Das Sternzeichen der aktuellen Wochen ist der Stier
Die typische Marschrichtung eines typischen Stiers ist – geradeaus. Der spanische Stierkampf könnte mit keinem anderen Tier funktionieren. Obwohl ein Kampfstier bewusst gezüchtet wird auf Feinnervigkeit, Angriffslust und Aggression, bleibt seine Strategie im Prinzip die gleiche: geradeaus. Das macht ihn bis zu einem gewissen Grad berechenbar für den Torero.
Das könnte auch einen im Stier Geborenen berechenbar machen für den Gegner am Brett. Nun ist Schach kein Stierkampf, die Möglichkeiten sind schließlich mannigfaltig und es geht auch nicht direkt um Leben und Tod. Und doch ließe sich eventuell, aufs Ganze betrachtet, eine erstaunliche Gradlinigkeit im Spiel eines Schachspielers beobachten, der zwischen dem 20. April und dem 20. Mai geboren wurde. Keine nervösen Zugwiederholungen, keine überraschenden Opfer. Stier ist, astrologisch gesehen, ein Erd-Zeichen. Er steht auf dem Boden der Tatsachen und benötigt Struktur, etwas, das er greifen kann.
Ein Fels in der Brandung - Mihail Marin hat bereits etliche Fritztrainer, mit soliden, und positionellen Eröffnungen herausgebracht
Der rauschebärtige Wilhelm Steinitz, * 14. 5.1836, der erste allgemein anerkannte Schachweltmeister (von 1886 bis 1894) konnte mit dem zu seiner Zeit üblichen ‚romantischen Schach‘ des stürmischen Angriffs wenig anfangen. (Obwohl gesagt werden muss, dass er es am Anfang seiner Spieler-Karriere noch genauso machte, bevor er begann, die Prinzipien des Spiels wissenschaftlich zu analysieren.) Steinitz hatte Mathematik studiert, er hielt sich an Tatsachen, er dachte streng logisch und entwarf die Moderne Schachtheorie. Einem zu seiner Zeit vor allem impulsiv und spontan gehandhabten Spiel verpasste er strategisch-positionelle Grundsätze.
The Hippopotamus system of defence
What is the Hippopotamus system of defence? The idea is that, at the beginning of the game, Black develops within his own first three ranks. He constructs a solid, flexible and hopefully stable position, awaiting events. At the right moment, he will strik
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Wilhelm Steinitz war einer der ersten Schachspieler, der das Positionelle Spiel meisterhaft in seinen eigenen Partien darstellte. | Foto: Austrian National Library
Konsequent folgte ihm darin ein anderer Schach-Stier, Großmeister Josif Dorfman, *1. Mai 1952. Er vervollständigte diese Art der Betrachtung durch seine Beurteilung kritischer Stellungen und entwarf einen ‚stellungsgemäßen Plan‘, eine Art Raster. In seiner Methode empfahl er dem ‚statisch besser stehenden‘ Spieler, sich bloß nicht zu unüberlegten Bauernzügen oder leichtsinnigem Abtausch hinreißen zu lassen, also dynamischen Manövern; zu dergleichen riet er nur dem ‚statisch schlechter stehenden‘ Spieler.
Zum großen Vergnügen des astrologischen Stiers gehört der Besitz. Er möchte etwas haben und behalten und er findet darin wirkliche Befriedigung. Entsprechend bekümmert es ihn deutlich mehr als die meisten anderen Leute, etwas zu verlieren. Wenn also beispielsweise ein angriffslustiges Sternzeichen wie der Widder ohne besondere Gemütsbewegung den kurzzeitigen Verlust einer oder mehrerer Figuren verkraftet oder wenn eiskalte Taktiker wie Jungfrau oder Wassermann gegebenenfalls einen Bauern opfern, ohne ihm eine Träne nachzuweinen, dann bereitet es dem Stier-Schachspieler echte Schmerzen, Bauern oder Figuren - wenn auch nur vorübergehend - einzubüßen. Er könnte eventuell sogar durch ein Bauernopfer seine Stellung verbessern – aber das widerspricht im Grunde seinem Naturell. Ein Teil seines Unterbewusstseins wird von da ab grübeln, ob er nicht genau diesen Bauern noch sehr sinnvoll hätte einsetzen können. Er wird es natürlich ganz cool verbergen, aber deshalb beißt es ihn trotzdem.
Das Stier-Sternzeichen weist mit Max Euwe, nach Steinitz, einen weiteren Weltmeister auf. Der Mathematiker ließ sich selten zu Schabernack auf dem Brett hinreißen, und war bekannt für seine Logik im Spiel. | Foto: Harry Pot - Dutch National Archives (Wikipedia)
Stiere können auch anders
Nein, natürlich spielen nicht alle Stier-Geborenen bedächtig, statisch, auf Sicherheit bedacht. Wir haben hier nur das Sonnenzeichen am Wickel, und ein Horoskop beinhaltet ja viel mehr.
Jan-Krzyzstof Duda, Emil-Josef Diemer, Dragoljub Velimirović, Vasily-Borisovich Malinin oder Anthony-James Miles lieben, und liebten die wildesten Stellungen auf dem Brett. (Vielleicht spielt die Anzahl der Namen eine Rolle dabei?)
The modern Grand Prix Attack
Auf dieser DVD werden alle Ideen behandelt, die Schwarz gegen den weißen Aufbau versuchen kann, und ich empfehle Weiß dabei eine Reihe theoretisch noch relativ unerforschter Varianten, die ich ausführlich analysiert habe.
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Das aufstrebende Talent Jan-Krzyzstof Duda ist gerne bereit, das Brett in Flammen stehen zu lassen, weil das auch seinen Fans gefällt. | Foto: katowice2021.eu
Der früh verstorbene englische Schachgroßmeister Tony Miles, * 23.4.1955. Obwohl im Stier geboren, benahm sich ganz untypisch. Er spielte unberechenbar, teilweise exzentrisch, alles andere als langsam und wohlüberlegt und trotzdem oft atemberaubend genial. Spielte er gegen die eigene, die Stier-Natur, an?
In seinem Horoskop saß der Merkur, also das Denken, direkt neben der Stier-Sonne in einer sogenannten Konjunktion. Diese Stellung heißt in der Sprache der Astrologen: verbrannter Merkur. Sie gilt als ungünstig, weil sie zwar zu schnellem und scharfem Denken befähigt, jedoch die Gefahr birgt, überzuschnappen …
Anthony J. Miles mit Rückenproblemen in einer Partie von 1985. Aber der Britische GM war nicht nur am Brett dafür bekannt, interessante Positionen zu finden. | Foto: Persbureau van Eindhoven
Doch normalerweise baut ein Stier auf Sicherheit. Er bevorzugt das solide Eröffnungsrepertoire. Er spielt positionell und riegelt alles ab. Zusammenhängende Bauern und geschlossene Stellungen sind ihm lieber als mit einem ‚Isolani‘ zu spielen.
Eine weitere ausgeprägte Eigenschaft echter Stiere ist Halsstarrigkeit oder Dickköpfigkeit. Das befähigt sie – positiverweise – nicht aufzugeben. (In dieser Beziehung übertrifft sie nur noch der Steinbock.) Es kann – negativerweise – dazu führen, dass sie unbeirrt, unverdrossen und fälschlich bei einer bestimmten Strategie bleiben, die sie keineswegs zum Erfolg führt.
Andererseits, wenn der Stier an seiner Strategie bis zum Ende festhält -
- Das Material muss im Gleichgewicht sein
- Bestimmte Linien und Diagonalen müssen kontrolliert werden
- Die Bauernstruktur muss solide bleiben
zermürbt das womöglich den Gegner so sehr, dass der schließlich seinerseits unüberlegte Züge macht. Da muss doch mehr dahinterstecken? Tut es aber nicht.
Kann man sich auf einen Stier gut vorbereiten?
In der Tat. Und wahrscheinlich sogar besser, als auf viele andere Sternzeichen. Die Frage bleibt allerdings - Wie sehr kann man sich auf einen Gegner gut vorbereiten, wenn es ihm egal sein kann?
Juan Manuel Bellón López, Anna Cramling und Pia Cramling. Eine starke, kämpferische Schachfamilie, und allesamt Stiere. | Foto: Swedish Chess Federation
Berühmte Stier Schachpersönlichkeiten + Geburtstage:
- Marin, Mihail - 21. April 1965
- Miles, Anthony J. - 23. April 1955
- Cramling, Pia - 23. April 1963
- Kosteniuk, Alexandra - 23. April 1984
- Nunn, John D. M. - 25. April 1955
- Mamedov, Rauf - 26. April 1988
- Duda, Jan-Krzysztof - 26. April 1998
- Trent, Lawrence - 28. April 1986
- Sonis, Francesco - 29. April 2002
- Van Foreest, Jorden - 30. April 1999
- Tolush, Alexander - 1. May 1910
- Dorfman, Josif - 1. May 1952
- Bruzón Batista, Lázaro - 2. May 1982
- Gaprindashvili, Nona - 3. May 1941
- Gallagher, Joseph G. - 4. May 1964
- Gormally, Daniel W. - 4. May 1976
- Lilienthal, Andor - 5. May 1911
- Dzindzichashvili, Roman - 5. May 1944
- Lobron, Eric - 7. May 1960
- Stoltz, Gösta - 9. May 1904
- Eljanov, Pavel - 10. May 1983
- Harikrishna, Pentala - 10. May 1986
- Pachman, Luděk - 11. May 1924
- Steinitz, Wilhelm - 14. May 1836
- Agdestein, Simen - 15. May 1967
- Sadler, Matthew D. - 15. May 1974
- Maurizzi, Marc Andria - 16. May 2007
- Moiseenko, Alexander - 17. May 1980
- O'Kelly de Galway, Albéric - 17. May 1911
- Euwe, Max - 20. May 1901
Interessanterweise spielt laut Mega Database 2022 die Mehrheit der aufgelisteten Schachstiere etwas lieber 1.d4, als 1.e4.
Name |
1. e4 |
1. d4 |
1. c4 |
1. Nf3 |
Total |
Marin, Mihail |
15 |
446 |
424 |
195 |
1080 |
Miles, Anthony J. |
102 |
777 |
264 |
247 |
1390 |
Cramling, Pia |
92 |
1247 |
90 |
380 |
1809 |
Kosteniuk, Alexandra |
1589 |
91 |
27 |
68 |
1775 |
Nunn, John D. M. |
948 |
2 |
0 |
0 |
948 |
Mamedov, Rauf |
1117 |
17 |
71 |
53 |
1258 |
Duda, Jan-Krzysztof |
550 |
245 |
69 |
79 |
943 |
Trent, Lawrence |
434 |
205 |
23 |
8 |
670 |
Sonis, Francesco |
88 |
305 |
58 |
143 |
594 |
Van Foreest, Jorden |
716 |
141 |
64 |
55 |
976 |
Tolush, Alexander |
177 |
135 |
21 |
5 |
338 |
Dorfman, Josif |
74 |
181 |
181 |
155 |
591 |
Bruzón Batista, Lázaro |
547 |
242 |
138 |
163 |
1090 |
Gaprindashvili, Nona |
361 |
800 |
26 |
63 |
1250 |
Gallagher, Joseph G. |
1109 |
73 |
13 |
12 |
1207 |
Gormally, Daniel W. |
304 |
502 |
7 |
29 |
842 |
Lilienthal, Andor |
48 |
340 |
6 |
10 |
404 |
Dzindzichashvili, Roman |
80 |
175 |
107 |
100 |
462 |
Lobron, Eric |
309 |
296 |
95 |
233 |
933 |
Stoltz, Gösta |
162 |
153 |
20 |
4 |
339 |
Eljanov, Pavel |
190 |
764 |
111 |
240 |
1305 |
Harikrishna, Pentala |
458 |
562 |
128 |
119 |
1267 |
Pachman, Luděk |
158 |
416 |
191 |
122 |
887 |
Agdestein, Simen |
82 |
473 |
142 |
44 |
741 |
Steinitz, Wilhelm |
332 |
62 |
9 |
16 |
419 |
Sadler, Matthew D. |
68 |
400 |
16 |
12 |
496 |
Maurizzi, Marc Andria |
157 |
52 |
4 |
8 |
221 |
Moiseenko, Alexander |
29 |
1313 |
1 |
1 |
1344 |
O'Kelly de Galway, Albéric |
192 |
321 |
177 |
28 |
718 |
Euwe, Max |
213 |
513 |
41 |
61 |
828 |
|
10701 |
11247 |
2524 |
2653 |
27125 |
Quelle: Mega Database 2022
Anbei eine Sammlung besonders schöner 1. d4 Stier-Siege:
Mehr zum Thema Sternzeichen, aktuellem und historischem gibt es auf dem Blog der Autorin - dagmarday.com
links: