Beim Literaturwettbewerb zur Schach-WM in Brissago sollen Kurzgeschichten
eingereicht werden, in denen bestimmte Worte in einer bestimmten Reihenfolge
vorkommen. Aus einer vorher festgelegten Wortliste ergibt sich durch die
Wettkampfpartien eine Wortreihenfolge dadurch, dass Felder, die mit Worten
verknüpft sind, in einer bestimmten Reihenfolge von Figuren betreten werden. Die
Geschichten selber sollen sich nicht um Schach drehen.
Liste der Partien, Wörter; Links zu den Geschichten:
1. Partie 25. September 2004 Steinitz
Wortreihenfolge: New York, Sanatorium, Moderne Schule, 1,50 m, The Field,
Zentrum, Tolstoi, Romantiker, 1836, Zeitung. Kaffeehaus, Spion, Havanna,
Entwicklungsvorsprung, Telegraph, Realitätsverlust, Jude, Positionsspiel,
Geheimcode, Evans, Wien, London, 1886, 750 Dollar, Café Rebhuhn, Gefängnis,
1894, Kolumne, Champagner, Prag, Zukertort
Popov
Winter in New York. Pjotrec Popov liegt nun schon seit Tagen im Sanatorium. Er
ist vollkommen gesund. Er langweilt sich zu Tode. Aber er muss warten. Moderne
Schule der operativen Geheimdiensttätigkeit hatte Major Cresnak gemurmelt, als
er ihn einschleuste. Kein Mensch vermutet dich hier. Warte auf mein Zeichen. Das
war vor zwei Wochen.
...
(enigma)
Geschichten zur ersten Partie...
2. Partie 26. September 2004 Lasker
Wortreihenfolge:
Thyrow, Berlinchen, Mathematik, Lasker-Schüler,
Faschismus, 1894, Jude, 1941, Menschengeschichte, unvollendbar, New York,
Brettspiele, Ökonomieprinzip, Kampf, Bridge, psychologisch, Defensive,
Philosophie, gesunder Menschenverstand
Dunkle Zeiten
„Thyrow? Was soll denn das heißen?“
„Zeig mal her! T - H - Y... Ach, du heiliges Berlinchen. Da hat unser
elektronisches Wunder in Mathematik wohl ein paar Stromkreise locker. Wer
hat gestern die Relais verdrahtet?“
„Einer der Lasker-Schüler. Du weißt schon: der neue Theoretiker aus
München.“
„Der mit dem Hang zum Faschismus? Na, dann ist ja alles klar. Und wir dürfen
nun die 1894 Schalter kontrollieren. Diese Nazis sind noch blöder als unser
blecherner Freund hier.“
„Nichts gegen den Colossus-3! Der läuft schon recht sauber. Und wenn sie
unseren alten Prof nicht weggejagt hätten, weil er Jude ist, würde das Jahr
1941 nicht nur wegen dieses beschissenen Kriegs in die Menschheitsgeschichte
eingehen. Dann bräuchte schon längst niemand mehr im Kopf zu rechnen. Aber
so...“
„... ist unser Projekt praktisch unvollendbar. Wohin ist der Alte übrigens
geflüchtet?“
„Nach New York. Arbeitet dort an einer Maschine, die Brettspiele
beherrscht.“
...
Chesster
Geschichten zur zweiten Partie...
3. Partie 28. September 2004 Capablanca
Wortreihenfolge: Endspiel, New York, Prinzessin,
Liebling der Götter, Salonlöwe, 1888, Kuba, 1921, 100 Felder, Havanna,
St.Petersburg, Schachmaschine, Chemie, Simultan, Strategie, Wunderkind,
TechnikPruneaus Ende
Das Endspiel der amerikanischen Meisterschaft im Polo in New York wurde
unterbrochen von einem lauten Knall, der sogar die robusten Polo-Pferde
scheu machte. Ursache war die Ermordung von Baron Pruneau durch seine
Gemahlin, Prinzessin Anjuschka, mittels einer ziemlich altertümlichen
Pistole.
Der in der Presse allgemein "Liebling der Götter" genannte Baron Pruneau war
ein berühmter Salonlöwe. 1888 war er als Sohn des französischen Botschafters
in die Vereinigten Staaten gekommen und hatte hier sein Glück gemacht. Er
besaß auch Ländereien auf Kuba, wo ich 1921 das zweifelhafte Vergnügen
hatte, seine Bekanntschaft zu machen: 100 Felder feinsten Tabaks verlor ich
an ihn, in einem Prozess in Havanna vor unzweifelhaft von Pruneau
bestochenen Richtern.
...
(Lillebjörn)
Geschichten zur dritten Partie...
4. Partie 30. September 2004 Aljechin
Wortreihenfolge:
Emigration,
St.-Stanislaw-Orden, Sorbonne, Jura, 1946, Spanien, Lazarett, Moskau, Kater
"Check", Filmschule, „Arisches Schach“, Rotes Kreuz, Schacharbeiter,
Mannheimer Turnier, chinesisches Haftsystem, 21. Partie, Kunst, impotent,
Alkohol, Psyche, nervös, Internierungslager, Estoril, ältere Frauen, 1927,
Todesurteil, Zeitnot
Leute ekeln
Gestern war ich mit Paul beim Italiener.
Plötzlich sagte er:
„Erinnerst du dich an den Typ in der Emigration, der mit dem St.
Stanislav-Orden? Du weißt schon, die Sache mit dem Schlachterbeil ....“
„Oh ja, schrecklich.“
Ein Ehepaar am Nebentisch vergaß zu kauen.
„Und an der Sorbonne, nach dem Jura-Studium, das mit der Studentin ...“, ich
machte eine bedeutungsvolle Pause, „das arme Baby. Sie fanden es erst 1946,
als er schon in Spanien war.“
Ein Mann neben uns ließ seine Gabel sinken.
„Aber“, wandte Paul ein, „überleg mal, was ihm im Lazarett in Moskau
passierte. Kein Wunder, dass er seinen Kater „Check“ ... . Zum Glück war das
Skalpell scharf ...!“
...
(Marija)
Geschichten zur vierten Partie...
5. Partie 2. Oktober 2004 Euwe
Wortreihenfolge:
Wissenschaft,
Theoretiker, Pragmatiker, Urteil und Plan, Genie der Ordnung,
Mittelschullehrer, Kompromiss, Lernfähigkeit, Direktor, Mathematik, 1981,
Lyzeum, elektronische Rechenmaschinen, Systematik, 1901, Strategie und
Taktik, Beharrlichkeit, Holland, 1935, Doktor der Philosophie, 1937, Logik,
Perle von Zandvoort, Watergraafsmeer, Computer, Ingenieur, FIDE Präsident,
Bücher, Amsterdam, Autor, normal.
In der
Wissenschaft gibt es sowohl Theoretiker, wie auch Pragmatiker.
Während erstere bemüht sind die zu Grunde liegenden Strukturen zu
erforschen, bevor sie sich ein Urteil und Plan über ihre weitere Forschung
erlauben, forschen letztere einfach drauf los. Damit dies nicht im Chaos
endet, muss ein Wissenschaftler schon ein Genie der Ordnung sein. Dies ist
ohne eine fundierte Ausbildung nicht zu schaffen. Eine Mischung zwischen
einem Professor und einem Mittelschullehrer wäre ein guter Kompromiss. Mit
ein bisschen Ausdauer und Lernfähigkeit können pragmatisch Veranlagte sogar
Direktor eines Instituts für Mathematik werden.
1981 ließen Wissenschaftler Schüler des Lyzeum in Bern verschiedene Aufgaben
lösen. Dabei werteten zwei elektronische Rechenmaschinen die Ergebnisse nach
einer bestimmten Systematik aus. Insgesamt waren 1901 verschiedene Aufgaben
zu lösen. Einige verlangten Strategie und Taktik, andere ein gewisses Ausmaß
an Beharrlichkeit.
...
(Rasputin)
Geschichten zur fünften Partie...
6. Partie 3. Oktober 2004 Botwinnik
Wortreihenfolge:
Tagesrhythmus,
Computerschach, Leningrad, Elektronikingenieur, Revanche, 1948, Disziplin,
Elektrotechnik, Kondition, 23. Partie, 1995, dreimal, Schachschule,
Kommunist, Rechenmaschine, Vorbereitung, 1963, Autor, Moskau, Kraftwerke,
"Der Weg zum Erfolg", Nikotin - Attacken, Lehrer
Das Gespenst zum Fürchten
Zum Tagesrhythmus des Schülers Norman gehörte Computerschach.Ansonsten
schwärmte er davon, einmal nach St.Petersburg, das alte Leningrad, zu reisen
und Elektroingenieur zu werden.Auch schwebte ihm manche Revanche beim Schach
vor, egal ob der Gegner Jahrgang 1990 oder 1948 sei. Natürlich voller
Disziplin. Kurzum, der Wissensdurst betreffs Elektrotechnik brachte dem
Schüler eine gute Kondition, ebenso wie der im Schach, wo er seine 23.
Partie bereits 1995 gewann. Dreimal wollte er in eine russische Schachschule
überwechseln, die ihm näher lag als dort Kommunist zu werden, ebenso wie ihm
Rechenmaschinen mehr lagen als die Vorbereitung auf Prüfungen.
...
(stock)
Geschichten zur sechsten Partie...
7. Partie 5. Oktober 2004 Smyslow
Wortreihenfolge:
Flugzeugbau,
Klarheit, Studien, Autor, Position, Schallplatten, Klassik, gegenseitiges
Verständnis, universell, Moskau, Improvisator, einfache Lösungen,
Lenin-Orden, rot, 1958, 1957
Da sitze ich nun und soll einen Artikel über Flugzeugbau schreiben. Bloß,
davon habe ich überhaupt keine Ahnung. Ja, ich fliege schon mal, aber doch
nur als Pauschaltourist. Ich steige ein in so ein Flugzeug, wir heben ab,
irgendwann landet es dann wieder unter Klatschen und ich steige aus. Aber
wie so ein Ding gebaut wird, keine Ahnung. Ich fahre also den Rechner hoch.
Um über die Problematik Klarheit zu bekommen, werde ich ins Internet gehen.
Da lassen sich bestimmt Studien finden, die mir das mit dem Artikel
vereinfachen. Mit dem ersten Volltreffer meiner Suchmaschine lande ich dann
bei diesem Autor, der etwas über die ideale Position von Schallplatten
geschrieben hat, also um sie zu lagern.
...
(T.Lagemann)
Geschichten zur siebten Partie...
8. Partie 7. Oktober 2004 Tal
Wortreihenfolge:
Intuition,
Krankheit, Ungeduld, Klavier, 1961, Zigaretten, 12 Stühle, 2 mal 2 gleich 5,
Moskau, Organversagen, Theater, Morphium, Anekdote, unlogisch, 1960, 1992,
Zauberer von Riga, Humor, Koblenz, Sorglosigkeit, 2000 Rubel, Sonnenbrille,
Torwart
Elfriede Jelinek verfügt über eine unglaubliche Intuition. Wenn Schreiben
eine Krankheit ist, dann hat sie diese mit ihrer Ungeduld längst in die
Schranken gewiesen. Eigentlich kann sie ja sehr gut Klavier spielen, und
hätte sich 1961 wohl nicht träumen lassen, dass sie nur wenige Jahre später
als Autorin reüssieren könnte. Ich habe sie nie Zigaretten rauchen sehen.
...
(Squire)
Geschichten zur achten Partie...
Noch nicht gespielt oder ausgewertet:
9. Partie 9. Oktober 2004 Petrosjan
Wortreihenfolge:
Journalist,
zweckmäßig, Krebs, Prawda, Prophylaxe, Armenien, Fußball, der Eiserne,
Filmvorführer, 1969, Tiger, Moskau, Curacao, 1929, Georgien, Tbilisi,
Defensive, Sicherheit
10. Partie 10. Oktober 2004 Spasski
Wortreihenfolge: letzte Partie, äußere Ruhe, Sonnenschirm, Paris,
Vielseitigkeit, Ledersessel, Mathematik, Solingen, freundlich, Boykott, 1937,
Frankreich, Zentralpresse, Tennis, Journalismus, Druck, Wanzen, Ural,
Versagensangst, Leningrad, normal, Tragik
11. Partie 12. Oktober 2004 Fischer
Diese Partie ist freigegeben, die Reihenfolge ist wie folgt
festgeschrieben.
Wortreihenfolge:
1943, 1972,
Chess960, Pasadena, Abschiebehaft, Sveti Stefan, Verfolgungswahn, Technik,
60 denkwürdige Partien, Antisemitismus, Sekte, 6 zu 0, Forderungen,
Feindbild, Japan
12. Partie 14. Oktober 2004 Karpow
Wortreihenfolge:
ökonomische Bedeutung der Freizeit, 1951,
Friedensfonds, Moskau, Dame, Wirtschaftswissenschaften, 1975, linientreu,
Sowjetunion, 1985, Kunstradfahrer, kampflos, Schach-Oscar, Ural, Joghurt,
Sportler des Jahres, Dr. Suchar, Briefmarken, Positionsspieler, Kommission für
auswärtige Angelegenheiten, kränklich, UNICEF-Botschafter
13. Partie 16. Oktober 2004 Kasparow
14. Partie 18. Oktober 2004 Kramnik