60 Jahre Matthias Deutschmann, 40 Jahre Kabarett
In seiner persönlichen Kabarettgeschichte kann Matthias Deutschmann weit zurück blicken. Als er auf diesem Gebiet seine ersten Gehversuche unternahm, gab es für das Kabarett noch große Zielscheiben, Franz-Josef Strauß zum Beispiel. Und heute? Die Ziele sind so winzig geworden, da braucht man schon ein ganz präzises Zielfernrohr. Aber das haben nicht mehr viele.
1958 in Betzdorf geboren - ein Ort bei Siegen, viel zu klein für einen echten Freigeist, 1973 nach Freiburg gezogen. Hier begann Matthias Deutschmann nach dem Abitur mit einem Workshop bei Sammy Drechsel von der Münchner Lach- und Schießgesellschaft seine Ausbildung zum Kabarettisten und ein Studium - letzteres vermutlich eher im Nebenfach. Der Kampf gegen den Bau des Kernkraftwerkes Wyhl am Kaiserstuhl, den er als Schüler im Wyhler Wald miterlebte, hatte ihn zuvor nachhaltig geprägt und den Wunsch aufkommen zu lassen, politischen Einfluss zu nehmen - aber auf geistreiche Weise bitte!
Mit einigen gleich gesinnten Kommilitonen gründete Matthias Deutschmann 1980 sein eigenes Kabarett, die "Schmeißfliegen". Der große Franz-Josef diente als Stichwortgeber: „Mit Ratten und Schmeißfliegen führt man keine Prozesse.“ Es folgte die Gruppe "Executiv Kabarett". 1985 trat er er erstmals unter dem Titel "Blinder Alarm" mit einem Soloprogramm auf und ging damit auf Tournee. 1986 folgte schon das Programm "Eine Schnauze voll Deutschland". 1989 zog Matthias Deutschmann vorübergehend nach Berlin - gerade noch rechtzeitig vor dem Mauerfall ("Die Berliner Mauer hätte man nicht rausreissen dürfen, sie war eine tragende Wand"). Hier entwarf und spielte er die Programme "Einer flog übers Grundgesetz" (1989), "Amokkoma" (1989) und "Solo für Deutschmann" (1990).
1991 kehrte Matthias Deutschmann ins warme Freiburg zurück und zog von hier nun über die A5 ins deutsche Land. Mit seinen Programmen, "Das kleine Fegefeuer" (1992), "Wenn das der Führer wüßte" (1993), "Diderot und das dunkle Ei" (1993), "Nachtangriff" (1995), "Artist in Residence" (1997), "Finalissimo" (1999), "Streng vertraulich" (2001), "Staatstheater" (2004), "Die Reise nach Jerusalem" (2011), "Deutsche wollt ihr ewig leben?" (2012), "Solo 2012", "Eurocalypse now!" (2012), müsste er inzwischen jede Ansiedlung in Deutschland mit mehr als 5000 Einwohnern mindestens einmal besucht haben und hat zudem die Tücken aller deutscher Hotelzimmer gründlich kennengelernt. Die meisten Auftritte hatte Matthias Deutschmann aber zuhause - Heimspiele in Freiburg. Hier gehört er deshalb ebenso zum grünen Stadtbild wie das Freiburger Münster und ist auch mindestens genauso bekannt.
Sein aktuelles Programm seit 2015 heißt "Wie sagen wir's dem Volk." Ja, wie nur? Es gibt so viel zu sagen. "Ich neige dazu, zu viel zu reden, wie mancher andere übrigens auch. Deswegen habe ich mir ein Cello gekauft."
Matthias Deutschmann mit Cello |Pressefoto
Matthias Deutschmann wurde zum Mann mit dem Cello. Das große Streichinstrument - eine Geige wäre auch zu leise - ist ständiger Begleiter und bildet den lyrischen Kontrapart zu den bissigen, manchmal auch wirklich giftigen Texten des sprachgewandten und sprachgewaltigen Kabarettisten. Vorsicht - hinter seinem breiten Rücken lauert der komplette humanistische Bestand des Bildungsbürgertum inklusive der jüngeren europäischen Geistesgeschichte - die letzten 200 Jahre etwa. Unvorbereitet sollte man sein Programm also nicht besuchen. Wenn eine Pointe dann ganz langsam vom Gehörgang ins zentrale Nervensystem tropft und beginnt sein Gift zu entfalten, hilft heiteres Cellospiel darüber hinweg. Seine Nummer "Mein Kampf mit der GEMA " ist inzwischen zum Klassiker geworden und kommt heute als Zugabe - in vielen verschiedenen musikalischen Variationen.
Einige Programme wurden auch für das Fernsehen aufgezeichnet. Anfang der 1990er Jahre trat Matthias Deutschmann sogar regelmäßig mit kleinen kabarettistischen Einwürfen auf, zum Beispiel in der ARD als "Fünfminutenterrine des Fernsehkabaretts". Im ZDF hatte der damalige Intendant Dieter Stolte ihn zuvor allerdings aus dem Programm werfen lassen. Zuviel politisches Kabarett im politischen Kabarett, das geht natürlich nicht, jedenfalls nicht im Fernsehen: "Wer alle erreichen will, muss auf den Sinn verzichten."
Matthias Deutschmann im Gespräch mit Edzard Reuter
Und dann gibt es noch eine weitere große Leidenschaft - sie gilt dem Schachspiel. Wo die Liebe zum Schach entstand, ist nicht bekannt - doch nicht etwa in Betzdorf? In Baden war er jedenfalls schon Jugendkaderspieler, wurde 1977 badischer Jugendmeister und spielte für den SK Zähringen bis 1988 regelmäßig und in der Saison 1998/99 noch mit einem kurzen Intermezzo in der Schachbundesliga. Der Schachspieler Matthias Deutschmann ist dem Kabarettisten Matthias Deutschmann nicht unähnlich. Das Messer ist schnell gezückt, es wird zum Angriff geblasen. Schon sind die Brücke hinter ihm eingerissen...
Als das Schachprogramm Fritz 5 dank multimedialer Technik sprechen lernte, gab es Gelegenheit zur Symbiose von Schach und Kabarett. Was heute als "Banter Blitz" oder "Geschwätzblitz" herum gereicht wird, wurde Fritz 5 schon 1996 mit Deutschmanns Hilfe eingehaucht. Das Programm schaut in einer Partie auf die aktuelle Stellung, sucht aus über 1000 Sprüchen einen passenden heraus und kommentiert damit frech das Geschehen. Elf Versionen später macht Fritz 16 das immer noch so. In einem Aufnahmemarathon hatte sich Matthias Deutschmann die Sprüche damals ausgedacht und aufgenommen. Das hat seine Stimme bei Fritzbesitzern und in Schachkreisen so bekannt gemacht, dass die Leute sich verwundert umdrehen, wenn sie auf einem Schachturnier diese wohl bekannte Stimme hören, aber nicht sofort wissen, wem sie gehört.
Im Simultan gegen Viktor Kortschnoj
Matthias Deutschmann ist gern gesehener Gast bei Schachveranstaltungen, war Gastredner bei der 125-Jahr-Feier des Deutschen Schachbundes und wird als spielstärkster deutscher Prominenter oft und gerne zu Simultanveranstaltungen eingeladen, so auch bei der 200-Jahr-Feier des ältesten Schachklubs, der SG Zürich.
Matthias Deutschmann, Garry Kasparov, Frederic Friedel | Foto: Christian Bossert
Heute feiert Matthias Deutschmann seinen 60sten Geburtstag! Wir gratulieren ganz herzlich!
Reklame:
Fritz 16
Sehen Sie das? Fritz 16 freut sich schon auf Sie! Und Sie werden mit dem neuen Fritz auch viel Spaß haben. Freuen Sie sich auf viele packende Partien und Siege mit "Easy Play" und der "Assisted Analysis"!
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Die schlimmsten Patzer der Schachgeschichte
Schöne Partien, schöne Kombinationen sind - natürlich - schön, aber Schach hat auch andere Seiten: Pleiten, Pech, Pannen und Patzer. Die schlimmsten davon präsentiert der bekannte Kabarettist Matthias Deutschmann auf unterhaltsame Art auf dieser DVD.
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