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Er hat es schon wieder getan. Zum zweiten Mal in Folge. Nachdem der Drehbuchautor und Regisseur Scott Frank in seiner letzten Arbeit, der schlicht famosen Westernserie "Godless" (2017), dieses fraglos faszinierende, aber seit jeher arg von Männern dominierte Genre in seltener Rigorosität von Frauen okkupieren ließ, nahm der Kerl sich jetzt prompt eine weitere Enklave männlicher Hegemonie vor. Und das erneut mit sehr überzeugendem Resultat.
Ja, um Schach geht es in - der Name lässt es ja ahnen - "The Queen's Gambit". Scott Franks neuestem Wurf. Oder, um ein wenig im Bild zu bleiben, seinem neuesten kreativen Zug, der, wie schon in "Godless", das Format einer Serie nutzt, um damit eine im Grunde simple aber gleichwohl ungemein reizvolle erzählerische Perspektiven-Rochade zu vollziehen.
Aus dem 19. Jahrhundert und dem wilden Westen geht’s dafür jetzt in die 1960er und quasi in den Schachclub. Wobei: in einem solchem kann und will eine wie Elizabeth "Beth" Harmon eigentlich kein Mitglied sein. Ist sie auch nicht. War sie nie. Wird es nie werden. Nicht nur, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie als Frau ist wie sie ist. Und so erscheint sie dann in diesem arg von Männern dominierten Gemeinschaftsgefüge auch glatt wie der (die) missmutig beäugte und noch herablassender belächelt Fremde im Kleinstadt-Saloon. Natürlich wird Beth den Laden dann schnell gehörig aufmischen, allenthalben zerschossene Egos und gefallene Könige hinterlassen. Nur um danach weiterzuziehen, ruhelos, in all ihrer auch herzzerreißenden Einsamkeit.
Doch, so viel guter alter Outlaw-Romantizismus darf sein. Und er kommt ja nicht von ungefähr. Beth ist eine Außenseiterin. Ihre Intelligenz macht sie dazu. Und diese Prägungen: Der abwesende Vater, der frühe Tod der psychisch kranken Mutter. Das Aufwachsen in einem Waisenhaus. Die kleinen, wunderbar spannungsabbauenden und so schön die Gedanken fokussierenden Tranquilizer, die das Personal dort täglich an die Kinder verteilt und an die sich Beth auf unheilvolle Weise gewöhnen wird. Und dann ist da ja auch noch Mr. Shaibel, der bärbeißige Hausmeister, den das Mädchen eines Tages über diesem seltsamen Brett mit diesen seltsamen Figuren auf eine so weltvergessene Art brüten sieht, die sie sofort in den Bann schlägt.
Mr. Schaibel (gespielt von Bill Camp) bringt Beth das Schachspielen bei. (Bild: Netflix)
Der Erweckungsmoment, in dem Beth ihre Bestimmung widerfährt, in dem sie sich ebenso "entpuppt", wie ihre Geschichte, die sich fortan als zügiges, aber nie hektisch werdendes Zug-für-Zug-Erzählen fortspinnt. Mit Muße für Zeitkolorit und Set-Design und mit bei den Schachduellen klug montierten Split-Screen-Sequenzen, verläuft "The Queen's Gambit" ganz straigt ahead von der "Eröffnung" bis zum "Endspiel" (Titel der Folgen Eins und Sechs). Manchmal mag das in der Dramaturgie etwas konventionell wirken – aber Achtung: Das ist Strategie. Ähnlich der doch so (scheinbar) überraschungsfreien Züge, mit denen hier etwa dieser russische Großmeister Vasily Borgov seine Gegner vernichtet. Aber sicher doch: Auch Beth wird dem Mann gegenüber sitzen.
Es sind die dramatischen Momente, auf die "The Queen's Gambit" hinausläuft, das ganz große Showdown am Schachbrett. Und die Quintessenz dieser Geschichte, die von Emanzipation und Hybris, von Selbstbewusstsein und Selbstverlust erzählt - und davon, in welch starkem Maße Schach sowohl das eine wie das andere befördern kann.
Showdown: Thomas Brodie-Sangster (links) spielt U.S. Champion Benny Watts, der von Beth geschlagen wird. (Bild: Netflix)
Wohlgemerkt: Moralisch postulierend ist das genauso wenig wie didaktisch mahnend. Wozu passt, dass die Serie die Faszination des Schachs zu transportieren vermag, ohne sich in trockenem Reglementeinerlei oder in als Realismus missverstandenem Purismus zu verheddern. Aber keine Angst: selbst Schach-Puristen und Funktionäre haben die Serie schon ausgesprochen lobend goutiert.
(Bild: Netflix)
Nicht zuletzt wohl auch wegen der charismatischen Anya Taylor-Joy in der Rolle der Beth – und wohl auch Dialogen wie diesen: Worüber sie denn da brüte wird Beth einmal in einer Szene gefragt. "Ich spiele meine Partie nach." - "Warum?" - "Ich suche meine Schwächen." - "Und?" -"Gibt keine."