Shamkir: Magnus Carlsen gewinnt mit zwei Punkten Vorsprung

von Johannes Fischer
09.04.2019 – Mit 1,5 Punkten Vorsprung vor seinen Verfolgern stand Magnus Carlsen schon vor der neunten und letzten Runde des Vugar Gashimov Memorials in Shamkir als Turniersieger fest. Doch ein schnelles Remis mit Weiß gegen Alexander Grischuk war Carlsen nicht genug. Der Weltmeister zeigte erneut eine souveräne Vorstellung und krönte seinen Turniersieg mit einer phantastisch starken Partie. Damit hat Carlsen die letzten drei Partien in Shamkir gewonnen, kommt auf eine Elo-Performance von 2991 und ist seit 50 Partien ohne Niederlage. Die anderen vier Partien der Runde endeten alle mit Remis. | Fotos: Shamkir Chess 2019

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Shamkir Chess 2019, Runde 9

M. Carlsen 1-0 A. Grischuk

Bei seinen Siegen gegen Anish Giri und Sergey Karjakin in den Runden sieben und acht glänzte Carlsen mit Angriffsschach, gegen Grischuk zeigte Carlsen sein Können in scheinbar einfachen, technischen Stellungen. In der Berliner Verteidigung mit 4.d3 tauschte Carlsen im 13. Zug die Damen, aber konnte Grischuk im weiteren Verlauf der Partie dennoch unter Druck setzen. Im 29. Zug brachte Carlsen ein Bauernopfer, das Grischuk annahm, aber dann fand er bei knapper werdender Zeit keine adäquate Verteidigung gegen die weißen Drohungen. Im 39. Zug, mit nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr, gab Grischuk in Verluststellung auf. In der anschließenden Pressekonferenz fasste Grischuk die Partie noch einmal kurz zusammen: "Carlsen hat die Stellung verblüffend gut gespielt."

 

V. Anand ½-½ V. Topalov

Vishy Anand versuchte gegen Veselin Topalov den Anzugsvorteil zu nutzen, aber in einem Italiener konnte Topalov nach einem kurzen taktischen Scharmützel im Mittelspiel ausgleichen und so hatte Anand wenig später nichts gegen ein Remis durch Zugwiederholung.

 

D. Navara ½-½ T. Radjabov

Auch David Navara spielte in der letzten Runde mit Weiß gegen Teimour Radjabov auf Gewinn, aber obwohl Radjabov die ganze Partie über in der Defensive war, konnte er sich am Ende ins Remis retten. Wieder einmal - Radjabov kam in Shamkir auf neun Remis aus neun Partien.

 

Ding Liren ½-½ A. Giri

Ganz kurz machten es Ding Liren und Anish Giri. Ihre Partie dauerte gerade einmal 15 Minuten, aber in dieser Viertelstunde machten sie 26 Züge und tauschten fast alle Figuren - dann einigten sie sich auf Remis.

 

S. Mamedyarov ½-½ S. Karjakin

Ein schnelles Remis gab es auch in der Partie zwischen Mamedyarov und Karjakin. Das war allerdings keine große Überraschung: Mamedyarov hat bereits als Sekundant von Karjakin gearbeitet, für Mamedyarov lief dieses Jahr in Shamkir wenig zusammen und Karjakin hatte in der Runde zuvor eine bittere Niederlage gegen Carlsen erlitten, nach der er auch keine Chancen auf den Turniersieg mehr hatte. 27 Züge machten Mamedyarov und Karjakin, dann beendeten sie ihr Turnier mit einem Remis.

 

Carlsen ist wieder die klare Nummer eins

Mit seinem überzeugenden Sieg in Shamkir bestätigte Carlsen einmal mehr, dass er der beste Schachspieler der Welt ist. Im November 2018 konnte Carlsen beim WM-Kampf gegen Fabiano Caruana keine der zwölf klassischen Partien des Wettkampfs gewinnen und verteidigte seinen Weltmeistertitel erst durch einen 3-0 Sieg im Schnellschach-Tiebreak. Außerdem war Carlsens Stellung als Nummer eins der Weltrangliste in Gefahr. Im Januar 2010 hatte sich Carlsen als jüngster Spieler aller Zeiten erstmals an die Spitze der Weltrangliste gesetzt und seit Juli 2011 ist der Norweger immer die Nummer eins der Weltrangliste gewesen. Doch im November 2018 war Caruana dem Weltmeister gefährlich nahe gekommen: mit einer Elo-Zahl von 2835 Punkten lag Carlsen im November 2018 nur ganze drei Punkte vor Caruana, der 2832 Elo-Punkte auf die Waage brachte. Eine einzige Partie von Caruana oder Carlsen hätte genügt und Caruana wäre die neue Nummer eins gewesen.

Anfang 2019 gelang Carlsen dann beim Turnier in Wijk aan Zee in den ersten vier Partien kein einziger Sieg und blieb damit in 21 Partien in Folge ohne Sieg – allerdings auch ohne Niederlage. Der Weltmeister schien in einer Krise, der frühere Zauber Carlsens verschwunden zu sein. Und schon während des WM-Kampfes in London gegen Caruana waren Gerüchte aufgetaucht, Carlsen hätte die Lust am Schach verloren und würde überlegen, sich vom Schach zurückzuziehen.

Doch jetzt, drei Monate nach dem Turnier in Wijk, haben sich diese Gerüchte verflüchtigt und die Schachwelt sieht wieder anders aus. Nach seinen vier Remis zum Auftakt gewann Carlsen in Wijk am Ende mit 9 Punkten aus 13 Partien (+5, =8) und holte seinen siebten Turniersieg in Wijk, kein anderer Spieler hat dieses starke Traditionsturnier so oft gewonnen. Und nach Carlsens Turniersieg in Shamkir liegt der Weltmeister in der virtuellen Weltrangliste mit 2860,8 Punkten wieder eindeutig in Führung und hat ganze 44,4 Punkte mehr als Caruana, die Nummer zwei der Welt, der auf 2816,4 Punkte zurückgefallen ist.

Magnus Carlsen während der Partie gegen Alexander Grischuk | Foto: Turnierseite

Die Freude am Schach scheint ebenfalls zurück zu sein. So erklärte Carlsen nach seinen Angriffssiegen gegen Anish Giri in Runde sieben und gegen Sergey Karjakin in Runde acht des Turniers in Shamkir: "Natürlich haben die letzten beiden Partien Spaß gemacht; ich konnte interessantes, dynamisches Angriffsschach spielen. Das ist nicht die Art, in der ich Partien normalerweise gewinne. Die letzten beiden Tagen haben ganz einfach viel Spaß gemacht."

Auch die Serie von 21 Remispartien in Folge hat sich in eine andere Serie verwandelt: wie der norwegische Schachjournalist Tarjei Svensen nachgezählt hat, ist Carlsen nach seinem Sieg gegen Grischuk in der Schlussrunde des Turniers in Shamkir seit 50 Partien ungeschlagen. In Shamkir hat Carlsen eine erstaunliche Performance von 2991 erzielt, laut Svensen Carlsens zehnte 2900+ Performance im Laufe seiner Karriere.

In elf Tagen, am 20. April 2019, beginnt die erste Runde der GRENKE Chess Classic. Auch da ist Carlsen wieder am Start und wird seine Sieges- und Erfolgsserien fortsetzen wollen.

Ergebnisse

Name Land Elo Ergebnis Name Land Elo
David Navara
 
2733 ½ - ½ Teimour Radjabov
 
2756
Ding Liren Ding
 
2809 ½ - ½ Anish Giri
 
2797
Magnus Carlsen
 
2845 1 - 0 Alexander Grischuk
 
2771
Shakhriyar Mamedyarov
 
2793 ½ - ½ Sergey Karjakin
 
2743
Viswanathan Anand
 
2774 ½ - ½ Veselin Topalov
 
2740

Schlussstand nach neun Runden

Rg. Name Land Elo 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Pkt.
1 Magnus Carlsen
 
2845   ½ 1 1 1 ½ ½ 1 ½ 1 7.0
2 Ding Liren
 
2809 ½   ½ ½ 1 ½ 1 0 ½ ½ 5.0
3 Sergey Karjakin
 
2743 0 ½   1 ½ ½ ½ ½ ½ 1 5.0
4 Viswanathan Anand
 
2774 0 ½ 0   ½ ½ ½ ½ 1 1 4.5
5 Alexander Grischuk
 
2771 0 0 ½ ½   ½ 1 1 ½ ½ 4.5
6 Teimour Radjabov
 
2756 ½ ½ ½ ½ ½   ½ ½ ½ ½ 4.5
7 Veselin Topalov
 
2740 ½ 0 ½ ½ 0 ½   ½ 1 ½ 4.0
8 David Navara
 
2733 0 1 ½ ½ 0 ½ ½   ½ ½ 4.0
9 Shakhriyar Mamedyarov
 
2793 ½ ½ ½ 0 ½ ½ 0 ½   ½ 3.5
10 Anish Giri
 
2797 0 ½ 0 0 ½ ½ ½ ½ ½   3.0

Partien

 

Turnierseite


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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