Vorschlag für einen Weltmeisterschaftszyklus

von ChessBase
10.11.2020 – Das derzeitige Weltmeisterschaftssystem ist eine Elite-System, glaubt die ACP (Association of Chess Professionals) und schlägt die Einbindung der Open-Turniere in den WM-Zyklus vor - in einem Open Tournament Circuit. Damit würde jeder Schachspieler in den WM-Zyklus eingebunden.

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Das Schach ist im Vergleich zu Tennis weniger gut organisiert. Anders als in der Tenniswelt fehlt beim Schach ein offener, allumfassender Weltmeisterschaftszyklus, der in gleichem Maße die Spitze und auch die Basis der Pyramide umfasst. Im Tennis haben wir die Grand Slam Turniere an der Spitze, aber auch die lokalen Futures-Turniere am unteren Ende der Pyramide. Die Struktur ist klar, leicht verständlich und die Spieler sehen den Weg zur Spitze vor sich. Unnötig zu sagen, dass ein Bottom-to-Top-Zyklus ein Produkt ist, an dem Sponsoren sich gerne beteiligen.

Im Schach haben wir einen gut etablierten oberen Teil der Pyramide. Das Weltmeisterschaftsmatch ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen, das Kandidatenturnier ist das interessanteste Turnier, die Grand-Prix-Turniere, die Weltmeisterschaft und die kontinentalen Meisterschaften bilden alle ein kohärentes Qualifikationssystem.

Das System funktioniert, aber es ist ein elitäres System. Der niedrigste Einstiegspunkt für die Qualifikation im Weltmeisterschaftszyklus sind die Kontinentalmeisterschaften.  Diese sind für die niedriger eingestuften Profis nicht leicht zugänglich, u.a. weil es sich um sehr teure Turniere handelt. Was hier offensichtlich fehlt, ist die Einbindung des unteren Teils der Pyramide.

Die Basis der der Pyramide bilden die zahlreichen offenen Turniere, die Open, die das Brot und Butter der Schachwelt sind. An diesen Turnieren nimmt die überwiegende Mehrheit der Schachspieler teil. Viele Schachspieler fühlen sich jedoch in diesem "Sumpf" der Open gefangen, ohne eine klare Idee zu haben, wie man "nach oben" kommt, wie man sich in das große Ganze integriert und Teil der ganzen Schachfamilie wird. In ihrem gegenwärtigen Zustand ist die Schachwelt ein abgeschiedener Ort, an dem die Elite und der Rest in verschiedenen Welten leben.

Da liegt es nahe, die Open zu einem Teil des Weltmeisterschaftszyklus zu machen.
 
Wir möchten ein Konzept vorschlagen, bei dem die Open Teil eines World Open Circuit sind. Zu diesem Zweck könnte das bereits gut etablierte ACP-Tour-System oder ein ähnliches System als Grundlage dienen, auf dem der Circuit aufgebaut werden kann.
 
Am Ende des Jahres qualifizieren sich die Top 20 des World Open Circuit für die erste Runde der Weltmeisterschaft und haben damit direkten Zugang zum Weltmeisterschaftszyklus. Dies würde sicherstellen, dass das Schachspiel so meritokratisch ist, wie es sein kann und wie es sein sollte.

Die derzeitige FIDE-Führung hat sich als sehr proaktiv erwiesen und die Bereitschaft gezeigt, ihrem Motto gerecht zu werden. Wir sehen dies als eine historische Chance für die FIDE, die Schachwelt zu vereinen.
 
Die durch die Pandemie erzwungene Pause bei den Am-Brett-Aktivitäten ist eine ausgezeichnete Gelegenheit für die FIDE, den Weltmeisterschaftszyklus vorzubereiten und zu reformieren, indem sie die Open mit einbezieht.

Ein allumfassender Weltmeisterschaftszyklus von unten nach oben wird von unschätzbarem Wert sein und die Schachwelt revolutionieren. Wir möchten drei Hauptvorteile hervorheben:

  • Das ganze System wird allumfassend sein und auf Erfolgen basieren, wobei JEDER Schachspieler in der Welt die Perspektive und den Weg aufwärts vom Anfang (den Open) bis zum Ende (das Weltmeisterschaftsmatch) sehen kann.
     
  • Ein vereinigter Zyklus kann als Produkt verkauft werden, genau wie beim Tennis. Die Sponsoren können wählen, ob sie ein einzelnes Open, den World Open Circuit (in diesem Fall würde es Geldpreise für die Erstplatzierten des Circuit geben), den gesamten Zyklus oder etwas dazwischen unterstützen möchten.
     
  • Die Perspektive, Teil der Weltmeisterschaftskette zu sein, wird Spielern, Sponsoren, Organisatoren, Schiedsrichtern und nationalen Verbänden einen Anreiz bieten, sich zu engagieren, denn das Sponsoring, die Organisation und die Teilnahme an den Turnieren, die Teil des großen Zyklus sind, werden eine Ehre für alle Beteiligten sein. Langfristig kann dies durchaus zu einer Blütezeit des Schachspiels führen, auch dank der Popularität der Netflix-Serie "Das Damengambit", in der ein solcher Aufstieg von unten nach oben im Mittelpunkt einer Geschichte steht, die derzeit die ganze Welt begeistert.

Indem die FIDE die Open zum Teil des Weltmeisterschaftszyklus macht, wird sie jedem Schachspieler auf der Welt Hoffnung geben und damit ihre einigende Rolle in der Schachwelt stärken. Jeder Schachspieler wird sich als Teil der großen Schachfamilie fühlen. Schließlich sind wir doch "Gens una sumus", nicht wahr?


 
The ACP Board 

Die Association of Chess Professionals (ACP) ist eine gemeinnützige Organisation, deren Hauptzweck der Schutz der Rechte von Schachprofis und die Praxis und Förderung des Schachspiels weltweit ist, insbesondere durch die Organisation von Schachturnieren und anderen Schachveranstaltungen.

Die ACP fördert das allgemeine Engagement von Schachprofis und interagiert mit nationalen Verbänden, internationalen Unternehmen, Regierungsbehörden sowie anderen gemeinnützigen Organisationen.

Die Mitglieder der ACP sind Experten in allen Aspekten schachbezogener Aktivitäten. Die besten Spieler der Welt und renommierte Journalisten, Turnierorganisatoren und die angesehensten Schiedsrichter und Trainer haben sich der ACP angeschlossen, um die professionelle Schachwelt zu einem besseren Ort zu machen. 

Hier findet man die ACP Broschüre 2015 zum Download...

Aus dem Englischen übersetzt von André Schulz


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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