Vermutlich werden die meisten Menschen von "Eitorf" noch nie etwas gehört haben und so auch nicht wissen, wo Eitorf zu finden ist. Zugegebenermaßen gehört Eitorf nicht zu den großen Metropolen unseres Landes, doch der Ort blickt auf eine lange Geschichte zurück und hatte und hat zudem prominente Einwohner.
Von Eitorf nach Paris
Die Besiedlungsgeschichte des Siegtals reicht weit in die Frühgeschichte Europas zurück. Wenn man der Geschichtsforschung glauben darf, dann lagen hier im von den Römern unbesetzten Germanien die Siedlungsgebiete des Stammes der Sugambrer. Diese vereinigten sich später mit den Tenkterern und anderen Stämmen zum Stamm der Franken und eroberten nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches im 4. Jahrhundert die Gebiete hinter dem gegenüberliegenden Rheinufer. Die Vorfahren der fränkischen Merowinger-Könige stammten also aus Eitorf, oder jedenfalls aus der Gegend.
Nach der Teilung des fränkischen Reiches wurde das Siegerland dann ein Teil von Lotharingien, dem Mittelteil des nun dreigeteilten Frankenreichs. Im 10. Jahrhundert befand sich Eitorf im Besitz des St. Adelheids-Frauenstiftes von Bonn-Vilich. Später gehörte der Ort den Grafen von Sayn. Über viele Jahrhunderte lagen Eitorf und das Siegerland allerdings abseits der großen Handels- und Verkehrswege. Das änderte sich, als 1850 die Bahnlinie von Köln-Deutz nach Siegen gebaut wurde und die Orte im Siegtal damit verkehrstechnisch erschlossen wurden. Ende des 19. Jahrhunderts war Eitorf dann ein beliebter Kurort. Das alte Eitorf wurde allerdings bei zwei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört. Das Kloster Merten ist eines der Baudenkmäler, die den Krieg überstanden haben.
Viel Schach im Siegerland
Die Gemeinde Eitorf ist jetzt Teil des Rhein-Sieg-Kreises, der ein großes Gebiet mit vielen Gemeinden rechts und links des Rheines um Bonn herum umfasst. Im ganzen Rhein-Sieg-Kreis leben tatsächlich über 600.000 Menschen und der Kreis ist damit einer der größten in Deutschland. Die Kreisstadt ist Siegburg. Bei schachhistorisch belesenen Schachfreunden klingelt es jetzt. Ja, hier in der Nähe fand 1970 eine Schacholympiade statt, die letzte, an der Bobby Fischer teilnahm, die letzte, bevor er Weltmeister wurde. Sie war nicht in Siegburg, aber in Siegen, etwa 70 km entfernt die Sieg hinauf in Richtung der Quelle des Flusses, der beiden Orten den Namen gab. Die meisten der Teilnehmer werden wohl damals per Zug in Köln oder per Flugzeug am Flughafen Köln/Bonn angekommen sein und sind dann mit der Köln-Siegen-Bahn am Siegtal entlang auch durch Eitorf gekommen.
Einer der anderen Gemeinden am Flusslauf der Sieg ist übrigens Betzdorf (10.000 Einwohner), in der Nähe von Siegen. Warum sollte man das kennen? Es ist der Geburtsort von Matthias Deutschmann, der nach der Schule aber zum Studium nach Freiburg ging und dort heimisch wurde.
Es gibt auch berühmte Eitorfer. Hier ist beispielsweise Hannes Löhr (1942-2016) geboren - die älteren Fußballfans erinnern sich. Er lernte wie sein älterer Bruder beim SV 09 Eitorf das Fußballspielen. Über Saarbrücken kam er als "Linksaußen" zum 1. FC Köln und wurde Nationalspieler. Zwischen 1967 und 1971 trat Hannes Löhr 20 mal im Nationaltrikot an und schoss 5 Tore.
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Jetzt ist aber Vlastimil Hort der bedeutendste Einwohner von Eitorf mit Sportgeschichte, wahrscheinlich wissen die das im Ort aber gar nicht. Auch sonst atmet die Gegend hier reichlich Schach. Die nördliche Nachbargemeinde von Eitorf ist Ruppichteroth. Hier wohnt kein Geringerer als Rustam Kasimdzhanov, Großmeister, FIDE-Weltmeister, Trainer und Weltmeister-Sekundant. Kasimdzhanov ist seit einiger Zeit nun ständiger Trainer von Fabiano Caruana. Vor Turnieren schlägt der Vizeweltmeister von 2018 bisweilen in Ruppichteroth seine Zelte auf. Etwas weiter südlich von Eitorf ist man schon im Westerwald und in Altenkirchen. Viermal richtete Altenkirchen, inzwischen ist das jedoch schon 20 Jahre her, die Deutschen Einzelmeisterschaften im Schach aus.
Wer aus dem Westen mit dem Auto nach Eitorf will, erreicht es heute auf dem größten Teil des Weges bequem auf der A 560. Aber Vorsicht. Es kann auf den Landstraßen danach überraschende Straßensperrungen geben und dann muss man sich einen Weg durch die Berge suchen. Serpentinen rauf, Serpentinen runter. Das bequemere Transportmittel ist die besagte Bahn der Köln-Siegen-Linie. Die Bahnstation liegt mitten im Ort und von hier aus erreicht man das Haus von Vlastimil Hort in kurzer Zeit zu Fuß. Gelegentlich kommt Robert Hübner so zu Besuch. Vlastimil Hort und Robert Hübner, der in Köln wohnt, sind seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden.
Deutsch-tschechischer Weltklasse-Großmeister
Vlastimil Hort wurde 1944 in Kladno in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Wie er einmal verriet, stammte einer seiner Vorfahren ursprünglich aus Bayern, aus einem Ort nah der Grenze zu Tschechien. Hort erwies sich bald als großes Schachtalent. 1965 wurde er schon in jungen Jahren zum Großmeister ernannt. Ende der 1960er Jahre gehörte er zu den besten Spielern der Welt und wurde deshalb 1970 zum Wettkampf UdSSR gegen den Rest der Welt eingeladen. Bei den Kandidaten-Wettkämpfen 1977 unterlag Hort sehr unglücklich Boris Spassky, nachdem er bei Gleichstand in der vorletzten Partie in Gewinnstellung die Zeit überschritt. Auf dem Gipfel seiner Karriere, 1977, belegte Vlastimil Hort zusammen mit Mihail Tal und Lev Polugajevsky den 6. Platz in der Weltrangliste.
1979 verließ Vlastimil Hort die Tschechoslowakei und folgte damit dem Beispiel anderer tschechischer Spieler wie Lubomir Kavalek, Ludek Pachmann oder Otto Borik, die in der Folge der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 das Land verlassen hatten. Hort wartete allerdings mit seinem Abschied, bis sein Sohn erwachsen war und bot diesem an, ihn mitzunehmen. Sein Sohn wollte aber in Tschechien bleiben.
Vlastimil Hort ging nach Deutschland und fand hier ein neues, auch schachliches Zuhause. Mit seiner verbindlichen charmanten Art und seinem böhmischen Humor macht Vlastimil Hort sich überall schnell Freunde. Die Verbindungen zu seinen vielen Freunden in Tschechien rissen aber nie ab. Nach der politischen Wende 1990 konnte Hort sie wieder regelmäßig besuchen. Hort spielte viele Jahre in der Bundesliga Mannschaftskämpfe für Porz und wohnte in Köln. Parallel zu seiner Kariere als Turnierspieler erlangte Vlastimil Hort große Bekanntheit als Co-Kommentator von Helmut Pfleger in der WDR-TV-Schachsendung "Schach der Großmeister".
Nach der Heirat mit seiner jetzigen Frau Brigitte, die in Frankfurt für den Campus-Verlag arbeitete, wählte er für den gemeinsamen Hausstand Eitorf aus und kaufte hier ein Haus.
Brigitte und Vlastimil Hort
Eitorf liegt in idyllisch Umgebung, aber verkehrstechnisch nun sehr günstig. Mit der Bahn ist der reisefreudige Großmeister schnell in Köln und von dort kommt man überall hin. Der Flughafen Köln-Bonn liegt in der Nähe und auch der Flughafen Frankfurt ist nicht unerreichbar weit weg. Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Lockdown hat die Bewegungskreise des Großmeisters allerdings stark eingeschränkt.
Schach macht Geschichte(n)
Vlastimil Hort hat im Laufe seiner langen Karriere unzählige Orte auf der ganzen Welt besucht und alle Großen des Schach kennengelernt und gegen die meisten gespielt. Auch zu Bobby Fischer hatte er ein freundschaftliches Verhältnis, bis Fischer dann immer seltsamer wurde. Vlastimil Hort weiß über die meisten großen Spieler der Schachgeschichte etwas zu erzählen. Meistens nur Gutes, in einigen seltenen Fällen aber auch mal nicht.
Seine oftmals augenzwinkernden humorvollen Geschichten und Anekdoten hat Vlastimil Hort hier auf der ChessBase Nachrichtenseite veröffentlicht und vor zwei Jahren hat er auch eine Sammlung mit Erzählungen als Buch heraus gebracht, "Meine Schachgeschichten". Von dem Buch gibt es bereits eine englische Übersetzung, bald wird eine tschechische Ausgabe folgen. Ein zweites Buch ist in Vorbereitung.
Vom ernsthaften Turnierschach hat sich Hort weitgehend zurückgezogen. Er spielte aber noch für seinen Verein in Oberhausen in der 3. Liga, bis die Corona-Pandemie den ganzen Ligabetrieb stoppte. Sehr gerne gab der populäre Großmeister aber noch Simultanvorstellungen und ließ sich als Ehrengast zu Turnieren einladen, wo er an freien Tagen etwas zum besten geben kann. Damit war in den Lockdown-Zeiten aber auch erst mal Schluss. Die pandemischen Einschränkungen haben Vlastimil Hort schwer getroffen. Das Reisen und die Begegnung mit Menschen gehört zu seinen liebsten Beschäftigungen.
Die größte sportliche Herausforderung bedeutet für Vlastimil Hort nun eine private Blitzschachgruppe. Zur 50-Jahr-Feier des Godesberger Schachklubs, das war 1979, war Vlastimil Hort als Ehrengast eingeladen und gab ein Simultan gegen wirklich viele Vereinsmitglieder, insgesamt um die 40 Spieler an der Zahl. Godesberg hatte eine Reihe von starke Amateurspielern, von denen einige beim Simultan nebeneinander in einer Ecke der Runde saßen. Diese brachten den Weltklassegroßmeister bei seinem Rundgang ordentlich ins Schwitzen und drosselten sein Tempo, weil er hier immer länger nachdenken musste. Zu diesen Spielern gehörten damals auch Gottfried Schumacher und Ferdi Roski. In späteren Jahren sponserte Bodo Schmidt in Godesberg eine junge Zweitliga-Mannschaft. Jetzt, über 40 Jahre später, trifft sich diese Runde regelmäßig zum Blitzschach in Porz. Bodo Schmidts Bruder Rüdiger, Slobodan Bzidrevic und Friedhelm Mandt gehören auch noch dazu. Ja, Schach verbindet, ein Leben lang.
"Leidär, ich bin jetzt zu langsam gäwordän. Und dieser Fäärdi, unglaublich, äär wird immer bäässär."
Wo bewahrt nun dieser Vlastimil Hort alle seine Geschichten auf? Gibt es da vielleicht eine geheime Schatztruhe? Die Inspektion seines Heimes in Eitorf ergab keine Anhaltspunkte. Im Keller, wo man eine solche Schatzkiste vielleicht vermuten könnte, befindet sich zwar eines von Vlastimil Horts Arbeitszimmern, aber keine Kiste mit Anekdoten. Stattdessen enthält der Raum eine Reihe von Erinnerungsstücken.
Schachfiguren
Handbemaltes Porzellan mit Karikaturen von Ottokar Maschek
Schachfiguren
Vlastimils Hort, inzwischen 77 Jahre alt, bewahrt seine Erinnerungen in seinem Kopf auf. Bevor sie gedruckt erscheinen können, erleben die Anekdoten eine nicht ganz unkomplizierte Entstehungsgeschichte. Hort schreibt sie handschriftlich auf Papier auf und während die Tinte vom Füller auf das Papier fließt, verwandelt sich die auf Tschechisch abgespeicherte Geschichte in eine Anekdote in deutscher Sprache.
Vlastimil Hort an seinem Schreibtisch
Manchmal schickt Vlastimil Hort diese Rohfassung auf Papier nach Hamburg.
"Ich habää ääs in meinärr schönsten Schrift geschriebään, glaubää mir," kündigt Vlastimil Hort solche Sendungen an. Mag sein. Vieles kann auch entziffert werden. In den meisten Fällen überträgt aber zum Glück Brigitte Hort die Geschichte in eine digitale Form und verleiht der Anekdote dabei noch zusätzlichen sprachlichen Glanz. Nur hat sie nicht so immer so viel Zeit wie Vlastimil Hort Geschichten hat.
Brigitte Hort
Im Haus von Brigitte und Vlastimil Hort gibt es drei weitere Bewohner. Es handelt sich um drei Kater, die auf die Namen Mikesch, Arlecchino und Jonny hören oder auch nicht hören. Jonny ist zugelaufen, nachdem er gesehen hat, wie gut es die anderen beiden hier haben.
Brigitte Hort mit schwarzem Kater
Eine Reihe von Vlastimil Horts Erinnerungen sind auch auf DVDs verewigt. Zusammen mit Helmut Pfleger hat Vlastimil Hort vor einigen Jahren eine DVD mit Glanzpartien der Schachgeschichte vorgestellt. Dann folgte eine DVD mit Partien von Valstimil Hort gegen die Weltmeister. Vlastimil Hort hat gegen viele Weltmeister gespielt, kannte sie natürlich persönlich und war mit einigen, darunter Bobby Fischer, auch befreundet. Jede Partie ist in eine oder mehreren Geschichten eingebettet.
Ganz frisch ist nun eine DVD mit Partien gegen die sowjetische Schachelite erschienen, Spieler, von denen einige auch das Zeug zum Weltmeister hatten, es aber nicht schafften. Keres oder Bronstein zum Beispiel. Wer also mal Vlastimil Hort (fast) live erleben und dabei noch etwas über die Schachgeschichte erfahren will, hat hier Gelegenheit. Oder er setzt sich in Eitorf an den Bahnhof. Hier wird der Schachgroßmeister doch hoffentlich bald wieder einmal vorbei kommen.
Meine Partien gegen die UdSSR-Schachlegenden
Vlastimil Hort hatte als Weltklassespieler Gelegenheit, gegen viele dieser sowjetischen Ausnahmespieler anzutreten und stellt auf dieser DVD Partien und Geschichten der Spieler der goldenen sowjetischen Generation vor.
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Spaß beim Schach, Amateur trifft Meister
Zum Abschluss des Besuchs zauberte Vlastimil Hort noch drei Studien aus dem Ärmel:
"Ääs sind meinää Lieblingsstudiään. Zeig sie deinään Lääsärn."
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