Zum 100sten Geburtstag von Edith Keller-Herrmann

von André Schulz
17.11.2021 – Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Dresdnerin Edith Keller-Herrmann lange die beste Spielerin der DDR und gehörte eine Zeitlang zur erweiterten Weltspitze und gewann bei den Schacholympiaden mehrere Mannschafts-und Individualmedaillen. Heute jährt sich ihr Geburtstag zum 100sten Mal. | Foto: Edith Keller-Herrmann, Paul-Werner Wagner, Lothar Schmid (Deutscher Schachbund)

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Heute jährt sich Edith Keller-Herrmanns Geburtstag zum 100sten Mal. Sie wurde am am 17. November 1921 in Dresden geboren. Ihr älterer Bruder Rudolf hatte mit zwölf Jahren Schach von seinem Vater gelernt und wurde ein sehr guter Spieler. 1935 gewann Rudolf Keller die Meisterschaft von Dresden und 1938 war er Sächsischer Meister. 

Als der Großdeutsche Schachbund vom 7. bis 14. Juni 1936 in Dresden ein Vorbereitungsturnier für die kommenden Schacholympiade in München organisierte, war die 15-jährige Edith Keller eine der Besucherinnen. Bei dem Turnier trafen die deutschen Spieler Friedrich Sämisch, Ludwig Engels, Ludwig Rödl Karl Helling und Efim Bogoljubow, seit 1929 deutscher Staatsbürger, auf die europäischen Meister Alexander Aljechin, Paul Keres, Henri Grob, Geza Maroczy und Gideon Stahlberg. Edith Keller war ganz besonders vom Spiel und der Ausstrahlung des Turniersiegers Alexander Aljechin beeindruckt. Aljechin hatte ein Jahr zuvor seinen Weltmeistertitel an Euwe verloren und sollte ihn ein Jahr später zurückgewinnen. 

Edith Keller begann nun selber sich intensiv mit dem Schach zu beschäftigen und erwies sich als sehr talentiert. Im August 1939 wurde sie zur "Jugendschachwoche" in Fürstenwalde bei Berlin eingeladen, wo die inzwischen 17-Jährige mit anderen deutschen Schachtalenten zusammentraf, darunter Klaus Junge (15 Jahre alt) Wolfgang Unzicker (14 Jahre), Rudolf Kunath (15) und Karl Krbavic (17). 

Der Beginn des Zweiten Weltkrieges verhinderte nicht alle ihre Schachaktivitäten. Aus dem Jahr 1943 ist ein Turnier in Bad Krynica bekannt, bei dem sie als einzige Frau im Zehnerfeld den 7.Platz belegte. Josef Lokvenc aus Österreich gewann. Efim Bogoljubow wurde geteilter Zweiter. Edith Kellers Bruder Rudolf war einer der Teilnehmer des Turniers, das der Nazi-Bonze und Schachliebhaber Hans Frank in Krakau organisiert hatte. Rudolf Keller teilte dort hinter Aljechin, Junge und Bogoljubow mit Sämisch den vierten Platz. 1950 erhielt Rudolf Keller von der FIDE den Titel Internationaler Meister.

Nach der Teilung des Deutschen Reiches in erst vier Besatzungzonen, dann in zwei Staaten lebte Edith Keller ab 1949 in der Deutschen Demokratischen Republik und konnte hier ihre Schachkarriere fortsetzten. Noch vor der Gründung der DDR nahm Edith Keller 1946 als einzige Frau an der Meisterschaft der Sowjetischen Besatzungszone teil und belegte dort den geteilten 5. bis 7. Platz bei 12 Teilnehmern, übrigens mit einem Punkt mehr als ihr Bruder Rudolf.

Die Überlieferung von Ergebnissen und Partien aus den ersten Jahren nach dem Krieg ist lückenhaft, aber von den Dresdner Stadtmeisterschaft ist ein Sieg von Edith Keller-Herrmann über den sieben Jahre jüngeren und späteren Großmeister Lothar Schmid überliefert.

 

Schmid zog aber noch im gleichen Jahr mit seinem Karl-May-Verlag nach Bamberg um.

In den ersten Jahren nach dem Krieg und auch nach der Gründung der zwei deutschen Staaten BRD und DDR gab es noch gemeinsame Sportveranstaltungen und sogar gemeinsame Meisterschaften. 1948 nahm Edith Keller wieder als einzige Frau an einem Turnier in Duisburg teil und wurde Achte bei zwölf Teilnehmern. Bei den gemeinsamen Deutschen Frauenmeisterschaften 1949 in München wurde sie hinter Elfriede Rinder Zweite.

Als offensichtlich sehr starke Spielerin wurde Edith Keller-Herrmann dann zur ersten Frauenweltmeisterschaft nach dem Krieg, zum Jahreswechsel 1949/50, nach Moskau eingeladen, obwohl sich einige der russischen Funktionäre bei der FIDE gegen die Einladung einer deutschen Spielerin ausgesprochen hatten. Edith Keller rechtfertigte die Einladung mit einem geteilten 5. bis 7. Platz, zusammen mit Eileen Tranmer und Chantal Chaude de Silans. Die ersten vier Plätze belegten sowjetische Spielerinnen, allerdings nur mit knappem Vorsprung. Liudmilla Rudenko wurde die erste Weltmeisterin nach Vera Menchik.

1951 spielte Edith Keller ein internationales Turnier Dortmund mit, wurde bei 12 Teilnehmern zwar nur Vorletzte, besiegte aber Nicolas Rossolimo und Efim Bogoljubow. 1951 heiratete sie den Arzt Ludwig Herrmann und nahm nun den Namen Keller-Herrmann an. Auch Ludwig Herrmann war ein starker Schachspieler und spielte zeitweise in der DDR-Nationalmannschaft.

Zu Edith Keller-Herrmanns Erfolgen gehören unter anderem fünf gesamtdeutsche Frauenmeistertitel und fünf Frauenmeistertitel der DDR. Viermal spielte sie für die DDR bei Frauenschacholympiaden mit, 1957 in Emmen, 1963 in Split und 1966 in Oberhausen jeweils am 1. Brett, 1969 in Lublin am 2. Brett. In Emmen, Split und Oberhausen gewann das DDR-Team jeweils die Bronzemedaille. In Emmen erzielte Edith Keller-Herrmann zudem eine individuelle Silbermedaille und in Split eine Bronzemedaille für ihre Leistung an Brett eins (10,5 aus 14 bzw. 11,5 aus 14).

1969 zog sich Edith Keller-Herrmann vom Turnierschach zurück und nahm viele Jahre später nur noch einmal an einem Turnier teil. 1978 verlieh die FIDE ihr den Titel einer Großmeisterin (WGM). Die Emanuel-Lasker-Gesellschaft nahm sie 2001 bei ihrem Gründungsakt in Potsdam als Ehrenmitglied auf.

v.li.: Prof. Holländer, Susanne Poldauf, Paul Werner-Wagner, Edith Keller-Herrmann

Edith Keller starb am 12. Mai 2010 in Ingolstadt. 

Beitrag zum 10. Todestag...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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