Schacholympiade: China oder USA

von André Schulz
04.10.2018 – USA und China kamen heute zu je zwei Mannschaftspunkten und kämpfen morgen (ab 9 Uhr!) im direkten Vergleich um Gold. Deutschland hat nach einem 2:2 mit der Medaillenvergabe nichts zu tun, kann aber ein gutes Endergebnis erzielen. In der Frauenolympiade hat China die besten Chancen auf Gold, spielt morgen aber gegen Russland.| Fotos: David Llada/ Turnierseite (Wenn nicht anders angegeben)

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Nun gilt es also: Vor den letzten beiden Runden, heute und morgen (morgen schon ab 9:00 Uhr MESZ!), haben sich die Mannschaften in eine möglichst günstige Position für die entscheidenden Kämpfe gebracht. Kleinigkeiten können den Ausschlag darüber geben, ob man mit einem Sieg die Medaillenränge erreicht, mit einem Punkt zuwenig oder einer schlechteren Zweitwertung diese knapp verpasst oder mit einer Niederlage in der Tabelle weit nach hinten rutscht.

Foto: Gerd Densing

Die Überraschungsmannschaft überhaupt ist das polnische Team. Hinter den beiden Super-Großmeistern Jan-Krzysztof Duda und Radoslaw Wojtaszek spielen Kacper Piorun, Jacek Tomcak und Kamil Dragun, alle drei solide Großmeister, sicher aber keine Übermenschen. Bei dieser Schacholympiade sind sie über sich hinaus gewachsen. Der junge Duda hat noch die schlechteste Performance, die vier anderen haben alle eine Eloleistung von 2750 und mehr gespielt. Kacper, Tomcak und Dragun verloren bis zur 10. Runde keine einzige Partie.

In der gestrigen 9. Runde hatten die Polen - mit viel Glück - auch noch die USA besiegt und lagen mit 16 Mannschaftspunkten alleine in Führung. Diese mussten sie heute gegen China (15 MP) verteidigen.

Die Chinesen hatte 2014 zum ersten Mal in ihrer Geschichte auch die Goldmedaille im offenen Turnier gewonnen, nachdem sie im Frauenschach schon lange eine Macht sind. Rechtzeitig zur Schacholympiade ist auch Ding Liren wieder einsatzbereit. Die Nummer Eins des Landes hatte sich bekanntlich während des Norway Chess Turniers nach einem Fahrradunfall einen Bruch der Hüfte zugezogen. Noch braucht er Krücken, kann aber wieder laufen.

Gegen China endete heute der polnische Siegeslauf.

 

Ding Liren stiftete hier mit 22.d5 exd5 23.e6 Verwirrung. 23...Tf6 war jetzt das Beste für Schwarz. Duda spielte stattdessen 23...Ld6, was zwar nicht verliert, aber den weißen e-Bauern von der Kette lässt. Das rächte sich später.

Und Piorun Kacper verlor gegen Li Chao auch seine erste Partie.

 

Die schwarze Streitmacht steht kompakt, die weißen Truppen sind hingegen versprengt. Mit 36...Sf5 leitet Schwarz den Schlussangriff ein. Die übrigen beiden Partien endeten remis. 3:1 für China.

Ebenfalls auf 15 Mannschaftspunkte nach neun Runden kamen neben China noch Armenien, die USA und England. Die Paarungen lauteten Armenien gegen die USA und England gegen Russland.

Am Spitzenbrett des Matches zwischen Armenien und den USA bekämpften sich Aronian und Caruana nicht gerade bis aufs Blut und schlossen früh Frieden. Den Siegpunkt für das US-Team besorgte Sam Shankland mit Schwarz gegen Hrant Melkumyan. Ein Theorieduell in der Botvinnik-Variante des Halbslawischen Damengambits ging klar zugunsten des US-Großmeisters aus.

 

Zwei Züge zuvor hatte Shankland mit einem neuen Zug (23...Sb8) den Theoriepfad verlassen. Hier spielte Weiß 26.b3? und steht nach 26...c3 praktisch schon auf Verlust. Der folgenden Angriff auf den schwarzen König (nach 27.De2) ist nämlich keiner, aber der schwarze Freibauer ist ein entscheidender Faktor.

Für die russische Mannschaft - ohne Svidler und Grischuk - war das Turnier bisher alles andere als optimal verlaufen, aber vor der heutigen Runde waren Kramnik und Co wieder auf Schlagdistanz an die Tabellenspitze herangekommen. 

Vor Beginn der Partien erschreckte Nigel Short Vladmir Kramnik, in dem er ihm am Brett die Hand reichte.

Kramnik-Short, nein

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Short gehört aber natürlich nicht zum englischen Team und vielleicht wollte er Kramnik ja auch nur zum Sieg von Arkady Dvorkovich bei der FIDE-Präsidiumswahl gratulieren. Kramnik, der ja überraschenderweise nur am 3. Brett der Russen aufläuft, traf in Wirklichkeit auf David Howell. Diese Begegnung erwies sich am Ende des Tages als die entscheidende für den Wettkampf.

Russland gegen England

 

Howell hatte 26...Dd7 gespielt, was 27...Dg4 mit Damentausch und Vorteil droht. Kramnik verhinderte das mit 27.h3. Nun scheitert 27...Dxh3 an 28.Dxg6. Howell spielte deshalb erst 27...Lxc3 und nach 28.bxc3 Dxh3. Der Tg6 ist jetzt vom anderen Turm gedeckt. Am einfachsten zur Verhinderung des Matts auf g2 war jetzt das kühle 29.g3 (Bauer h4 ist gefesselt). Kramnik spielte stattdessen 29.Sg5, was auch gut genug ist, und holte später den Siegpunkt für Russland.

Mit 14 Punkten gingen außer Russland noch Frankreich, Kroatien und Deutschland in die beiden letzten Runden. Dank eines ganzen Punktes von Laurent Fressinet kamen die Franzosen zu einem 2,5:0,5-Sieg gegen Kroatien.

 

Nach 22...Sb4 Schwarz wurde in dieser Partie ziemlich überfahren. Nach 23.f5 ging bald das Licht aus.

Die deutsche Mannschaft war bis zur 10. Runde auch noch ohne Niederlage und vier der fünf deutschen Spielern boten zusammen bislang eine solide geschlossene Mannschaftsleistung. Der Ausreißer nach oben war Daniel Fridman, zeitweise bester Spieler der Schacholympiade. Er gewann bis heute sechs Partien und spielte zwei Remis.

Die Deutschen hatte es in der heutigen zehnten Runde mit Vietnam zu tun. Es hätte schlimmer kommen können, denkt man, zum Beispiel mit einem Match gegen Russland, aber die Mannschaft von Vietnam ist alles andere als ein leichter Gegner. Nguyen Ngoc Truong Son war mit seinen 7 aus 8 vor der heutigen Runde beispielsweise Spitzenreiter in der Einzelwertung an Brett zwei.

Foto: Gerd Densing

Meier hielt Nguyen N unter Kontrolle, die anderen drei Partien endeten ebenfalls remis. Am Ende also ein weiteres 2:2 für das Rogozenco-Team.

Hinter dem deutschen Tisch gab es mit Aserbaidschan gegen die Ukraine und Niederlande gegen Indien zwei weitere interessante Wettkämpfe. Das aserische Team musste heute gegen die Ukraine die zweite Niederlage hinnehmen. Yuriy Kryvoruchko holte gegen Arkadij Naiditsch den entscheidenden Punkt. 

Auch ohne Anand gab es beim Wettkampf der Niederlande gegen Indien einen klaren Befund. Sasikiran gewann gegen Van Foreest und Adhiban punktete gegen Van Wely. Der Sieg hätte noch höher ausfallen können, aber Erwin l'Ami rettete sich in seiner Partie gegen Vidit im Damenendspiel mit zwei Minusbauern, das er fast 100 Züge lang verteidigte (!), in ein Dauerschach. Die Partie endete erst im 140sten Zug.

Ergebnisse

Team Team Pts. MP Res. : Res. MP Pts. Team Team
CHN China 23½ 15 3 : 1 16 25 Poland POL
ARM Armenia 24 15 : 15 24½ United States of America USA
RUS Russia 24 14 : 15 22½ England ENG
FRA France 24½ 14 : 14 23½ Croatia CRO
VIE Vietnam 25½ 13 2 : 2 14 23 Germany GER
AZE Azerbaijan 24 13 : 13 21½ Ukraine UKR
NED Netherlands 25½ 13 1 : 3 13 24 India IND
KAZ Kazakhstan 23 13 : 13 24½ Israel ISR
CZE Czech Republic 23 13 : 13 25½ Spain ESP
NOR Norway 24 12 : 13 21½ Serbia SRB
EGY Egypt 20½ 12 2 : 2 12 22½ Georgia 1 GEO1
ARG Argentina 23½ 12 2 : 2 12 22 Georgia 2 GEO2
SWE Sweden 23 12 3 : 1 12 21½ Italy ITA
MDA Moldova 20½ 12 : ½ 12 22½ Slovenia SLO
SVK Slovakia 23 12 1 : 3 12 21½ Austria AUT

Partien

 

Stand vor der letzten Runde

Rk. Team Team
1 United States of America USA
2 China CHN
3 Poland POL
4 France FRA
5 Russia RUS
6 India IND
7 Armenia ARM
8 Ukraine UKR
9 Germany GER
10 Czech Republic CZE
11 England ENG
12 Kazakhstan KAZ
13 Vietnam VIE
14 Croatia CRO
15 Norway NOR

185 Mannschaften

Frauenturnier

In den Spitzenspielen der Frauenolympiade gab es an den Spitzentischen ein kurioses Ergebnis. Die Wettkämpfe China-USA, Ukraine-Russland, Aserbaidschan-Armenien, Vietnam-Ungarn, Spanien-Kasachstan, Georgien-Kasachstan und Weißrussland gegen Slowenien endeten allesamt 2:2 unentschieden, die drei erstgenannten Wettkämpfe jeweils mit vier Remis.

China spielt morgen gegen Russland

An der Spitze hat sich damit also nichts geändert. China führt, nun mit 17 Punkten, vor der Ukraine, USA und Armenien. Das deutsche Team spielte ebenfalls 2:2 gegen Usbekistan und belegt mit 13 Punkten Platz 26.

Das deutsche Team | Foto: Gerd Densing

Ergebnisse

Team Team Pts. MP Res. : Res. MP Pts. Team Team
CHN China 26½ 16 2 : 2 15 24½ United States of America USA
UKR Ukraine 25 15 2 : 2 14 26½ Russia RUS
AZE Azerbaijan 24½ 14 2 : 2 15 24 Armenia ARM
VIE Vietnam 26½ 13 2 : 2 13 24 Hungary HUN
ESP Spain 23½ 13 2 : 2 13 24 Kazakhstan KAZ
GEO1 Georgia 1 *) 23 14 2 : 2 13 25½ Czech Republic CZE
BLR Belarus 24 12 2 : 2 13 21 Slovenia SLO
IND India 23½ 12 3 : 1 12 22½ Peru PER
ITA Italy 22 12 : 12 23½ Georgia 2 GEO2
ROU Romania 21 12 2 : 2 12 23 Iran IRI
ARG Argentina 20½ 12 ½ : 12 22½ Mongolia MGL
CRO Croatia 22½ 12 ½ : 12 23½ Poland POL
GER Germany 23 12 2 : 2 12 22 Uzbekistan UZB
FRA France 23 12 : ½ 12 22 Colombia COL
CUB Cuba 23 12 : 12 18 Brazil BRA

Partien

 

Stand vor der letzten Runde

Rk. Team Team
1 China CHN
2 Ukraine UKR
3 United States of America USA
4 Armenia ARM
5 Russia RUS
6 Georgia 1 GEO1
7 Azerbaijan AZE
8 Hungary HUN
9 Spain ESP
10 India IND
11 Georgia 2 GEO2
12 Poland POL
13 Kazakhstan KAZ
14 Vietnam VIE
15 Czech Republic CZE

151 Teams

Turnierseite...

Ergebnisse bei Chess-results...

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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