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Von Harald Wagner
Mit "Rock Solid with the Queen's Indian Defence“ veröffentlicht Chessbase in kurzer Zeit die zweite Fritztrainer-DVD des 18jährigen indischen Großmeisters Leon Mendonca, nach seinem Erstlingswerk „The Keymer Variation“ sozusagen jetzt die Keymer Variante mit vertauschten Farben.
Rock Solid with the Queen's Indian Defence
In diesem Videokurs beschäftigen wir uns mit Damenindisch nach 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6. Wir werden die Besonderheiten der möglichen weißen Möglichkeiten gegen diese grundsolide Eröffnung analysieren.
Die Erwartungen des Rezensenten an diese DVD waren hoch, um nicht zu sagen sehr, sehr hoch, hat er doch Damenindisch „schon immer“ in seinem Repertoire, aber wohl wissend, dass sein Wissen über die Jahre und Jahrzehnte immer mehr verstaubte und die Versuche, meine verstaubten Varianten nur mittels Datenbank am Leben zu erhalten, gelinde gesagt, äußerst dubios waren.
Also stürzte ich mich auf die DVD wie auf einen Schwamm und um das Fazit gleich vorneweg zu nehmen: meine hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
Hier erst mal - aus meiner Sicht - ein paar harte Facts:
- die DVD spiegelt den allerneuesten Stand der derzeit gängigen Großmeisterpraxis und zwar in allen Abspielen
- dabei werden stets die Varianten vorgeschlagen mit denen Schwarz - relativ gesehen - nach den gängigen Datenbanken den besten Score erzielt hat
- Mendonca geht dabei äußerst minimalistisch vor. So kommt er mit einer vergleichsweise geringen - insgesamt 14 - Anzahl von Varianten und Partiebeispielen aus, die aber wirklich hervorragend strukturiert sind.
Wir folgen dieser Struktur und stellen vier Schlüsselstellungen vor, von denen die erste als „abgefrühstückt“ und die anderen drei als „kritisch“ betrachtet werden können.
Am Rande sei erwähnt, dass Mendonca keine Variantennamen verwendet, auch wenn es welche gibt. Also werden wir es hier und im folgenden auch nicht tun.
Die Diagrammstellung mit Schwarz am Zug ist eine, wenn nicht die gängige Standardstellung in dieser Variante. Während am häufigsten Sd7 gespielt wird, empfiehlt Mendonca hier g4, womit Schwarz deutlich besser punktet. Deckt Weiß den Bauern g2 mit Springer h4 ist die Idee, diesen dort „verhungern“ zu lassen. Am Damenflügel spielt Schwarz deshalb mit einer Figur mehr und nach Mendonca ist die Stellung für Schwarz deshalb schon angenehmer, auch wenn die Engines vielleicht noch Weiß bevorzugen.
Kommen wir nun zu den drei kritischen Varianten:
Dagegen empfiehlt Mendonca einen Aufbau im Geiste des Semi-Tarrasch.
Folgen beide Parteien logischen Zügen, so ist eine Stellung wie folgende aus der Partie Gukesh-Arjan schon einigermaßen wahrscheinlich:
Zugegeben, ich hätte hier den Horror, die Ausgangsstellung des Diagramms verteidigen zu müssen, das Läuferpaar, das Zentrum, der Springer f6, der beste Freund des Königs kann mit e5 angerempelt werden und ich sehe mich schon Matt auf h7, aber Mendonca meint: keep cool, alles halb so wild, die schwarzen Möglichkeiten am Damenflügel, auf der c-Linie und der weißfeldrigen Diagonale halten die Stellung im dynamischen Gleichgewicht.
Für arme Normalschachspieler wie mich, die trotz dieses Wissens leicht Schnappatmung bekommen und sich mit Semi-Tarrasch Strukturen nur schwer anfreunden können, sei hier noch auf eine echte Alternative hingewiesen. Kasparov, der die a3-Variante in den 1980er Jahren hauptsächlich als Weißer popularisierte, zieht seiner eigenen Variante gegen Gelfand (Novgorod 1997) mit einem Benoni-Aufbau überzeugend den Zahn...wie schon gesagt, bei Schnappatmung.
Apropos a3, ein kleines Feature, dass ich so auch nicht kannte: Mendonca sagt, hat Weiß a3 gezogen, kann Schwarz in der Regel gefahrlos Strukturen mit hängenden Bauern nehmen. Der Grund: der Bauer b2 ist durch den Aufzug des a-Bauern etwas rückständig geworden und mit Turm auf b8 und/oder Dame auf b6 läßt sich Gegenspiel auf der b-Linie generieren, dass ohne den Aufzug des a-Bauern nicht möglich gewesen wäre. Und um bei den hängenden Bauern zu bleiben, die an allen möglichen Stellungen der DVD angesprochen werden. Mendonca sagt weiter, wenn - vorzugsweise der Damenspringer - nach e6 umgruppiert werden kann, ist die schwarze Stellung in der Regel schon vorzuziehen.
Sie entsteht, wenn Weiß im vierten Zug mit g3 seinen Läufer fianchettiert. Galt früher Lb7 als die Hauptfortsetzung, hat sich heute La6 als erste Wahl durchgesetzt. Der Grund ist, dass mit dem Aufkommen der Engines das weiße Bauernopfer d4-d5 in seiner ganzen Stärke erkannt wurde und es mit ca. 65% auch weit überdurchschnittlich punktet. Auf das analoge Opfer nach La6 gehen wir noch ein. Auch hier punktet Weiß statistisch gesehen weit über 50%, doch Mendonca zeigt uns, wo die schwarzen Konterchancen liegen.
Nach La6 kann Weiß den Bauern c4 durch einen Springer, den b-Bauern und durch verschiedene Damenzüge decken. Wirklich kritisch ist jedoch nur der Aufzug des b-Bauern und der Damenzug nach c2.
Auch hier hat sich in der Großmeisterpraxis eine Zugfolge etabliert, die sehr, sehr oft genau so vorkommt:
Schwarz hatte hier Lb4+ eingeschaltet und danach d5 gespielt.
Mit Schwarz am Zug schlägt hier Mendonca Te8 gegenüber dem älteren Lb7 vor. Die Crux ist, dass so noch Druck gegen e2 aufrecht erhalten wird, der sich bei unachtsamen weißen Spiel mit dem taktischen Überfall Lb4 blitzartig entladen kann.
Die Chancen in dieser Stellung halten sich ungefähr die Waage. Die gesamte Weltspitze hat sich hier mit beiden Farben verewigt. Es gewinnt der bessere Spieler oder der mit der besseren Tagesform.
Andere Damenzüge wie der nach b3 waren noch nie gut, während Dame a4 inzwischen auch als harmlos gilt. Auf Dame c2 geht Schwarz mit dem Läufer nach b7 zurück und antwortet auf Lg2 mit c5.
Während früher dann e4 geläufig war, wonach Schwarz mit Abtausch auf d4 in eine günstige Form des Igel-Aufbaus übergeht, wie Mendonca überzeugend nachweist, ist auch hier mit dem Aufkommen der Engines das Bauernopfer d5 in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.
Wir geben hier die gesamte Zugfolge bis zur Erreichung der kritischen Stellung an:
In dieser hochtaktischen Stellung haben wir eine schlechte und zwei gute Nachrichten:
Die schlechte, Weiß punktet immer noch überdurchschnittlich gut mit über 55%.
Die erste gute, die kritische Stellung wird hauptsächlich von Spielern über ELO 2300 erreicht, sodass ein normaler Vereinsspieler mit Schwarz davon ausgehen kann, dass sein weißes Gegenüber das Bauernopfer gar nicht kennt, geschweige denn im Detail analysiert hat. Die zweite gute Nachricht, wenn wir uns im Bereich über 2300 bewegen, sind wir ja potentiell auf dem Weg zum IM und dann unterstellen wir jetzt auch mal eine gewisse Lust am Memorieren. Das es ohne Memorieren in dieser Variante auch nicht geht, wiederholt Mendonca mehrfach und er zeigt mindestens ein gutes Dutzend Fallstricke, in denen sich Schwarz hier ruckzuck verheddern kann.
Und das sich selbst in diesen Stellungen noch ganz überraschende Neuerungen finden lassen, zeigte Alireza Firouzia vor gut sechs Wochen in einer Blitzpartie(!) gegen Yuri Kuzubov.
Während Kuzubov in dieser Variante gegen unseren Autor letztes Jahr in der spanischen Liga noch remisierte:
... wird er hier von Firouzia in einen „großen, dunklen Wald“ (Michail Tal) gelockt, aus dem er nicht mehr herausfindet:
Womit wir auch schon bei unserer Schlussbetrachtung wären; „Rock Solid“ erinnert den Rezensenten auch an den heimischen Pfälzer Sandstein.
Unser Foto zeigt ihn, wie er in jüngeren Jahren allerbesten Grip am Schönauer Kastellfels testet, infolge dessen sein Wissen um Damenindisch auf der anderen Seite immer mehr zustaubte. Aber auch der allerbeste Grip nutzt noch nichts, wenn nicht eine gewisse Trittsicherheit und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, insbesondere das Vertrauen in selbstgelegte mobile Sicherungen, wie sie in der Pfalz üblich sind, vorhanden ist. Das ist ein Prozess, der Jahre kontinuierlichen Lernens erfordert. Ähnlich erscheint es mir mit Damenindisch. Grip ist auf jeden Fall mehr als genügend vorhanden. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Trittsicherheit im Variantendickicht müssen ebenfalls durch einen kontinuierlichen Lernprozess befördert werden, reine Rezepte sind nicht ausreichend.
Auf viele weitere Vorzüge von Leon Mendonca und seiner DVD hat Stefan Liebig in seiner positiven und lesenswerten Darstellung auf dieser Seite schon hingewiesen:
https://de.chessbase.com/post/ein-solider-pfeiler-fuer-ihr-schwarzrepertoire-gegen-1-d4
Einen Punkt daraus möchte ich wiederholen: das Tata-Steel Challengers in Wijk aan Zee zu gewinnen ist schon eine Hausnummer.
Dass Leon aber noch andere Fähigkeiten besitzt, darauf bin ich beim Stöbern auf der Chessbase-India Seite gestoßen:
Das Foto zeigt Leon vor anderthalb Jahren, als er vor versammelter indischer Nationalmannschaft auf der Geige das Ave Maria von Johann Sebastian Bach vorträgt:
Prädikat äußerst hörenswert!
Da können wir nur hoffen, dass bald eine Nachfolge-DVD über Nimzo-Indisch oder Ragozin erscheint, um das Schwarzrepertoire gegen d4 zu komplettieren, bitte noch in diesem Jahr. Ich jedenfalls werde mich wieder draufstürzen wie auf einen nassen Schwamm
Rock Solid with the Queen's Indian Defence
In diesem Videokurs beschäftigen wir uns mit Damenindisch nach 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6. Wir werden die Besonderheiten der möglichen weißen Möglichkeiten gegen diese grundsolide Eröffnung analysieren.
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