„Manchmal bin ich ein Kaffehausspieler“
Interview mit Großmeister Klaus Bischoff
Von Dagobert Kohlmeyer
Ein Schachspieler mit vielen Talenten begeht
heute seinen 50. Geburtstag. Klaus Bischoff zählt seit vielen Jahren zu den
besten und bekanntesten Großmeistern unseres Landes. Er ist ein Urgestein der 1.
Schach-Bundesliga, gehörte zum Silber-Team der Schacholympiade 2000 in Istanbul
und gewann etwa ein Dutzend Mal die deutsche Meisterschaft im Blitzschach. Seit
mehr als einem Jahrzehnt ist Klaus auch ein gefragter Schachkommentator bei
bedeutenden Events. Gründe genug für ein Interview mit dem Jubilar.
Herzlichen Glückwunsch, Klaus! Wie
wird der heutige Tag begangen?
Ganz unspektakulär zu Hause im kleinen
Freundeskreis. Das runde Jubiläum von Ingrid Lauterbach, die drei Tage vor mir
Geburtstag hat, haben wir im vorigen Jahr groß gefeiert. Ich habe nicht vor, es
in dieser Form zu wiederholen.
Geht es danach gleich in den Urlaub?
Nein, der ist nicht geplant. Wir sitzen aber
sicher im Garten und werden den Grill anwerfen.
Im Juli stehen dann die Dortmunder
Schachtage ins Haus. Wie lange kommentierst du beim Sparkassen Chess-Meeting
schon die Partien von Kramnik & Co?
Seit 1998 erkläre ich dort für die Zuschauer
im Schauspielhaus die Züge der Großmeister. Erst hat dies Helmut Pfleger allein
getan, später kam ich dazu. Wir kennen uns sehr gut, haben früher bei Bayern
München in einer Mannschaft gespielt. Darum probierten wir es als
Kommentatoren-Duo, und die Mischung war ja von Anfang an ganz beliebt. Helmut
konnte sehr viele Anekdoten erzählen, und ich war mehr mit dem Schach-Geschehen
auf der Bühne beschäftigt.
Nach Helmut Pflegers Abschied wurde
Sebastian Siebrecht dein Partner. Wie ist bei euch die Aufgaben-Verteilung?
Natürlich kommentieren wir beide. Aber es
ist lustig, wie sich die Rollen verändert haben. Ich ertappe mich manchmal in
Dortmund dabei, dass ich irgendeine Geschichte erzähle und mich dann - genau wie
Helmut mich früher gefragt hat - bei Sebastian erkundige, was denn jetzt gerade
auf den einzelnen Brettern passiert ist.
Inzwischen kommentierst du ja auch im
Trainingszentrum der Chess Tigers in Bad Soden über den Fritz-Server Highlights
des Weltschachs.
Das begann mit der Weltmeisterschaft
zwischen Anand und Topalow 2010 in Sofia. Das Trainingszentrum ist kurz vor dem
WM-Finale eröffnet worden, und deshalb war dies die erste Übertragung. Zuletzt
übertrugen wir live die WM-Kandidatenkämpfe aus Russland.
Wie fällt dein Resümee zu den
Ergebnissen von Kasan aus?
Es war ein Turnier der Überraschungen. Ich
meine, dass Boris Gelfand verdient gewonnen hat, weil er für zwei Drittel der
entschiedenen Partien sorgte. Besonders seine letzte Final-Partie war sehr gut.
Ich hatte von Beginn an viel Vertrauen zu der weißen Stellung. Die Turmmanöver
von Grischuk nach a5 und h5 kamen mir gleich sehr gefährlich vor.
Bei den Chess Classic in Mainz hast du
auch schon kommentiert. Leider mussten die Organisatoren um Hans-Walter Schmitt
in diesem Jahr das Handtuch werfen.
Ich bedaure es sehr, dass dieses Festival
nicht mehr stattfindet. Es kann durchaus sein, dass ich dort zu den
Rekordhaltern im Open gehöre. Ich glaube, außer dem ersten offenen Turnier und
dem letzen, wo ich kommentierte, habe ich in jedem Jahr mitgespielt. Es war dort
immer eine großartige Stimmung.
Wie hast du als Junge den Weg zum
Schach gefunden?
Es war ein großer Zufall. Bei mir in der
Familie spielt niemand Schach. Ich lernte das Spiel vom Zugucken in meiner
Heimatstadt Ulm. Dort spielten sie im Park auf einem Großfeldschach. Ich war
damals etwa zehn Jahre alt.
Danach musst du aber in gute Hände
gekommen sein. Von allein wird man doch kein Großmeister?
Mit elf ging ich in einen Schachklub. Mein
erster Verein war Post SV Ulm. Ich gehöre noch zur Generation der Autodidakten
und habe mir sehr viel von meinem Schachwissen selbst angeeignet.
Welche Erinnerungen hast du an
Dortmund 1980?
Es war eine tolle Jugend-WM. Garri Kasparow
wurde Erster, Nigel Short Zweiter und ich geteilter Dritter. Sergiu Samarian war
damals mein Sekundant.
In der Schach-Bundesliga zählst du zu
den Urgesteinen. Bist du der Spieler mit den meisten Partien?
Das ist gut denkbar. Meine erste
Bundesligasaison war 1981-82. Ich habe dann immer gespielt bis auf eine Saison,
wo ich die Bundesliga als Live-Kommentator begleitete.
Du warst viele Jahre bei den Bayern
und in Solingen. Hast du noch mit Boris Spasski zusammen im Team gespielt?
Nein, als ich in Solingen anfing, war er
schon weg. Am längsten spielte ich für Bayern München. Das waren immerhin 15
Jahre.
Was hat sich in der Zeit danach
geändert?
Einiges. Nachdem ich von Solingen wegging,
wurde es nochmal ganz spannend. Eigentlich war ich es ja gewohnt, mit meinen
Vereinen um die Meisterschaft zu spielen, das ging dann in Plauen natürlich
nicht mehr. Dort war es immer Abstiegskampf pur. Für mich bedeutete das nochmal
einen Schub, weil ich in diesem Verein ein hohes Brett spielen konnte. Hinter
Alexander Beljawski, und weil der die halbe Saison nicht da war, durfte ich sehr
oft das erste Brett besetzen. Ich erhielt dadurch stärkere Gegner und damit die
Chance, mich nochmal zu verbessern und etwas dazu zu lernen.
Zu deinen größten Erfolgen gehört
sicher die olympische Silbermedaille von Istanbul?
Das war ein Ereignis, an das man sich sehr
gern erinnert. Es war das positivste Erlebnis, ganz klar. Ich habe immer gern
für die Nationalmannschaft gespielt. Zweimal gehörte ich auch zu dem DSB-Team,
das Bronze bei der Mannschafts-EM holte.
Welches war der spannendste Wettkampf?
Der von 2001 in Leon. Wir haben es irgendwie
geschafft, den Schwung von Istanbul noch hinüberzuretten. Hinzu kam noch ein
fabelhafter Dusel. In der letzten Runde schlugen wir die Franzosen, was schon
mal gut war. Parallel lief das Match England gegen Slowenien. Die Konstellation
war so, dass eines von diesen beiden Teams automatisch Bronze gewonnen hätte, es
sei denn, die Sache geht 2,5:1,5 für Slowenien aus. In diesem Falle wären wir
Dritter geworden. Und genauso ist es gekommen!
Dein individuelles Resultat bei dieser
Team-EM konnte sich auch sehen lassen.
Ich erzielte die beste Leistung am vierten
Brett und wurde dafür ausgezeichnet. Das war wohl mein stärkster Auftritt in der
Nationalmannschaft.
Deine große Domäne ist das
Blitzschach. Du bist in dieser Disziplin elfmal deutscher Meister geworden -
Chapeau!
Das ist richtig, aber über einen sehr langen
Zeitraum. Den ersten Titel gewann ich schon im Jahre 1981.
Was ist das Tolle an dieser Disziplin?
Hast du deine Reflexe früh geschult? Zum Beispiel beim
Tischtennis?
Ich habe nie Tischtennis in einem Verein
gespielt. Was das Blitzschach angeht, so finde ich, dass Spieler, die es gewohnt
sind, ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen, im Vorteil sind. Mir
gefällt bei meiner Blitzerei ganz gut, dass ich sehr gleichmäßig spiele. Es
wirkt nicht übermäßig schnell, wie ich meine Züge mache. Aber wenn ich erst
einmal meinen Rhythmus gefunden habe, klappt das recht gut.
Wer sind deine schachlichen Vorbilder?
Ich bin eher ein Konterspieler. Deshalb war
ich von Tigran Petrosjan und seiner Prophylaxe immer begeistert. Das Gefühl für
Gefahren ist im Schach sehr wichtig.
Wie würdest du deinen Schachstil
beschreiben?
Am besten trifft dies wohl der Begriff
Positionsspieler. Ich lege großen Wert darauf, dass die Struktur meiner Stellung
gesund bleibt. Deshalb mag ich die kontrollierte Offensive.
Warum kommt dir heute nicht mehr in
den Sinn, 1.e4 zu ziehen?
Wie jeder anständige Mensch war ich früher
im Leben auch ein e4-Spieler. Aber ich ging dann sehr bald dazu über, meine
Partien mit 1.c4 zu eröffnen. Es ist ein sehr sicherer Partieanfang.
Gibt es eine eigene Partie, die du
besonders gern magst? Ich fand eine sehr schöne von dir gegen Nogueiras aus dem
Capablanca-Memorial in Havanna 1998.
Das war keine besonders typische Partie für
mich. Aber manchmal agiere ich eben auch wie ein Kaffeehausspieler. In der
österreichischen Liga habe ich Rainer Buhmann vor drei Jahren auch einmal im
Husarenstil überspielt. (siehe Partien)
Gibt es Freundschaften unter
Schachprofis?
Natürlich gibt es die. Aber häufig gehen die
Wege auch auseinander, etwa wenn man nicht mehr in einer Mannschaft spielt. Mit
Stefan Kindermann bin ich zum Beispiel seit vielen Jahren gut befreundet. Aber
inzwischen ist es so, dass wir nur noch sehr selten miteinander telefonieren.
Dennoch bleiben wir natürlich Freunde.
Bischoff - Nogueiras
Havanna 1998
Englisch A41
1.c4 c6 2.Sf3 d5 3.e3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Dc2 Sbd7 6.b3 Ld6 7.Le2 0–0
8.Lb2 a6 9.d4 e5 10.0–0–0 e4 11.Sd2 Te8 12.g4 Sf8 13.Tdg1 Le6 14.h4 b5 15.c5 Lc7
16.g5 S6d7 17.f3 exf3 18.Sxf3 f5 19.Kb1 b4 20.Sd1 Sg6 21.h5 Se7 22.Ld3 a5 23.Sf2
Sf8 24.Sh3 Db8 25.Se5 a4 26.Sf4 axb3 27.axb3 Lxe5 28.dxe5 Lc8
29.e6 Sxe6 30.Sxe6 Lxe6
31.Lxg7! d4 32.Lxd4 Ta3 33.Lc4 Sd5 34.h6 Sc3+ 35.Lxc3 Lxc4 36.Lb2
Lxb3 37.Dxf5 Da7
38.Dxh7+!! Dxh7+
39.g6 La2+ 40.Kc1 1-0
Bischoff - Buhmann
Österreich 2008
Reti-Eröffnung A11
1.c4 c6 2.Sf3 d5 3.e3 Sf6 4.Sc3 a6 5.h3 e6 6.b3 Sbd7 7.Dc2 Ld6
8.Lb2 De7 9.g4 h6 10.Tg1 b5 11.h4 Sb6 12.g5 hxg5 13.hxg5 Sfd7 14.Se2 Kf8 15.Sed4
Lb7 16.cxd5 cxd5 17.Td1 Kg8 18.Ld3 Tc8 19.Db1 Sc5 20.Ke2 Sxd3 21.Dxd3 Sd7 22.Th1
Txh1 23.Txh1 Sf8 24.Db1 Dd7 25.Dg1 e5 26.Dh2 Sg6
27.Sxe5! Lxe5 28.Dh7+ Kf8 29.La3+ Ld6 30.Lxd6+ Dxd6 31.Sf5 Sf4+
32.Kd1
1-0