Was denn, schon 50?

von ChessBase
09.06.2011 – Tatsächlich, nun hat es auch Klaus Bischoff erwischt! Wer dem in Ulm geborenen und in Frankfurt lebenden "Dampfplauderer" beim Kommentieren von Top-Turnieren zuhört, käme wohl nicht auf Idee, dass dieser muntere Alleinunterhalter keine 30 mehr ist. Auch ohne Computerhilfe ist der Großmeister beim Kommentieren immer auf der Höhe der Ereignisse. Kein Wunder: Bei der Jugendweltmeisterschaft 1980 in Dortmund zeigte Bischoff beim 3. Platz - hinter Kasparov und Short - sein großes Talent. Später gehörte er zu der deutschen Mannschaft, die 2001 bei der Schacholympiade in Istanbul die Silbermedaille (kein Druckfehler!) holte und ein Jahr später mit der Bronzemedaille bei der Mannschafts-EM die Leistung bestätigte. Klaus Bischoff ist einer der erfahrenen "Haudegen" der Bundesliga, wo er alleine für Bayern München 15 Jahre lang gespielt hat. Obwohl im Ungang eher gelassen und gemütlich wirkend, erreicht er erst dann seine volle Leistungskraft, wenn er keine Zeit hat. Gleich elfmal gewann er den Titel bei der Deutschen Blitzmeisterschaft. Dagobert Kohlmeyer sprach mit dem Jubilar und erinnert dabei auch an ein sehr berühmtes Damenopfer aus dem Œuvre des Meisters. Zum Interview...

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„Manchmal bin ich ein Kaffehausspieler“
Interview mit Großmeister Klaus Bischoff

Von Dagobert Kohlmeyer

Ein Schachspieler mit vielen Talenten begeht heute seinen 50. Geburtstag. Klaus Bischoff zählt seit vielen Jahren zu den besten und bekanntesten Großmeistern unseres Landes. Er ist ein Urgestein der 1. Schach-Bundesliga, gehörte zum Silber-Team der Schacholympiade 2000 in Istanbul und gewann etwa ein Dutzend Mal die deutsche Meisterschaft im Blitzschach. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Klaus auch ein gefragter Schachkommentator bei bedeutenden Events. Gründe genug für ein Interview mit dem Jubilar.

Herzlichen Glückwunsch, Klaus! Wie wird der heutige Tag begangen?

Ganz unspektakulär zu Hause im kleinen Freundeskreis. Das runde Jubiläum von Ingrid Lauterbach, die drei Tage vor mir Geburtstag hat, haben wir im vorigen Jahr groß gefeiert. Ich habe nicht vor, es in dieser Form zu wiederholen.

Geht es danach gleich in den Urlaub?

Nein, der ist nicht geplant. Wir sitzen aber sicher im Garten und werden den Grill anwerfen. 

Im Juli stehen dann die Dortmunder Schachtage ins Haus. Wie lange kommentierst du beim Sparkassen Chess-Meeting schon die Partien von Kramnik & Co?

Seit 1998 erkläre ich dort für die Zuschauer im Schauspielhaus die Züge der Großmeister. Erst hat dies Helmut Pfleger allein getan, später kam ich dazu. Wir kennen uns sehr gut, haben früher bei Bayern München in einer Mannschaft gespielt. Darum probierten wir es als Kommentatoren-Duo, und die Mischung war ja von Anfang an ganz beliebt. Helmut konnte sehr viele Anekdoten erzählen, und ich war mehr mit dem Schach-Geschehen auf der Bühne beschäftigt.

Nach Helmut Pflegers Abschied wurde Sebastian Siebrecht dein Partner. Wie ist bei euch die Aufgaben-Verteilung?

Natürlich kommentieren wir beide. Aber es ist lustig, wie sich die Rollen verändert haben. Ich ertappe mich manchmal in Dortmund dabei, dass ich irgendeine Geschichte erzähle und mich dann - genau wie Helmut mich früher gefragt hat - bei Sebastian erkundige, was denn jetzt gerade auf den einzelnen Brettern passiert ist.

Inzwischen kommentierst du ja auch im Trainingszentrum der Chess Tigers in Bad Soden über den Fritz-Server Highlights des Weltschachs.

Das begann mit der Weltmeisterschaft zwischen Anand und Topalow 2010 in Sofia. Das Trainingszentrum ist kurz vor dem WM-Finale eröffnet worden, und deshalb war dies die erste Übertragung. Zuletzt übertrugen wir live die WM-Kandidatenkämpfe aus Russland.

Wie fällt dein Resümee zu den Ergebnissen von Kasan aus?

Es war ein Turnier der Überraschungen. Ich meine, dass Boris Gelfand verdient gewonnen hat, weil er für zwei Drittel der entschiedenen Partien sorgte. Besonders seine letzte Final-Partie war sehr gut. Ich hatte von Beginn an viel Vertrauen zu der weißen Stellung. Die Turmmanöver von Grischuk nach a5 und h5 kamen mir gleich sehr gefährlich vor.

Bei den Chess Classic in Mainz hast du auch schon kommentiert. Leider mussten die Organisatoren um Hans-Walter Schmitt in diesem Jahr das Handtuch werfen.

Ich bedaure es sehr, dass dieses Festival nicht mehr stattfindet. Es kann durchaus sein, dass ich dort zu den Rekordhaltern im Open gehöre. Ich glaube, außer dem ersten offenen Turnier und dem letzen, wo ich kommentierte, habe ich in jedem Jahr mitgespielt. Es war dort immer eine großartige Stimmung.

Wie hast du als Junge den Weg zum Schach gefunden?

Es war ein großer Zufall. Bei mir in der Familie spielt niemand Schach. Ich lernte das Spiel vom Zugucken in meiner Heimatstadt Ulm. Dort spielten sie im Park auf einem Großfeldschach. Ich war damals etwa zehn Jahre alt.

Danach musst du aber in gute Hände gekommen sein. Von allein wird man doch kein Großmeister?

Mit elf ging ich in einen Schachklub. Mein erster Verein war Post SV Ulm. Ich gehöre noch zur Generation der Autodidakten und habe mir sehr viel von meinem Schachwissen selbst angeeignet.

Welche Erinnerungen hast du an Dortmund 1980?

Es war eine tolle Jugend-WM. Garri Kasparow wurde Erster, Nigel Short Zweiter und ich geteilter Dritter. Sergiu Samarian war damals mein Sekundant.

In der Schach-Bundesliga zählst du zu den Urgesteinen. Bist du der Spieler mit den meisten Partien?

Das ist gut denkbar. Meine erste Bundesligasaison war 1981-82. Ich habe dann immer gespielt bis auf eine Saison, wo ich die Bundesliga als Live-Kommentator begleitete.

Du warst viele Jahre bei den Bayern und in Solingen. Hast du noch mit Boris Spasski zusammen im Team gespielt?

Nein, als ich in Solingen anfing, war er schon weg. Am längsten spielte ich für Bayern München. Das waren immerhin 15 Jahre.

Was hat sich in der Zeit danach geändert?

Einiges. Nachdem ich von Solingen wegging, wurde es nochmal ganz spannend. Eigentlich war ich es ja gewohnt, mit meinen Vereinen um die Meisterschaft zu spielen, das ging dann in Plauen natürlich nicht mehr. Dort war es immer Abstiegskampf pur. Für mich bedeutete das nochmal einen Schub, weil ich in diesem Verein ein hohes Brett spielen konnte. Hinter Alexander Beljawski, und weil der die halbe Saison nicht da war, durfte ich sehr oft das erste Brett besetzen. Ich erhielt dadurch stärkere Gegner und damit die Chance, mich nochmal zu verbessern und etwas dazu zu lernen.

Zu deinen größten Erfolgen gehört sicher die olympische Silbermedaille von Istanbul?

Das war ein Ereignis, an das man sich sehr gern erinnert. Es war das positivste Erlebnis, ganz klar. Ich habe immer gern für die Nationalmannschaft gespielt. Zweimal gehörte ich auch zu dem DSB-Team, das Bronze bei der Mannschafts-EM holte.

Welches war der spannendste Wettkampf?

Der von 2001 in Leon. Wir haben es irgendwie geschafft, den Schwung von Istanbul noch hinüberzuretten. Hinzu kam noch ein fabelhafter Dusel. In der letzten Runde schlugen wir die Franzosen, was schon mal gut war. Parallel lief das Match England gegen Slowenien. Die Konstellation war so, dass eines von diesen beiden Teams automatisch Bronze gewonnen hätte, es sei denn, die Sache geht 2,5:1,5 für Slowenien aus. In diesem Falle wären wir Dritter geworden. Und genauso ist es gekommen!

Dein individuelles Resultat bei dieser Team-EM konnte sich auch sehen lassen.

Ich erzielte die beste Leistung am vierten Brett und wurde dafür ausgezeichnet. Das war wohl mein stärkster Auftritt in der Nationalmannschaft.

Deine große Domäne ist das Blitzschach. Du bist in dieser Disziplin elfmal deutscher Meister geworden - Chapeau!

Das ist richtig, aber über einen sehr langen Zeitraum. Den ersten Titel gewann ich schon im Jahre 1981.

Was ist das Tolle an dieser Disziplin? Hast du deine Reflexe früh geschult? Zum Beispiel beim Tischtennis?

Ich habe nie Tischtennis in einem Verein gespielt. Was das Blitzschach angeht, so finde ich, dass Spieler, die es gewohnt sind, ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen, im Vorteil sind. Mir gefällt bei meiner Blitzerei ganz gut, dass ich sehr gleichmäßig spiele. Es wirkt nicht übermäßig schnell, wie ich meine Züge mache. Aber wenn ich erst einmal meinen Rhythmus gefunden habe, klappt das recht gut.

Wer sind deine schachlichen Vorbilder?

Ich bin eher ein Konterspieler. Deshalb war ich von Tigran Petrosjan und seiner Prophylaxe immer begeistert. Das Gefühl für Gefahren ist im Schach sehr wichtig.

Wie würdest du deinen Schachstil beschreiben?

Am besten trifft dies wohl der Begriff Positionsspieler. Ich lege großen Wert darauf, dass die Struktur meiner Stellung gesund bleibt. Deshalb mag ich die kontrollierte Offensive.

Warum kommt dir heute nicht mehr in den Sinn, 1.e4 zu ziehen?

Wie jeder anständige Mensch war ich früher im Leben auch ein e4-Spieler. Aber ich ging dann sehr bald dazu über, meine Partien mit 1.c4 zu eröffnen. Es ist ein sehr sicherer Partieanfang.

Gibt es eine eigene Partie, die du besonders gern magst? Ich fand eine sehr schöne von dir gegen Nogueiras aus dem Capablanca-Memorial in Havanna 1998.

Das war keine besonders typische Partie für mich. Aber manchmal agiere ich eben auch wie ein Kaffeehausspieler. In der österreichischen Liga habe ich Rainer Buhmann vor drei Jahren auch einmal im Husarenstil überspielt. (siehe Partien)

Gibt es Freundschaften unter Schachprofis?

Natürlich gibt es die. Aber häufig gehen die Wege auch auseinander, etwa wenn man nicht mehr in einer Mannschaft spielt. Mit Stefan Kindermann bin ich zum Beispiel seit vielen Jahren gut befreundet. Aber inzwischen ist es so, dass wir nur noch sehr selten miteinander telefonieren. Dennoch bleiben wir natürlich Freunde.

 

Bischoff - Nogueiras
Havanna 1998
Englisch A41

1.c4 c6 2.Sf3 d5 3.e3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Dc2 Sbd7 6.b3 Ld6 7.Le2 0–0 8.Lb2 a6 9.d4 e5 10.0–0–0 e4 11.Sd2 Te8 12.g4 Sf8 13.Tdg1 Le6 14.h4 b5 15.c5 Lc7 16.g5 S6d7 17.f3 exf3 18.Sxf3 f5 19.Kb1 b4 20.Sd1 Sg6 21.h5 Se7 22.Ld3 a5 23.Sf2 Sf8 24.Sh3 Db8 25.Se5 a4 26.Sf4 axb3 27.axb3 Lxe5 28.dxe5 Lc8



29.e6 Sxe6 30.Sxe6 Lxe6

31.Lxg7! d4 32.Lxd4 Ta3 33.Lc4 Sd5 34.h6 Sc3+ 35.Lxc3 Lxc4 36.Lb2 Lxb3 37.Dxf5 Da7  

38.Dxh7+!! Dxh7+ 39.g6 La2+ 40.Kc1 1-0


Bischoff  - Buhmann

Österreich 2008
Reti-Eröffnung A11

1.c4 c6 2.Sf3 d5 3.e3 Sf6 4.Sc3 a6 5.h3 e6 6.b3 Sbd7 7.Dc2 Ld6 8.Lb2 De7 9.g4 h6 10.Tg1 b5 11.h4 Sb6 12.g5 hxg5 13.hxg5 Sfd7 14.Se2 Kf8 15.Sed4 Lb7 16.cxd5 cxd5 17.Td1 Kg8 18.Ld3 Tc8 19.Db1 Sc5 20.Ke2 Sxd3 21.Dxd3 Sd7 22.Th1 Txh1 23.Txh1 Sf8 24.Db1 Dd7 25.Dg1 e5 26.Dh2 Sg6

 

27.Sxe5! Lxe5 28.Dh7+ Kf8 29.La3+ Ld6 30.Lxd6+ Dxd6 31.Sf5 Sf4+ 32.Kd1  

1-0

 

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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