Schnellschach-Schlachtfest endet mit Sieg für Nielsen, Hector und
Klimov
Ein starkes Schnellschach-Turnier in Dänemark erwies sich als kampfbetontes
Schachfest. Mehr als 90% aller Partien wurden entschieden und alle
Teilnehmer taten ihr Bestes, um Spekulationen, Schach wäre ein
remisverdächtiges Spiel, zum Schweigen zu bringen!
Ein wundervoller Blick über den Teich bei der Kirche von Hørsholm
Am Samstag, den 17. Mai 2008, richtete der Schachklub Hørsholm zum zweiten
Mal ein Schnellschach-Turnier aus. Hørsholm ist ein malerisches Städtchen,
das etwa 20 Kilometer nördlich von Kopenhagen liegt und früher die Heimat
der Schriftstellerin Karin Blixen war, die mit ihren Büchern Jenseits von
Afrika und Babettes Fest zu Weltruhm kam. Sponsor des stärksten
Schnellschach-Turniers in Dänemark war erneut das IT-Unternehmen Tectura
Denmark.
Mit dabei waren GM Peter Heine Nielsen, Sekundant von Anand und amtierender
Dänischer Meister, sowie die ehemaligen Dänischen Meister GM Lars Bo Hansen,
GM Carsten Høi und IM Jens Kristiansen. Auch die Schweden GM Jonny Hector
und GM Stellan Brynell gehörten zu den Teilnehmern, genau wie der russische
GM Nikita Vitiugov und der bekannte Trainer und IM Sergey Klimov.
Zu Gast bei der Eröffnungsfeier waren der russische Botschafter Teymuraz
Ramishvili, Vize-Bürgermeisterin Isabella Meyer und Thorbjørn Rosenlund als
Vertreter des Dänischen Schachverbands.
Thorbjørn Rosenlund überreichte dem russischen Botschafter ein Geschenk als
Zeichen des Respekts für die reiche russische Schachkultur und Isabelle
Meyer dankte den Amateuren und Profis aus Dänemark, Schweden, Russland und
Portugal für ihre Teilnahme.
Nach seiner Rede, in der er sich spannende Kämpfe wünschte, führte Teymuraz
Ramishvili den ersten Zug für Peter Heine Nielsen (1. e2-e4) aus, den
Isabella Meyer am Brett von Sergey Klimov nachmachte (ebenfalls 1. e2-e4).
Von links nach rechts: die Sekretärin des russischen Botschafters, Marina
Emelyansteva, Turnierdirektor Anders Bork Hansen, Sponsor und CEO von
Tectura, Morten Poulsen, der russische Botschafter Teymuraz Ramishvili und
Vize-Bürgermeisterin Isabella Meyer
Gespielt wurden sieben Runden nach Schweizer System mit einer Bedenkzeit von
25 Minuten pro Partie ohne Zeitbonus. GM Jonny Hector zeigte sich von Anfang
an von seiner besten Seite und gewann die ersten sechs Partien, wobei er
unter anderem GM Peter Heine Nielsen und GM Nikita Vitiugov schlug.
In der fünften Runde kam es zu einem Mini-Match zwischen Schweden und
Russland,
das 1½-½ für Schweden ausging. Hector gewann gegen Vitiugov, und Brynell
(vorne im Bild mit Schwarz)
spielte Remis gegen Klimov
GM Carsten Høi überlegt an seinem nächsten Zug
Vor der letzten Runde führte Jonny Hector mit 6/6 und lag einen ganzen Punkt
vor Peter Heine Nielsen, Carsten Høi, Nikita Vitiugov und Sergey Klimov.
Doch in der letzten Runde schlug Sergey Klimov Jonny Hector in einer
dramatischen Partie (siehe Express-Kommentar unten).
Sergey Klimov - Jonny Hector [C64]
2008
[Klimov]
Partie mit Brett nachspielen...
Jonny Hector hatte bislang alle seine Partien gewonnen und führte mit 6/6.
Ein paar andere Spieler und ich hatten 5/6. Also musste ich um "Alles oder
Nichts" spielen.
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Lc5 4.c3 f5
Eine Lieblingsvariante von Hector.
5.d4 fxe4 6.dxc5
Eine ziemlich seltene Variante. Gebräuchlicher ist 6.Lxc6 dxc6 7.Sxe5 Dd5.
Hier waren meine Eröffnungskenntnisse praktisch am Ende, ich erinnerte
lediglich vage ein paar Spassky-Partien.
6...exf3 7.Dxf3 Sf6 8.0–0 0–0 9.Sa3 Ziemlich gekünstelt.
9...De7 10.Le3 e4!? Versucht die Stellung des Springers auf a3 auszunutzen,
indem er den Kampf im Zentrum beginnt.
11.De2 Se5 12.Ld4 d6 13.cxd6 cxd6 14.Sc4!? Lg4 15.De3 Sf3+!? Eine mutige
Entscheidung!
16.gxf3 Lxf3 17.Dg5 a6 Die Pointe. Ich muss ein Teil Material zurückgeben.
18.Sb6 axb5 19.Sxa8 h6 20.Dg6 ¹20.Dh4 20...Sh5! Schwarz sollte hier OK sein.
21.Tfe1 Sf4
[21...Txa8 22.Te3 Sf4 23.Dg3 mit gutem Spiel für Schwarz, da er zumindest
eine Qualität zurückgewinnen kann.]
22.Dg3 Sh5 23.Dh3 Es geht nicht anders, ich muss das Remis vermeiden.
23...Dg5+ 23...Tf4!? 24.Kf1 Txa8 24...Lg4!? 25.Txe4 Lxe4 26.De6+ Kh8
27.Dxe4÷
Das materielle Gleichgewicht ist wiederhergestellt und die Frage ist, ob ich
meine Figuren in die Nähe meines exponierten Königs bringen kann. In der
Folge unterliefen meinem Gegner ein paar Fehler und ich konnte die Partie
gewinnen.
27...Tf8 28.Te1 b4 Hector denkt bereits an mögliche Endspiele.
28...Sf4 29.Te3 mit der Idee Tg3 scheint mir gut spielbar zu sein.
29.De7 [29.Dxb7 ist ein ziemlicher "Computerzug"]
29...Df5 Tatsächlich wusste ich nicht, was ich nach 29...Df4!, was den
Bauern d6 schützt, gemacht hätte.
30.Dxd6 bxc3 31.bxc3 Kh7 Dieser Zug stellt den König lediglich schlechter
und gibt mir die Möglichkeit, mich zu konsolidieren.
[31...Dh3+ 32.Ke2 Sf4+ 33.Kd2 Dd3+ 34.Kc1 und Schwarz kann auf e2 kein
Schach geben. Die gleiche Variante funktioniert auch einen Zug vorher. ]
32.De6! Dd3+ 33.Kg1 Tf5
[33...Sf6 hätte den Damentausch vermieden.]
34.De4 Dxe4 35.Txe4± Selbst jetzt ist die Stellung keine Frage der Technik –
sogar in einer Partie mit mehr Bedenkzeit wäre sie das nicht.
35...Ta5 36.Te7 b5 Eine interessante Idee. Schwarz gewinnt Zeit, um Springer
und König zu aktivieren.
37.Tb7 Kg6 38.Kg2 Sf4+ 39.Kf3 Se6 40.Le3 Kf5 41.Td7? 41.h4!? 41...Ke5?
[Übersieht in Zeitnot eine Chance: 41...Txa2 42.Td5+ Kf6 43.Txb5 Ta3!= da
44.c4 Sd4+ für Weiß nicht spielbar ist. ]
42.Td2 Kf5 43.Tb2 Eine sehr solide Turmstellung! Die Idee ist Lb6 mit
Bildung eines Freibauern.
43...Kf6 44.Lb6 44.Ke4 g5
[44...Ta3 45.Txb5 Txc3+ 46.Ke4 Ta3 [Warum nicht 46...Th3?]
47.Tb2 Sg5+ 48.Kd5 Td3+ Eindeutig das falsche Schach.
49.Kc4 Ta3 50.Kb4 Ta8 51.a4 51Sf3 52.a5 Ke6 53.Kb5 Kd5 54.Tb3 Sd4+ 55.Kb4??
Ich sehe meinen eigenen Läufer nicht!!!
55.Lxd4+- ] 55...Sxb3 56.Kxb3 Ke4 [Nach 56...Kc6 hätte er nie verloren.]
57.Kc4 Kf3 58.Kb5 g5 59.a6 g4 60.a7 h5 61.Ka6 h4 62.Kb7 Txa7+ 63.Kxa7 Kg2
Der erste Schritt... [63...g3= ]
64.fxg3 hxg3 65.h4 Kg4 64.Ld8 g3?? ...und der zweite und letzte.
65.fxg3 hxg3 66.h4!!
Manchmal können sie wirklich zwei Züge machen!
66...Kf3 67.h5 g2 68.Lb6 Kg4 69.h6
Hier gab Schwarz auf. Trotz der durch Zeitnot und Anspannung verursachten
Fehler eine aufregende Partie. 1–0
IM Sergey Klimov überlegt, was er nach GM Jonny Hectors 21...Sh5! machen
will.
Die Partie Vitiugov-Brynell endete mit Remis und da Peter Heine Nielsen mit
Schwarz gegen Carsten Høi gewann, teilten sich drei Spieler mit 6/7 den
ersten Preis: GM Peter Heine Nielsen, GM Jonny Hector und IM Sergey Klimov.
Turniersieger mit 6/7 (von links nach rechts): IM Sergey Klimov, GM Peter
Heine Nielsen und GM Jonny Hector, in der Mitte Emma Howes vom Veranstalter
Schlussstand
1 GM Hector, Jonny 2542 6
2 GM Nielsen, Peter Heine 2633 6
3 IM Klimov, Sergey 2484 6
4 GM Vitiugov, Nikita 2617 5.5
5 GM Hansen, Lars Bo 2563 5.5
6 GM Brynell, Stellan 2468 5
7 GM Høi, Carsten 2376 5
8 IM Kristiansen, Jens 2443 5
9 FM Rasmussen, Casper Dahl 2382 5
10 Rhee, Alexander 2103 5
59 Teilnehmer
Text und Fotos: Anders Bork Hansen