Schach und Whisky

von André Schulz
30.04.2019 – Am letzten Mai-Wochenende wird in Schottland ein ganz besonderes Schachturnier veranstaltet. Vier Topspieler, Magnus Carlsen, Viswanathan Anand, Ding Liren - der vierte Spieler steht noch nicht fest - treten am Geburtsort des Scotch Whisky in der Lindores Abbey Destillery im Schnellschach gegeneinander an.

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"To brother John Cor..."

Die schottische Abtei Londores gilt als der Ursprungsort des Scotch Whiskys, zumindest wurde hier zum ersten Mal ein "geistiges Getränk" erwähnt, das nach Whisky klang. In den königlichen Steueraufzeichnungen aus der Zeit von König James IV von Schottland (1473-1513) ist aus dem Jahr 1494 der Verkauf von Gerstenmalz an Jon Cor belegt, an einen Mönch der Abtei Lindores, damit dieser daraus "Aqua Vitae" brennen konnte.

“To Brother John Cor, by order of the King, to make aqua vitae VIII bolls of malt” (Rotuli scaccarii regum scotorum Vol X, p. 487)

Acht "bolls of malt" (Samenkapseln von Malz) reichten für ca. 1500 heutige Flaschen Whisky.

Die Abtei Lindores oder die "Kirche am Wasser" wurde 1191 von David Earl of Huntingdon am Südufer des River Tay gegründet, dort wo sich der Fluss in einem großen Mündungstrichter zum Meer öffnet. Das Land hatte ihm sein Bruder, König Wilhelm I, geschenkt. 

 

Der Sage nach soll der Earl of Huntingdon bei seiner Rückkehr von einem Kreuzzug aus dem Heiligen Land in einen schweren Sturm geraten sein. Nachdem sein Schiff diesen glücklich überstanden hatte, baute er zum Dank die Abtei. So berichtet es Sir Walter Scott ("Ivanhoe") in seinem berühmten Buch "The Talisman".

Das Kloster wurde aus dem örtlichen roten Sandstein errichtet und erstreckte sich über ein großes Gelände. Die Mönche, die das Kloster bauten und dann bewirtschafteten, gehörten zum Benediktiner-Orden der Tironsianer (Aus der "Abbaye de la Sainte-Trinité de ­Tiron, bei Chartres) an. Ihr schottisches Mutterhaus war das Kelso-Kloster.

Klosterleben: Fähigkeiten auf allen Gebieten

Vermutlich lebten hier zu den besten Zeiten etwa 30 Mönche, die sich als Maurer, Brenner, Brauer, Zimmermänner, Schmiede, Bildhauer, Maler, Gärtner, Imker, Bauern und Viehzüchter betätigten. Die Mönche rodeten das Land und legten ausgedehnte Obstgärten mit Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäumen an. Mit 30 ha war dies die größte Obstplantage in ganz Schottland. Auch für ihre medizinischen Fähigkeiten waren die Mönche der Abtei bekannt. Die Abtei unterhielt weitreichende Handelsverbindungen, bis auf den Kontinent nach Flandern. Lachs aus dem River Tay, Wolle und Obst wurden verkauft oder gegen Wandteppiche und Seide getauscht.  

Der Abt von Lindores herrschte über das umliegende Land und die Gemeinden durchaus auch nach weltlichen Regeln und übte die volle Gerichtsbarkeit aus. Ab 1266 gehörte auch die Stadt Newburgh zu seinem Herrschaftsgebiet. Die Abtei war reich und besaß Immobilien in Schottland, aber auch in England, aus denen sie Mieteinnahmen generierte. 

Selbstverständlich pflegten die Mönche auch einen Bildungsauftrag und gaben ihr Wissen weiter. Zu ihrer Arbeit gehörte unter anderem das kalligraphische Kopieren und Illustrieren von Büchern und Manuskripten. Thomas Wode, einer dieser Mönche, sammelte religiöse Musik. Seine Sammlung, die "Wode-Psalter", werden heute in der St. Andrews University aufbewahrt. 

In seinen besten Zeiten war das Kloster Lindores weithin bekannt und verzeichnetet im Laufe seiner Geschichte einige berühmte Besucher. Zu diesen zählten Könige und Königinnen - darunter Edward I. von England, John Balliol, David II., James III. und IV. -, Heerführer und Staatsmänner. Der schottische Unabhängigkeitskämpfer William Wallace ("Braveheart") nahm hier einst mit 300 Männern Zuflucht, nachdem er zuvor in der "Battle of Black Earnside" über die Engländer gesiegt hatte.

Gedenktafel

Im 16. Jahrhundert wurde die Abtei im Zuge der Reformationsbewegung zweimal überfallen, 1543 und erneut 1559. Nach dem zweiten Angriff unter der Leitung des Reformators John Knox wurden die Gebäude größtenteils zerstört, abgetragen und danach als Steinbruch genutzt. Viele Gegenstände, Steine und Kunstwerke fanden in Häusern der umliegenden Gemeinden Verwendung.

Alte Zeichnung der Ruine| Quelle: Schottische Nationalgalerie

Der Bau der neuen Destillerie

1913 kaufte Ian Howison das Gelände der ehemaligen Abtei für 3000 Pfund. Er lebte dort mit seiner Familie, Frau und zehn  Kindern auf einer Farm, später ebenso seine Nachfahren, nun in vierter Generation. Ian Howisons Enkelsohn Drew McKenzie-Smith entwickelte die Idee, am mußmaßlichen Geburtsort des Scotch Whiskys, mit dem Bau einer neuen Destillerie die alte Whisky-Tradition wieder aufleben zu lassen. Über einen Zeitraum von 20 Jahre beschäftigte er sich mit dem Projekt. 2016 begann schließlich der Bau. Vor Baubeginn wurde das gesamte Gelände zunächst noch archäologisch untersucht. Im Zuge dieser Arbeiten wurde ein Teil des 500 Jahre alten Grundrisses der Klostergebäude freigelegt und konserviert. Bei diesen Arbeiten wurde 2018 auch ein mit Ton ausgeschlagener mittelalterlicher Brennofen entdeckt. Rückstände von Holzkohle, Gerste, Hafer, Weizen und Keramik aus dem Mittelalter wiesen tatsächlich auf eine mittelalterliche Whisky-Destillerie hin. 

Die neue Destillerie | Foto: Lindores Abbey Destillery

2017 konnte in der neuen Destillerie mit der Produktion begonnen werden. Da man erst nach mindestens drei Jahren Reifezeit (gesetzlich vorgeschrieben) überhaupt von einem Scotch-Whiskey sprechen kann, wird es noch etwas dauern, bis die Arbeit sich in Whisky verwandelt hat. In Wirklichkeit dauert die Reifezeit noch viel länger. Guter Scotch Whiskey beginnt bei 12 Jahren Lagerzeit in den Fässern. Bis dahin wird in der Lindores Abbey Destillerie auch "Aqua Vitae" produziert, eine Art Gin, der keine so lange Reifezeit benötigt. 

Aqua Vitae | Foto: Lindores Abbey Destillery

Auch Whisky kann man aber schon zum Subskriptionspreis bestellen. Man muss dann nur über ein paar Jahre die notwendige Reifezeit abwarten, bevor er in Flaschen abgefüllt wird.

Und Schach!

Eine noch größere Tradition als der Scotch Whisky hat das Schachspiel, in Schottland sowieso, aber auch in Lindores. In einer Inventarliste des Klosters aus dem 15. Jahrhundert wurde auch ein Schachspiel aufgeführt. Nicht allzu weit weg von hier, etwa 250 km entfernt vor der Nordwestküste Schottlands, befindet sich die Isle of Lewis. Hier wurden im Jahr 1831 nach einem Sturm im Inselsand die Lewis Chessmen, insgesamt 78 Steine, entdeckt. Sie sind der älteste vollständige Figurensatz eines europäischen Schachspiels und wurden vermutlich im 12. Jahrhundert in Norwegen hergestellt. 

Schach kommt nach 500 Jahren zurück nach Lindores

Mit dem "Chess Stars Tournament" in der Lindores Abbey Destillery kommt das Schachspiel nach 500 Jahren zurück in den Ort, unter anderem mit einem Norweger, Magnus Carlsen, der Weltmeister selbst.  Er bringt seinen Vorgänger Viswanthan Anand mit, aus Indien, dem Ursprungsland des Schachs. Der Dritte im Bunde wird Ding Liren aus China sein.

Aus Anlass des Events verkauft die Destillerie einen 18 Monate alten "Aqua Vitae Spirit", den "Lindores Abbey Thabill", in einer limitierten Auflage von 500 Flaschen (150 Pfund). Ein Teil der Erlöse, auch aus dem Verkauf der Eintrittskarten, kommt einer Stiftung für Waisenkinder zugute. 

Für den Event werden eine sehr limitierte Anzahl von Eintrittskarten verkauft (70 Plätze, 20 Pfund pro Tag)

Lindores Schachseite mit Ticket-Anfrage...

 

Londores Abbey Road. Als Google die Straße fotografierte, gab es die Destillerie noch nicht.

 

Geschichte der Londoris Abbey zum Durchblättern...

Webseite der Lindoris Abbey Destillery...

Artikel in The Scotsman...

Artikel über Edel-Destillerien bei Forbes...

 

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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