Die FIDE Women’s World Team Championship zeigte am zweiten Turniertag eindrucksvoll, warum Linares als einer der traditionsreichsten und spannendsten Schauplätze des internationalen Schachs gilt. Schon die Eröffnung der Runde spiegelte den besonderen Charakter des Turniers wider: Mit dem traditionellen Gongschlag leitete Mariola Rus Rufino, Generaldirektorin des Departments für Sportwerte und -systeme der Junta de Andalucía, die Begegnungen ein – ein Moment, der auch dem zweiten Turniertag einen feierlichen Auftakt verlieh.

In Pool A setzte das Team FIDE seine Siegesserie souverän fort. Mit deutlichen Siegen gegen Spanien (3,5:0,5) und Aserbaidschan (3:1) schraubte das Team seine Bilanz auf ein beeindruckendes Maximum. Der Gruppensieg ist dem Team praktisch nicht mehr zu nehmen, zumal am letzten Tag das Duell gegen Peru ansteht – ein Team, das bislang alle vier Begegnungen verloren hat.

Das FIDE-Team ist auf Kurs Gruppensieg. | Fotos: FIDE/Raul Martinez, Pavel Dvorkovich
Hinter den klar führenden Favoritinnen wird es jedoch eng. Die USA und Kasachstan liegen punktgleich auf dem zweiten Platz. Ihr direktes Duell in der finalen Runde wird nicht nur über Platz zwei entscheiden, sondern auch über günstige Ausgangsbedingungen für das Viertelfinale.
Am spannendsten gestaltet sich das Rennen um den vierten und letzten Qualifikationsrang: Spanien und Aserbaidschan liegen exakt gleichauf – sogar bei den Brettpunkten. Das direkte Aufeinandertreffen entscheidet daher alles. Sollte es mit 2:2 enden, wird das Sonneborn-Berger-System über das Weiterkommen bestimmen.

Spanien kämpft am dritten Vorrundenspieltag um den vierten Qualifikationsplatz fürs Viertelfinale. | Fotos: FIDE/Raul Martinez, Pavel Dvorkovich
Auch schachlich bot Pool A feine Momente. Besonders sehenswert war der taktische Einschlag, den GM Olga Girya gegen Mónica Calzetta Ruiz auf Brett vier platzierte.

Als beide Spielerinnen in die letzten fünf Minuten gingen, entdeckte Girya eine versteckte taktische Idee und entschied sich für den energischen Vorstoß 26…d4. Calzetta hatte mehrere Möglichkeiten, das Gleichgewicht zu halten – zum Beispiel: 27.cxd4 cxb428.d5!, was halten sollte, oder das ruhigere 27.Nc2 dxc3 28.Rxc3, wo ein Remis das wahrscheinlichste Ergebnis bleibt. Stattdessen entschied sich Calzetta für 27. Sg4?, um die Stellung schnell zu vereinfachen, aber der Zug verliert sofort wegen 27…Sxg4 28. hxg4 und nun folgt der mächtige Schlag 28…dxc3!!. Der Turm auf d7 ist aufgrund der entscheidenden …c2-c1-Umwandlungsidee unantastbar, sodass Weiß gezwungen war, 29.Txc3 zu spielen, woraufhin das einfache 29…cxb4 Girya eine völlig gewonnene Stellung verschaffte. Der Rest war für Schwarz ein Kinderspiel.

Das Comeback der viermaligen Weltmeisterin Hou Yifan war eindrucksvoll. | Fotos: FIDE/Raul Martinez, Pavel Dvorkovich
Noch vor Turnierbeginn war klar, dass der zweite Tag einen besonderen Akzent setzen würde: Die viermalige Weltmeisterin Hou Yifan ging erstmals in diesem Wettbewerb für China ans Brett. Und sie lieferte ein Debüt, das ihrem Ruf mehr als gerecht wurde. Ihre technisch brillante Partie gegen Indiens Spitzenbrett IM Padmini Rout war ein Musterbeispiel präzisen Endspiels.

Ein kritischer Moment entstand, als Rout in knapper Zeit den Verteidigungszug 44…Kg8 ausließ und stattdessen 44…Tg6? spielte. Hou Yifan nutzte die Gelegenheit sofort und schuf mit 45.Tg3! mehrere unmittelbare Drohungen, die dem schwarzen König keine Luft mehr ließen. Nach 46.f4! exf4 47.Sxf4 war der Turm auf g6 praktisch gefangen, und nach einigen weiteren präzisen Zügen verdichtete Hou ihren Vorteil zum entscheidenden Punkt. Der Sieg sicherte China ein wichtiges 2:2-Unentschieden und brachte das Team auf Rang 2 – allerdings mit bereits drei Punkten Rückstand auf die Georgierinnen.

Die Georgierinnen dominieren die B-Gruppe. Fotos: FIDE/Raul Martinez, Pavel Dvorkovich
An der Tabellenspitze ist bereits alles klar: Georgien beeindruckt in Pool B mit vier Siegen aus vier Matches und ist bereits vorzeitig Gruppensieger. Bemerkenswert – die Spielerinnen sind an allen Brettern noch ungeschlagen.
Hinter ihnen kämpfen China, Indien, Usbekistan und die Ukraine um die verbleibenden Plätze. Besonders dramatisch gestaltet sich die Lage für die Ukraine, die nur mit einem hohen Sieg gegen China und einem Sieger im Match Usbekistan gegen Indien weiterkommen kann. Ein 2:2 in diesem Parallelduell würde die Ukrainerinnen definitiv aus dem Rennen werfen. Bereits ausgeschieden ist Frankreich mit bislang nur einem Punkt.
Damit verspricht die letzte Vorrundenrunde viel Spannung im Kampf um den Einzug ins Viertelfinale.
Ausblick
Am dritten Spieltag steht lediglich eine Runde an: Die fünfte Runde ist die letzte der Vorrunde und beginnt am 20. November um 13:30 Uhr. Fans weltweit können die Partien live verfolgen – mit fachkundigem Kommentar von GM Antoaneta Stefanova und GM Ivan Cheparinov.
18. November
13:30 Uhr Runde 1 45’ + 30”
17:30 Uhr Runde 2 45’ + 30”
19. November
13:30 Uhr Runde 3 45’ + 30”
17:30 Uhr Runde 4 45’ + 30”
20. November
13:30 Uhr Runde 5 45’ + 30”
Danach folgen die Play-offs mit den besten acht Mannschaften der Vorrunde. Aus jeder Vorrundengruppe ziehen die vier bestplatzierten Mannschaften in diese K.o.-Phase mit folgenden Terminen ein:
21. November
13:30 Uhr Viertelfinale, Spiel 1 45’ + 30”
17:30 Uhr Viertelfinale, Spiel 2 45’ + 30”
21:30 Uhr Tie-Breaks 3’ + 2”
22. November
13:30 Uhr Halbfinale, Spiel 1 45’ + 30”
17:30 Uhr Halbfinale, Spiel 2 45’ + 30”
21:30 Uhr Tie-Breaks 3’ + 2”
23. November
11:30 Uhr Kleines Finale & Finale, Spiel 1 45’ + 30”
15:30 Uhr Kleines Finale & Finale, Spiel 2 45’ + 30”
19:30 Uhr Tie-Break 3’ + 2”
Abschlusszeremonie