Schachtipps von Boris Gelfand (2/2)

von Sagar Shah
11.05.2016 – Im ersten Teil des Interviews sprach Boris Gelfand über Blind- und Blitzschach und wie man in Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel besser wird und welche Bücher ihn geprägt haben. Im zweiten Teil spricht er über den WM-Kampf 2012 gegen Vishy Anand, die Unterstützung seiner Familie und das Leben als Schachprofi. Am Ende verrät er noch ein Kochrezept. Mehr...

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Schachtipps von Boris Gelfand (2/2)

Ein Interview mit Sagar Shah

Sagar Shah interviewt Boris Gelfand im Pressezentrum des Kandidatenturnier 2016 in Moskau

Sagar Shah: 2012 hast du gegen Vishy Anand um die Weltmeisterschaft gespielt. In einem Interview hast du einmal gesagt, dass du während des Wettkampfs unter Druck warst, aber trotzdem jeden einzelnen Moment genossen hast und jeden Morgen frisch aufgewacht bist. Wie gehen diese widersprüchlichen Gefühle der Freude und der Anspannung Hand in Hand?

Boris Gelfand: Das ist eine gute Frage. Sehr viel hängt dabei von der eigenen Einstellung und der geistigen Haltung ab. Als ich jung war, hatte ich viele Freunde, die Meister, Großmeister oder sogar Weltmeister werden wollten. Aber ich hatte solche Ziele nicht. Ich wollte immer Spaß am Schach haben. Das hat mich meine gesamte Karriere hindurch motiviert und ehrgeizig bleiben lassen. Als ich mich für den WM-Kampf qualifiziert hatte - ein Höhepunkt in der Laufbahn eines jeden Schachspielers - habe ich mir gesagt, dass ich das genießen sollte. Es hätte so leicht passieren können, dass ich gar nicht um die Weltmeisterschaft hätte spielen können. Während des World Cups und der Kandidatenwettkämpfe gab es Momente, in denen mich mein Gegner mit einem einzigen richtigen Zug nach Hause hätte schicken können. Aber ich habe überlebt und mich für den Wettkampf qualifiziert. Da war es nur natürlich, dass ich genießen sollte.

Man tut sein Bestes, man tut Alles, um den Wettkampf zu gewinnen, aber man sollte sich nicht unter Druck setzen lassen. Ich habe ziemlich drastische Maßnahmen ergriffen, um mich in den 20 Tagen des Wettkampfs von der Welt zu isolieren. Meine Assistenten und Sekundanten haben gesammelt, was in Zeitungen, Zeitschriften und in den sozialen Medien über den Wettkampf geschrieben wurde, und manche der dort geäußerten Ideen hätten nützlich sein können, aber ich habe all das nicht gelesen. Außerdem haben wir in einem kleinen Hotel gewohnt, nicht im offiziellen. Wir wollten unter uns sein und nicht gestört werden. Nach jeder Partie bin ich zur Pressekonferenz gegangen, danach zurück ins Hotel und nachdem ich meine Partie überprüft habe, habe ich mich auf den nächsten Kampf vorbereitet.

Boris mit Sohn Avner nach seiner Rückkehr vom WM-Kampf mit Vishy Anand 2012

SS: Du hast die Atmosphäre harter Arbeit und das Gefühl, total konzentriert zu sein, genossen?

BG: Ja, genau! Auch der Monat vor dem Wettkampf, als ich mich mit meinen Sekundanten vorbereitet habe, war phantastisch. Wir hatten uns in einen Ort in den Alpen zurückgezogen und ich habe jeden Morgen mit meinen Sekundanten analysiert - die rotierten dabei. Erst habe ich mit dem einen analysiert, dann mit dem nächsten und so weiter. Man hat nur einen Gedanken, nur ein Ziel. Man fühlt sich sehr inspiriert und in kreativer Stimmung. Viele der Ideen, die wir damals gefunden haben, sind immer noch nützlich. Sie tauchen immer Mal wieder auf und ich nutze diese Analysen.

SS: Kommen wir nun zu einer Frage, die alle betrifft, die ernsthaft Schach spielen, vom aufstrebenden Talent bis zum erfahrenen Großmeister mit 2650: Wann entscheidet man sich, Schach zu seinem Beruf zu machen, wann entscheidet man sich, Schachprofi zu werden?

BG: Eine gute und auch schwierige Frage. Das ist eine schwere Entscheidung. Wenn man dieses Niveau erreicht, dann ist man mit Sicherheit talentiert und hat Spaß am Schach. Andererseits führt man dann ein unstetes Leben und man weiß nicht, wie lange man Schach als Beruf ausüben kann. Sogar Henrik Carlsen, der Vater von Magnus Carlsen, hat mich einmal um Rat gefragt und wollte wissen, ob Magnus Profi werden sollte. Damals war Magnus gerade einmal 15 oder 16. Ich habe ihnen gesagt, dass sie das tun sollten, was sie für das Richtige halten. Aber ich glaube, Magnus hatte viel Glück, dass ihn seine Familie so unterstützt hat, diese phantastische Familie. Das ist ein Grundpfeiler seines Erfolgs. Solch phantastische Einstellungen und so viel Liebe – das zu sehen, war wirklich großartig.

Für Boris Gelfand ist Magnus Carlsens Familie einer der Gründe, warum er Weltmeister wurde
[Das Foto stammt von David Llada und wurde beim Qatar Masters Open 2015 aufgenommen.]

Ich musste nach dem Gymnasium eine Entscheidung treffen, was ich machen wollte. Meine Familie hat mich unterstützt, aber sicher waren sie nicht, denn Schach ist nun einmal kein fester Beruf. Damals stand der Eiserne Vorhang noch und ich konnte nicht ins Ausland reisen. Meine Entscheidung, Schachprofi zu werden, war riskant, aber ich war so motiviert, dass ich beschlossen habe, es dennoch zu probieren.

SS: Du glaubst also, dass man das Schach lieben muss, um es zu seinem Beruf zu machen?

BG: Nun, ich glaube, wenn man Zweifel hat, dann sollte man keine Schachkarriere anstreben. Denn das erfordert vollständige Hingabe. Wenn man Spaß am Schach hat, kann man natürlich immer über Schach schreiben oder Training geben oder ähnliche Dinge tun. Das Gute am Schach ist ja, dass es der Kreativität so viel Raum bietet. Einen anderen Beruf, der so kreativ ist, findet man nicht leicht. Wenn man studiert und Arbeit findet, dann ist die Chance groß, dann man tagtäglich in einem Büro arbeitet. Doch ob man eine Schachkarriere anstrebt, hängt nicht nur vom Gefühl ab. Das ist eine sehr schwere Entscheidung, die jeder für sich treffen muss. Aber Schachprofi zu werden, erfordert sehr viel Disziplin und Hingabe.

SS: Gab es im Laufe deiner Karriere denn Momente, wo du keine Lust mehr auf Schach hattest und das Schachbrett einfach nicht mehr sehen wolltest?

BG: Ich habe Schach immer geliebt. Man will spielen, aber es gibt keine Turniere, in denen man gegen Spieler antreten kann, die das gleiche Niveau haben. Ich habe im Aeroflot Open gespielt, aber ich weiß nicht, ob ich im Mai oder Juni Turniere spielen kann. Vielleicht bin ich verwöhnt, weil ich nur Spitzenturniere spiele. Wenn ich keine solchen Turniere spielen kann, fühle ich mich nicht wohl. Ich bin immer noch hoch motiviert und arbeite viel. Wenn man tagelang arbeitet und am Brett nicht zeigen kann, was man gearbeitet und gelernt hat, dann ist das ein bisschen frustrierend. Aber ich habe immer gerne analysiert und wenn irgendwo gute Turniere gespielt werden, dann starte ich meinen Computer und verfolge die Partien.

SS: Wird das nicht manchmal langweilig, in diesen Superturnieren immer gegen die gleichen Gegner zu spielen?

BG: Ich habe schon ziemlich oft auf höchstem Niveau gespielt, aber objektiv gesehen nicht so viel wie manch andere Spitzenspieler. Wenn man gegen die besten Spieler spielt - zum Beispiel gegen jemanden wie Kramnik - dann ist jede Partie etwas Besonderes. 2013 habe ich sechs Partien gegen Kramnik gespielt und jede Partie war einfach phantastisch. Manche der Partien haben fast sieben Stunden gedauert. Ist das nicht der Grund, warum man Schach spielt? Um gegen die besten Spieler anzutreten und sein Bestes zu geben.

Boris Gelfand und Vladimir Kramnik überreichen Andor Lilienthal und seiner Frau Olga einen Elefant als Geschenk zu Lilienthals 90. Geburtstag (Foto: Boris Dolmatovsky)

Das allgemeine Schachniveau ist gestiegen und besser denn je. Die Welt ist offener und es gibt mehr als fünf Spieler, gegen die zu spielen interessant ist. Beim Aeroflot Open war jede Partie eine Herausforderung für mich. Es gab keine leichten Punkte. Einer meiner Gegner war Haik Martirosyan - er ist noch jung, aber offensichtlich sehr talentiert und ihm fehlt lediglich Erfahrung. In der Partie gegen ihn habe ich gespürt, wie stark er ist, und sein Abschneiden im Turnier hat das bestätigt. Beim Aeroflot Open gab es so viele junge und talentierte Spieler! Viele Jugendliche aus Indien und dann gab es da noch diesen russischen Jugendlichen, Andrey Esipenko, der eine GM-Norm gemacht hat. Oder Alireza Firouzja, der amtierende iranische Meister, der erst 14 Jahre ist. Und die chinesischen Spieler sind auch sehr, sehr stark.

SS: Wenn es um Spitzenspieler geht, dann macht China wirklich große Fortschritte.

BG: Ja, die Chinesen machen Fortschritte, aber ich bin mir nicht sicher, wie tragfähig ihre Struktur ist. An der Spitze sehen wir starke Spieler wie Ding Liren, Li Chao, Wei Yi, Wang Yue und andere. Ungefähr acht Spieler haben 2700+. Aber darunter gibt es keine solide Bank von Spielern im Bereich von 2500 bis 2700 Elo. Das Verhältnis ist völlig verzerrt. Ein Grund dafür ist, dass sie nicht oft im Ausland spielen und ihre Zahlen zu niedrig sind. Aber acht Spieler zu haben, die zur Weltspitze oder zur erweiterten Weltspitze gehören und die Olympiade und die Mannschaftsweltmeisterschaft zu gewinnen, ist natürlich beeindruckend.

SS: In vielen Turnieren heutzutage sieht man, wie Eltern ihre Kinder, die auf dem Weg sind, starke Spieler zu werden, enorm unter Druck setzen. Du hast selber Kinder und warst früher ein Ausnahmetalent. Welchen Rat würdest du Eltern, die ihre Kinder so unter Druck setzen, geben?

Boris Gelfand mit seiner Frau Maya und seinen beiden Kindern Avital und Avner 

BG: Ich glaube, das ist das Schlimmste, was man seinem Kind antun kann. Wir haben gerade über Magnus gesprochen und er ist ein gutes Beispiel: Er wurde von seiner Familie gefördert, aber nicht gedrängt. Bei mir war das genauso. Es ist wirklich hilfreich, wenn man die Unterstützung seiner Eltern bekommt, wenn man spürt, dass sie einen lieben, egal, was man macht.

Viele Leute haben mir von der nervösen Atmosphäre bei Jugendweltmeisterschaften, bei denen Eltern ihre Kinder unter Druck setzen, berichtet, und ich habe sie selbst auch erlebt. Junge Spieler sollten Spaß am Schach haben. Denn vor allem ist Schach ein phantastisches Spiel und man sollte Spaß haben, wenn man es spielt. Wenn man Spaß hat, kann man viel erreichen. Nicht nur im Schach, sondern auch in anderen Sportarten oder im künstlerischen Bereich, erzielen Kinder, die keinem Druck ausgesetzt waren, Spitzenleistungen. Ich beobachte oft, dass Eltern die Karriere ihrer Kinder machen wollen, und wie das auf Kosten der Kleinen geht. Das macht mich traurig. Als ich jung war, gab es nur die U16 und die U20 Weltmeisterschaften. Aber jetzt gibt es auch U8 Meisterschaften. Solche Turniere sollten ein Festival sein. Tatsächlich herrscht jede Menge Spannung. Wenn jemand mit acht Weltmeister wird, sagt das noch nicht viel aus. Vielleicht hört er mit zwölf mit dem Schachspielen auf. Dafür kommt jemand anderes, der weniger talentiert ist, aber Schritt für Schritt besser wird und es weit bringen kann.

Die Aufregung, die gemacht wird, wenn jemand U8 oder U10 Weltmeister wird, ist einfach unglaublich. Ich will es einmal so sagen: Solche Erfolge sind für die Schachkarriere nicht hilfreich. Vielleicht bekommt man ein bisschen lokale Unterstützung oder ein bisschen Geld und kann einen erfahrenen Trainer anheuern, aber dieser Erfolg allein bedeutet meiner Meinung nach nicht viel. Aber natürlich muss das Gleichgewicht bewahrt bleiben. Manche Kinder behandeln die Turniere wie Urlaub. Dann sollte man schon eingreifen.

SS: Wie hat deine Familie deine Schachkarriere gefördert?

Der zweijährige Boris mit seinen Eltern Abram and Nella Gelfand 1970!

BG: Meine Eltern haben mich meine gesamte Schachkarriere hindurch unterstützt. Vielleicht kennst du den Film Album 61 [ein Link zu diesem 69-minütigen Dokumentarfilm findet man am Ende des Interviews]. Der Film zeigt, wie sehr mein Vater mein Schach gefördert hat. Letztes Jahr ist meine Großmutter im Alter von 101 gestorben. Sie hat mich zur Schachschule gebracht, als ich sechs Jahre alt und hat mich bis an ihr Lebensende unterstützt.

Boris Gelfand mit seiner Großmutter (2010)

Wenn ich heute zu Turnieren fahre, dann unterstützen mich meine Kinder immer ganz besonders: Sie malen ein Bild für mich oder rufen an und muntern mich auf. Beim Aeroflot Open habe ich versucht, über Skype mit ihnen in Verbindung zu sein. Meine Frau unterstützt mich ebenfalls sehr. Sie hat ein Buch mit dem Titel Wie man einen Champion ernährt. Das Buch erzählt Geschichten aus meiner Karriere, die von Kochrezepten der Gerichte umrahmt werden, die sie für mich gekocht hat. Im Moment gibt es das Buch nur auf Hebräisch und Russisch. Ich weiß nicht, ob jemand Interesse hat, eine englische Version zu veröffentlichen.

[Redaktionelle Anmerkung - Der folgende Auszug aus dem Buch wurde mit Hilfe von Google Translate aus dem Russischen übersetzt]

Kurz nach meinem unvergesslichen Geburtstag habe ich Boris kennengelernt. Ich habe damals als Redaktionsassistentin bei einer örtlichen Fernsehstation gearbeitet und hatte angefangen zu studieren. Alles lief großartig. Ich mochte das, was ich tat, ich verdiente Geld und traf im Studio berühmte Leute (wie Shimon Peres!) Und einmal hatte ich sogar einen Auftritt im Fernsehen, zwischen einem lachenden und besorgten Moderator.

Eines Tages war Boris zu Gast im Studio. Charmant, smart, ruhig. Was braucht man noch, um sich zu verlieben?
Ich habe studiert und gearbeitet, aber ich musste immer an ihn denken. Ich wusste aber, dass ich keine Chance hatte. Wie konnte ich von einer solchen Berühmtheit träumen? Boris war damals bereits einer der hellsten Sterne in der Schachwelt.

Aber aus irgendeinem Grunde schrieb er sich meine Telefonnummer auf. Wird er wirklich anrufen? Bei diesen Träumereien musste ich über mich selber lachen. Er hatte wahrscheinlich bereits eine Freundin. Oder vielleicht sogar eine Frau. Wahrscheinlich erinnert er sich gar nicht mehr an mich?

Die Monate vergingen und ich hatte die flüchtige Begegnung fast schon vergessen.

Und dann rief er an.

Mittagessen für das erste Date: Rote Beete Salat mit Backpflaumen und Walnüssen

Zutaten:

  • Rote Beete - 1 Stück
  • Pflaumen entkernt - 100g
  • Knoblauch - 1 Zehe
  • Walnüsse - 50 Gramm
  • Mayonnaise - 30 g (ein Teelöffel)
  • Salz, Zucker - nach Geschmack

Zubereitung:

  • Die Rote Beete samt Schale in gesüßtem Wasser kochen
  • Kühlen lassen, dann schälen und in Würfel schneiden.
  • Knoblauch und Walnüsse fein hacken und mit der Roten Beete mischen.
  • Pflaumen in dünne Streifen schneiden.
  • Alle Zutaten mischen. Salz hinzufügen und mit Mayonnaise würzen.

SS: Eine hypothetische Frage: Was würdest du tun, wenn du nicht Schachspieler wärest?

BG: [In lebhaftem Ton] Warum sollte ich irgendetwas anderes machen! Ich genieße es, Schachspieler zu sein! [Nach einer Weile des Nachdenkens] Ich würde gerne Klavierspielen lernen. Ich habe das nie probiert, aber ich träume davon, es zu lernen. Ich mag Musik und sie hilft mir, eine Liebe zu anderen Dingen zu entwickeln. Interessant wäre auch, Manager des FC Barcelona zu sein. Fußball inspiriert mich. Barcelona gefällt mir, EPL, die Bundesliga, eigentlich jedes gute Spiel zwischen zwei Mannschaften. Und ich lese gerne. Ich lese viele Bücher, wenn ich Zeit habe und mich konzentrieren kann und beim Schach kein Druck herrscht.

SS: Liest du auch während eines Turniers Bücher?

BG: Ich versuche das. Hier habe ich angefangen, aber nach langen Partien konnte ich mich nicht konzentrieren und so lese ich das Buch zu Hause zu Ende. Im Moment lese ich ein Buch von Alice Munro, der kanadischen Nobelpreisträgerin. Ich habe ihr erstes Buch gelesen, es gefiel mir und ich habe mir ihr zweites Buch besorgt. Kurzgeschichten.

SS: Was hältst du von Chess 960?

BG: Ich kann nicht erkennen, was mit der jetzigen Ausgangsstellung nicht stimmt. Es wird immer vom Tod des Schachs geredet, aber das tut man schon seit Capablancas Zeiten. Schach hat gezeigt, dass es überleben kann. Chess 960 kann man in Schaukämpfen oder bei ähnlichen Veranstaltungen spielen. Aber im Moment sehe ich keine Notwendigkeit für so drastische Veränderungen. Die jetzige Ausgangsstellung ist extrem harmonisch, aber wenn man sich Chess 960 anschaut, so sind manche Stellungen okay, aber vielen fehlt die Harmonie und in den ersten zehn oder fünfzehn Zügen versucht man, eine normale Stellung aufs Brett zu bekommen. [Lächelt.]

SS: Letzte Frage: Du bist beeindruckend bescheiden. Woher kommt diese Bescheidenheit?

BG: Das liegt an meiner Familie. An meiner Erziehung, an dem, was meine Eltern mir beigebracht habe. Man sollte immer seine Menschlichkeit bewahren und mit beiden Beinen auf der Erde bleiben, und das gefällt mir. Ich will keine Berühmtheit oder ein Superstar sein. Ich genieße es, eine normale Person zu sein. Es ist schön, wenn die Leute schätzen, was man erreicht hat. In Israel kommen viele Leute zu mir und sagen, "du hast das Land stolz gemacht". Das fühlt sich gut an. Aber ich glaube nicht, dass Ruhm das Wichtigste ist.

SS: Boris, danke für das wunderbare Interview. Vielen Dank für deine Zeit und deine interessanten Einsichten.

Boris Abramovich Gelfand: Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle und ein großartiger Botschafter des Schachs!  

Album 61, ein 69-minütiger Dokumentarfilm, der auf dem Leben von Boris Gelfand basiert

Großen Dank gebührt meiner Frau Amruta Mokal,
die geholfen hat, dieses Interview zu transkribieren.


Sagar Shah ist ein junger Internationaler Meister aus Indien. Er ist zugleich ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und würde gerne der erste indische Wirtschaftsprüfer sein, der Großmeister wird. Sagar berichtet leidenschaftlich gerne über Schachturniere, denn so begreift er das Spiel, das er so liebt, besser. Aus Leidenschaft für das Schach betreibt er auch einen eigenen Schachblog.

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