Zum 110ten Geburtstag von Erich Eliskases

von André Schulz
15.02.2023 – Der Name von Erich Eliskases ist heute nur noch wenigen Schachfreunden geläufig. Der Österreicher war jedoch in den späten 1930er Jahren einer der besten Schachspieler der Welt. 1941 hätte er mit Alexander Aljechin um die Weltmeisterschaft spielen sollen. Doch es kam anders. Heute jährt sich der Geburtstag von Erich Eliskases, in Innsbruck geboren, in Cordoba gestorben, zum 110ten Mal.

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Zum 110ten Geburtstag von Erich Eliskases 

Der Name von Erich Eliskases ist heute im Bewusstsein der Schachfreunde hierzulande in den Hintergrund geraten, was wohl daran liegen mag, dass er einer der vielen europäischen Schachspieler war, die bei Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 als Teilnehmer der Schacholympiade in Buenos Aires nicht mehr nach Europa zurückkehrten. Tatsächlich war Eliskases aber in den 1930er Jahren einer der besten Schachspieler der Welt, und eigentlich sollte er 1941 um die Weltmeisterschaft spielen.

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Erich Eliskases war Österreicher, am 15. Februar 1913 in Innsbruck als Sohn eines Schneidermeisters geboren. Die Eltern stammten aus Bruneck, Südtirol, das nach dem Ersten Weltkrieg Italien zugesprochen wurde. Der Eliskases ist räteromanischen Ursprungs. 

Eliskases lernte das Schachspiel erst mit zwölf Jahren, durch einen Zufall:

"Im Herbst 1925 sah ich in einem Schaufenster eine Broschüre mit dem Titel "Das Schachsptel"; da ich etwas über dieses "schwierigste" Spiel gehört hatte, entschloss ich mich, die Broschüre zu kaufen. Von Anfang an interessierte ich mich so sehr für das Spiel, dass ich alle meine anderen Lieblingsbeschäftigungen mehr oder weniger fallen ließ, ich lernte ein Jahr lang allein, ohne andere Gegner als meinen Bruder und einen Schulkameraden zu haben, den ich ohne Schwierigkeiten besiegte." (Chess Life  v2 N1/2 Jan/Feb 1934 S. 8-9)

In Carl Peter Wagner, einem Fotografen, bekam er einen spielstarken Mentor. Wagner war in den 1920er Jahren einer der besten Spieler von Innsbruck und hatte 1926 die Innsbrucker Schachgesellschaft gegründet. Eliskases traf sich nun jeden Nachmittag ab fünf Uhr zum Schach mit einem Schachfreund der Innsbrucker SG im Café Marx. Bald besuchte er aber auch die Klubabende des Innsbrucker SC im Café Weiß und diejenigen des Schachclubs Schlechter im Café Clenk und machte dabei rasante Fortschritte in seiner Spielstärke. Eliskases wurde als 15-Jähriger Meister von Tirol und mit 16 Jahren Landesmeister von Österreich. Er wurde als 17-Jähriger erstmals in die österreichische Nationalmannschaft berufen und spielte als jüngster Spieler des Turniers am dritten Brett bei der Schacholympiade 1930 in Hamburg (11 aus 15, Österreich wurde Vierter).


 

 

 

Nach dem Abitur 1931 studierte Eliskases ein Jahr Ökonomie in Wien, entschloss sich dann aber Schachprofi zu werden und brach das Studium ab. In Wien war er dem SC Hietzing beigetreten, wo er sich mit Ernst Grünfeld Wettkämpfe um die Rolle als bester Spieler des Klubs und dann auch Österreichs lieferte. Nachdem Eliskases in den folgenden Jahren auch Rudolf Spielmann in mehreren Wettkämpfen besiegt hatte, war die Rangfolge im österreichischen Schach klar. Mit dem Gewinn eines großen Turnieres galt man auch als Schach-Großmeister, wobei der Titel aber noch nicht offiziell war.

 

 

 

Neben seinen Turnieren verdiente Eliskases später Geld als Redakteur der Wiener Schachzeitung, wobei die Arbeit als Redakteur seinem Fortkommen als Spieler nicht unbedingt von Nutzen waren. Seine Analysen und Anmerkungen in der Wiener Schachzeitung wurden auch von den besten Spielern sehr geschätzt. 1935 war Eliskases der Trainingspartner von Max Euwe für den WM-Kampf gegen Aljechin. 1937 lud Alexander Aljechin seinerseits den Österreicher für die Vorbereitung zum Revanchekampf gegen Euwe als Trainingspartner ein. Eliskases Honorar bestand dann aber nur aus einer goldenen Zigarettendose.

Aljechin und Eliskases
 

 

 

In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre verzeichnete Eliskases eine Reihe von Turniererfolgen. Er gewann in Zürich und Swinemünde 1936, außerdem in Noordwijk 1938 (vor Paul Keres und Max Euwe), in Mailand 1939, in Bad Harzburg 1939 und n Bad Elster vor Josef Lokvenc. 

 

Eliskases und Euwe
 

 

 

 

 

Bei der Schacholympiade 1931 (Prag) fehlte Eliskases wegen seines Abiturs. 1933 (Folkstone) und 1935 (Warschau) war er wieder dabei und spielte noch hinter Grünfeld bzw. Grünfeld und und Spielmann. Bei der nicht offiziell anerkannten Schacholympiade 1936 in München vertrat Eliskases Österreich am ersten Brett.

Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 beteiligte sich Eliskases an den Großdeutschen Meisterschaften 1938 und 1939 und gewann beide Wettbewerbe. In dieser Zeit gehörte Eliskases mit seinen Erfolgen zur Weltspitze im Schach. Der Statistiker Jeff Sonas sieht Eliskases in den Jahren 1938 bis 1941 als Nummer Neun in seiner nachträglich errechneten inoffiziellen Weltrangliste.

Nachdem Eliskases 1939 einen Wettkampf gegen Efim Bogljubow gewonnen hatte (11,5-8,5,  +6 =11 −3), betrachtete Weltmeister Alexander Aljechin den Innsbrucker als würdigen und möglichen Herausforderer in einem Kampf um die Weltmeisterschaft. Dieser, für 1941 geplant, kam aber nicht zustande, weil Eliskases zu dieser Zeit schon nicht mehr im Deutschen Reich war.

Als bester Spieler Großdeutschlands war Eliskases am ersten Brett der Großdeutschen Nationalmannschaft für die Schacholympiade 1939 in Buenos Aires aufgestellt.


Die deutsche Mannschaft mit Friedl Rinder, die bei der Frauen-WM mitspielte

Während des Turniers begann mit dem Überfall des Deutschen Reiches auf Polen der Zweite Weltkrieg. Die Schacholympiade wurde unter schwierigen Bedingungen zu Ende gebracht. Die Großdeutsche Mannschaft gewann die Goldmedaille. Viele europäische Spieler kehrten nun aber nicht mehr in das vom Krieg heimgesuchte Europa zurück. Auch die komplette Großdeutsche Mannschaft mit Erich Eliskases, Ludwig Engels, Paul Michel, Albert Becker und Heinrich Reinhardt blieb in Südamerika. 

Mit den vielen eingewanderten Schachspielern, darunter Miguel Najdorf, wurde die argentinische Mannschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu einer der besten der Welt. Erich Eliskases nahm noch viermal für Argentinien an Schacholympiaden teil, bei seiner letzten Teilnahme 1964 sogar am ersten Brett.

Eliskases hatte die argentinische Staatsbürgerschaft angenommen und war 1951 in Cordoba heimisch geworden. 1954 heiratete er dort Maria Esther Almedo, mit er einen Sohn hatte, Carlos Enrico (geb. 1957). Er gab Unterricht an einer Offiziersschule in Cordoba. Zu seinen Schülern dort gehörte auch der junge Henrique Mecking.

Auch in Südamerika gewann Eliskases noch einige stark besetzte Turniere, darunter das Turnier in Mar del Plata 1948.
 

 


Zwei Jahre später war Eliskases einer der Teilnehmer beim Interzonenturnier in Stockholm-Saltsjöbaden, wurde Zehnter, womit er einen Platz im Kandidatenturnier um zwei Plätze verpasste. Die FIDE verlieh Eliskases 1950 den Titel eines Internationalen Meisters, 1952, den des Großmeisters. 1955 belegte er bei den Argentinischen Landesmeisterschaften den dritten Platz hinter Najdorf und Rosetto.

Bisweilen traf Eliskases auf seine Kollegen aus der Großdeutschen Nationalmannschaft, wie hier auf Ludwig Engels, der nach Brasilien gegangen war.


 

 


Eliskases nahm inzwischen aber immer weniger an Turnieren außerhalb von Südamerika teil und verlor allmählich auch den Anschluss an die Weltspitze. Sein letzter großer Erfolg in Europa war der zweite Platz beim Hoogovens-Turnier 1959, damals noch in Beverwijk, hinter Olafsson, vor Donner, O'Kelly de Galway und Larsen.

 

Eliskases letzte überlieferte Partie in der Mega Database datiert aus dem Jahr 1976, wo er noch beim Arco Open mitspielte.

Tim Hagemann hatte persönlichen Briefkontakt mit Erich Eliskases und kurz vor seinem Tod hat Eliskases ihm 1996 das Manuskript seines Lehrbuches "Stellungsspiel", mit eigenen Partien, zugeschickt. Das Buch war 1943 in Rio de Janeiro in portugiesischer Sprache erschienen. Eliskases hatte es auch in deutscher Sprache dem de Gruyter-Verlag angeboten, doch dort wurde es nicht angenommen. Erich Eliskases überließ es Tim Hagemann damit zu machen, was immer er wolle. 

Tim Hagemann ließ das Manuskript 2000 im ungarischen Caissa Verlag, Kecskemet, veröffentlichen:

""Stellungsspiel", das Werk eines Weltmeister­schaftsaspiranten, ist ein vergessenes Juwel der Schachliteratur. Das Manuskript wurde 1941 abgeschlossen, doch konnte damals nur eine portugiesische, dem brasilianischen Markt -Eliskases lebte seit 1939 in Südamerika - auch inhaltlich angepasste Version erscheinen. Ein halbes Jahr vor seinem Tod machte mir Eliskases das alte Originalmanuskript zum Ge­schenk, und es stand für mich sogleich fest, dass es auch nach so langer Zeit veröffentlicht werden müßte. Wenn auch inzwischen einige wertvolle Abhandlungen zum Thema vorlie­gen, so hat ihnen doch "Stellungsspiel" die Gü­te und Würde eines Klassikers der Schachlite­ratur voraus. Kein Geringerer als Lasker rühm­te bei anderer Gelegenheit, Eliskases mache die besten Anmerkungen. Das Stellungs- oder, wie wir heute sagen, Positionsspiel war sein Le­bensthema. In seinen letzten Lebensmonaten ist Eliskases trotz zunehmender körperlicher Schwäche sein Buch noch einmal durchgegan­gen, wobei der Großmeister einerseits inzwi­schen veraltete Eröffnungsabschnitte strich und andererseits ohnedies gründliche Endspielana­lysen gar noch verfeinerte."
 

In ihrem Buch "Vergessene Meister: ein Lehr- und Lesebuch mit den besten Partien von Leonhardt, Rotlewi, Sultan Khan, Petrow und Eliskases. (Schachverlag Kania, Eberdingen 2018) widmeten die Autoren Frank Zeller und Tim Hagemann Erich Eliskases eines der Kapitel.

Erich Eliskases starb am 2. Februar 1997 in Cordoba.

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.