Eine der großen Motivationen hinter Carlsens Erfolg ist neben seinem Ehrgeiz und seinen offensichtlichen Fähigkeiten der Wunsch, immer zu gewinnen. Carlsen spielt auch dann noch eine anscheinend unergiebige Stellung oder ein völlig ausgeglichenes Endspiel weiter, wo andere schon lange Remis gegeben hätten. Das führt zwar nicht immer zum Erfolg, aber doch bemerkenswert oft. Wenn es nicht klappt, ärgert Magnus Carlsen sich. Ganz schlimm ist es, wenn er eine Partie verliert. Das kommt nur sehr selten vor, im Online-Schach oder bei offiziellen Schnellschach- und Blitzmeisterschaften etwas öfter. Mit wenig Zeit auf der Uhr macht auch der weltbeste Spieler mal einen Fehler. Dann ärgert sich der Weltranglistenerste, sonst ein netter, humorvoller Zeitgenosse, ganz besonders. Er kann halt nicht verlieren – so sagt man im Deutschen, und es klingt wie ein Vorwurf: die mangelnde Fähigkeit, Niederlagen einstecken zu können. Aber man kann es ja auch andersherum deuten: Er will unbedingt gewinnen, auf keinen Fall verlieren. Und diese Charaktereigenschaft setzt große Energien frei.
Bei Magnus Carlsen kommt hinzu, dass er ja sehr selten verliert und kaum Gelegenheit hat, mit Niederlagen gelassen umzugehen. Dann rastet er schon mal aus, für einen kurzen Moment. Auf die klassischen Weltmeisterschaften hat Magnus Carlsen bekanntlich verzichtet, aber die Titel des Schnellschachweltmeisters und Blitzweltmeisters will er jedes Jahr aufs Neue gerne gewinnen. Und wenn hier etwas schiefgeht, ärgert er sich als vielfacher Schnellschach- und Blitzweltmeister weltmeisterlich.
Auf dem Weg zur Schnellschachweltmeisterschaft 2026 passierte dem Norweger gegen Vladislav Artemiev ein grobes Malheur. Er verlor nicht nur die Partie, es war auch die Art und Weise, wie er nach einem Versehen unterging, die Carlsen ganz besonders ärgerte. Carlsen verlässt dann zumeist fluchtartig seinen Tisch und stapft nach draußen, um sich zu beruhigen.
Artemiev vs. Carlsen, Schnellschach-WM, 7. Runde
Nach der Partie gegen Artemiev lief noch ein Kameramann des norwegischen Fernsehens neben ihm her und versuchte, Bilder des wütenden Landsmannes einzufangen. So sind sie, die sensationsheischenden Journalisten aus der Boulevard-Ecke. Wenn alles „normal“ ist, interessiert es sie am wenigsten, aber wenn einer am Boden liegt, dann kommen sie und filmen seinen Schmerz. Carlsen war genervt, ließ sich zu einer abwehrenden Handbewegung hinreißen und stieß die Kamera weg.
Carlsen hat sich später für seinen Ausfall bei dem Kameramann entschuldigt und begrüßte ihn am folgenden Tag freundlich.
Nach 13 Runden stand Magnus Carlsen als Schnellschach-Weltmeister 2025 fest, mit einem Punkt Vorsprung vor Artemiev.
Auch bei Blitzturnieren mit Spitzenspielern gibt es viele Patzer und Einsteller. Niemand ist gegen Schachblindheit gefeit. Nicht einmal der Weltbeste. In Runde 9 der Blitzweltmeisterschaft traf Carlsen mit Weiß auf Arjun Erigaisi und hatte nach schlechter Eröffnung eine schwierige Partie. Der mehrfache Blitzweltmeister kämpfte sich heraus und versuchte dann noch zu gewinnen, überschritt aber die Zeit, was ihn zu einer Aggression gegen den Tisch verleitete. Tische sind geduldig.
Carlsen vs Erigaisi, Blitz-WM, 9. Runde
Im folgenden Interview kommentiert der indische Top-Großmeister den Vorgang nachsichtig und nüchtern.
Interview mit Arjun Erigaisi nach der Partie
In der 12. Runde stand Carlsen mit Schwarz gegen Caruana gut, stellte dann aber einen Turm ein. Der Patzer verursachte beim Norweger einen Moment der Verzweiflung über sich selber.
Caruana vs Carlsen, Blitz-WM, 12. Runde
Interview mit Fabiano Caruana nach der Partie