trainingsaufgaben und die Möglichkeiten das Lernmaterial mit Hilfe einer Engine Auszuspielen oder zu Trainieren runden wie zuletzt stets die Fritztrainer Programme auf einem guten Niveau ab. Mit knapp 8 Stunden Videomaterial bekommt man wirklich viel geboten, ohne dass es mit Wiederholungen überfrachtet wäre, allenfalls im Sinne einer positiven didaktischen Weise werden Wiederholungen genutzt.
Besonders stark und überzeugend sind:
• Die Struktur (Einteilung in Themen, Durchbrüche, Manöver etc.)
• Das Auseinandersetzen mit den kritischen Versuchen (Praxis und Theoriewerke) seitens der Anziehenden inklusive von Weltmeistern und führenden Theoretikern
• Die Philosophie bei den Antizilianern
• Das Besprechen von Zugreihenfolgen
• Clips zum Thema: Was gilt es zu vermeiden?
• Die Analysen selbst mit deren didaktischen Methoden um die Präsentation
Eine absolute Kaufempfehlung, welche sowohl einem Einsteiger hilft sich in der Paulsenvariante gut zurechtzufinden, aber auch geübte Anwender können ihr jeweiliges Detailwissen mit diesem Produkt definitiv erweitern!
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