Freestyle Projekt auf Konfliktkurs

von Thorsten Cmiel
05.02.2025 – Die Schachwelt steht nicht vor der Spaltung wie viele Medien zurzeit immer wieder mutmaßen. Aber für ein neues Drama und eine Machtprobe genügt es wenn der bekannteste Spieler der Welt, Magnus Carlsen, auf Konflikt aus ist. Was ist los und worum geht es?

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Dieser Beitrag erschien zuerst bei Chess Ecosystems. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung. 

Gründung im Juli 2024

Im Februar 2024 organisierte Jan Henric Buettner, ein Hamburger Unternehmer, ein Turnier in Weissenhaus. Gespielt wurde in seinem Luxusressort in Ostholstein. Spieler und Journalisten waren begeistert von der erstklassigen Hospitality. Buettner fand Gefallen an dem Schachevent, das ihn nach eigener Auskunft etwa zwei Millionen Euro gekostet haben dürfte. Er wollte mehr und Magnus Carlsen war ebenfalls dabei. Am 25. Juli gab das Projekt in einer Pressemeldung die Gründung eines neuen Unternehmens, der Freestyle Chess Operations GmbH mit Sitz in Hamburg, bekannt. Angesiedelt ist die Gesellschaft inzwischen an einer erstklassigen Hamburger Adresse. Beteiligt sei die Left Lane Capital, ein Risikokapitalgeber in New York, der zwölf Millionen US-Dollar beigesteuert habe. Angekündigt wurde eine Turnierserie für Spitzenspieler, der Freestyle Chess Grand Slam. Das Startkapital solle für das Etablieren der Turnierserie dienen. Man wolle die Schachwelt revolutionieren und ein neues Kapitel in der Schachgeschichte schreiben, so die Ankündigung. Harley Miller, CEO and Managing Partner von Left Lane Capital, sah sogar das Potential ein Mainstream Sport Event vergleichbar mit der Formel 1 und der ATP Tennis Tour zu schaffen.

Es ist nicht untypisch in der Geschäftswelt und bei Startups sehr laut aufzutreten. In der Schachwelt sind solche Töne allerdings eher selten und werden in der Regel aus Erfahrung ähnlicher Ankündigungen in der Vergangenheit von den meisten Beobachtern mit Skepsis gesehen.

„Die weltbesten Spieler stehen im Mittelpunkt dieser neuen, massentauglichen Schachserie, bei der neun Supergroßmeister von Magnus Carlsen handverlesen werden, der sich verpflichtet hat, Freestyle Chess ausschließlich bei der Grand Slam-Serie zu spielen. Alle Turniere werden in exklusiven Veranstaltungsorten mit einer Aura von Luxus und Stil ausgetragen, wobei alle Partien nach den chess960-Regeln gespielt werden. Freestyle Chess hatte bereits ein Turnier im Februar als Blaupause, das die Messlatte hoch ansetzte.“ (Pressemeldung vom 25. Juli 2024)


„Schach muss sich zu einem dynamischeren und fesselnderen Spektakel entwickeln, das es den Spielern ermöglicht, ihr Können vom ersten Zug an unter Beweis zu stellen.

Magnus Carlsen.“


Ankündigung Tour und Auftaktevent im Oktober 2024

Am Rande der Global Chess League in London gab Jan Henric Buettner Sagar Shah von Chessbase India im Oktober 2024 ein kurzes Interview und kündigte einen Showkampf in Singapur an. Magnus Carlsen und Fabiano Caruana sollten vor dem WM-Kampf gegeneinander antreten und für Freestyle Schach werben. Zudem sollte eine Pressekonferenz mit mehr spannenden Informationen stattfinden. Buettner habe die Termine mit der FIDE abgestimmt und kündigte fünf Events für 2025 an.

Inzwischen sind die Termine und Turnierorte bekannt. Gespielt werden sollen 2025 fünf Turniere in Weissenhaus, Paris, New York, Delhi und Kapstadt. Die Termine finden sich auf der Homepage. In der Pressemeldung vom Juli 2024 war noch von sechs bis acht Turnieren pro Jahr die Rede. Der Preisfonds ist üppig und solle 750.000 US-Dollar für die ersten drei Turniere und dann eine Million pro Turnier betragen, so hieß es in der ursprünglichen Pressemeldung.

Eskalation im November 2024

Mit hohem Aufwand präsentierte das Freestyle Projekt seine Pläne in Singapur. Die Location war gewohnt für Buettner-Projekte erstklassig, so wurde auf einer Yacht und aus Sicherheitsgründen in einem Tresor mit einem Tisch aus Gold gespielt. Spektakulär und präsentiert von Sagar Shah und seinem Team. Als Moderatorin war die Inderin Tania Sachdev am Start. Magnus Carlsen und Fabiano Caruana, die Nummer Eins und Nummer Zwei der Weltrangliste spielten ihren Showkampf sogar auf einem Hoteldach und gaben anschließend zusammen mit Buettner im Ritz Carlton Hotel eine Pressekonferenz. Die geriet allerdings trotz allen Aufwands zu einem medialen Nichtereignis. Lag es daran, dass der Weltschachbund sich nicht an Absprachen gehalten hatte und Ex-Weltmeister Vishwanathan Anand die gemeinsame Veranstaltung kurzfristig absagte? So hört man es zumindest aus einem Lager. Ist diese Erklärung plausibel, denn schließlich hatte man den größten Spieler aller Zeiten auf der Bühne und das sollte für Presseaufmerksamkeit eigentlich ausreichen. Erste Irritationen.

Die Nachricht auf X vom 24. November 2024 ist von Magnus Carlsen mit einer Provokation überschrieben. Freestyle Schach sei größer als Klassisches Schach. Die Reaktionen unter dem Tweet sind gespalten. Die Kritik am klassischen Schach kann man auch im Video im O-Ton von Magnus hören und sehen. Solch ein Statement wirkt nicht angebracht angesichts des am nächsten Tag beginnenden Weltmeisterschaftskampfes zwischen dem chinesischen Titelverteidiger Ding Liren und dem indischen Herausforderer Gukesh. Ist das eine Retourkutsche oder eine Provokation?

Hinter den Kulissen kracht es

Inzwischen weiß die Öffentlichkeit mehr über den Konflikt auch wenn die Fakten nicht sicher sind und es davon abhängt welcher Seite man in welchem Detail glaubt. Im Hintergrund deutet sich bereits ein Rechtsstreit zwischen FIDE und dem Freestyle Projekt an, es könnte sich also bei öffentlichen Äußerungen und Durchstechereien um ein taktische Weitergabe von Informationen handeln. Die Freestyler geben Interviews und schreiben Briefe. Emil Sutovsky, CEO der FIDE, schreibt bevorzugt Nachrichten bei X, vormals Twitter. Er ist ebenfalls nicht zimperlich, aber gibt sich öffentlich zumindest zurückhaltender.

Öffentlich wird ordentlich ausgeteilt

Erwähnt werden in einem X-Beitrag der Freestyler vom 21. Dezember 2024 Verhandlungen zwischen den Spielern und der FIDE, die zwei Tage zuvor zu einem friedlichen Ende gekommen seien. Als Verhandler werden Spieler genannt. Für diese sprechen Weltklassegroßmeister Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura, Danny Rensch, Chief Chess Officer der Plattform Chess.com, ist ebenfalls am Start. Die Freestyle GmbH wird von Buettner repräsentiert. Freestyle Chess und Chess.com hatten in Singapur ihre Kooperation angekündigt. Bei der Kooperation geht es vor allem um gemeinsames Marketing.

In dem Brief der Freestyler wird erstmals das Thema Weltmeisterschaft erwähnt. Selbstbewusst, andere werden sagen großspurig, klingt es wenn die Freestyle Organisation bekannt gibt, dass man die Weltmeistertitel gegenseitig anerkennen würde. Für den Weltschachbund, der sich bekanntlich im Besitz der Rechte an Weltmeisterschaften wähnt, kann solch eine Formulierung kaum akzeptabel sein, da sie einen Präzedenzfall schaffen würde. Das muss auch Buettner und seinem Team klar gewesen sein. Der Brief in Form einer Meldung versucht Tatsachen zu schaffen und ist eine Provokation. Vielleicht haben Buettner und Carlsen Dvorkovich unterschätzt. Der widerspricht für den Weltschachbund (FIDE) der Darstellung des Freestyle Projektes in Sachen Einigung. Im Wortlaut zitiert der Weltschachbund seinen Präsidenten:

Ich nehme die vom Freestyle Chess Players Club herausgegebene Pressemitteilung zur Kenntnis. Während mein Zitat korrekt wiedergegeben wurde, möchte ich klarstellen, dass meine Entscheidung als FIDE-Präsident auf einer direkten Kommunikation mit den Spielern beruhte. Die vollständige Pressemitteilung war jedoch nicht mit mir abgesprochen und enthält erhebliche Ungenauigkeiten, die die Situation falsch darstellen.

Die FIDE setzt sich weiterhin für Transparenz und Fairness ein, und wir werden nächste Woche eine Erklärung zu dieser Angelegenheit abgeben.

FIDE-Präsident
Arkady Dvorkovich

 

Gerüchteküche brodelt

Am 26. Dezember 2024 soll in New York die Schnellschachweltmeisterschaft starten. Gezielt wird zunächst die Information gestreut und dann öffentlich, dass Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura wegen des Streites mit der FIDE nicht mitspielen könnten. Das erweist sich entweder als leere Drohung oder gezielte Information, um den Streit weiter öffentlich zu machen. Man weiß es nicht. Jedenfalls spielen beide Spieler letztlich mit beim Turnier. Bei Magnus Carlsen läuft es nicht rund, diesmal. Am zweiten Tag erscheint Carlsen in Jeanshose, kassiert ein Ordnungsgeld und wird verwarnt. Der Rest geht in die jüngere Schachgeschichte als „Jeansgate“ ein. Es kommt zwei Tage später zu einer Art Burgfrieden. Was Magnus Carlsen, der den Weltschachbund übelst beschimpfte, dazu gebracht hat beim Blitzturnier wieder mitzuspielen weiß man nicht. Die Erzählung geht, dass Arkadij Dvorkovich und Henrik Carlsen auf den Superstar beruhigend eingewirkt haben.

Magnus verspürt Aufwind und legt nach

Es folgte erneut ein bemerkenswert undiplomatisches Interview mit Magnus Carlsen bei dessen Haussender „Take Take Take„. Das Interview ist kaum geeignet die Wogen zwischen FIDE und Freestylern wieder zu glätten. Im Gegenteil. Auch intern dürfte dieser Take nicht jedem im eigenen Team gefallen haben. Carlsen lobt ausdrücklich Dvorkovich und noch überraschender den CEO des Hauptsponsors der Freedom Holding, Timur Turlov, für ihr Bemühen um seinen Wiedereinstieg in das New Yorker Turnier.

Peter Heine Nielsen, Coach von Magnus Carlsen dürfte dieses Lob kaum gefallen haben. Schließlich kritisiert Nielsen beispielsweise, dass die FIDE zu viel russisches Geld einnehme im Vergleich zu anderen Finanzquellen. Turlov ist ein in Russland geborener kasachischer Unternehmer und wird von Nielsen öffentlich schon längere Zeit als russlandnah und mit Börsengerüchten um Fehlverhalten attackiert. Weltpolitik.

Bezogen auf den Konflikt zwischen FIDE und dem Freestyle Projekt erklärt Carlsen alle FIDE Offiziellen in New York uniso für nicht erwachsen. Er nimmt Dvorkovich, der gar nicht in New York anwesend ist, aus. Vishwanathan Anand, Carlsens Vorgänger als Weltmeister und aktueller Vizepräsident der FIDE, versuchte Magnus’s Vater von einer Rückkehr ins Turnier zu überzeugen. Auch den nimmt er nicht aus von seiner Kritik. Anand ist ebenfalls in dem virtuellen Freestyle Spielerklub aufgeführt und soll im Februar in Weissenhaus mitspielen, was später noch eine Rolle spielt. Überflüssigerweise griff er Anand sogar persönlich in seiner Rolle als FIDE-Vizepräsident an. Dieser Aspekt interessiert später indische Medien. Anand gibt sich allerdings nicht die Blöße sich zu Carlsens Verbalattacken zu äußern. Er ignoriert seinen Nachfolger.

Fabianos Sicht im C-Squared Podcast

Fabiano Caruana macht sich nicht die Wortwahl von Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura zu eigen. Die beiden hatten von Erpressung der Spieler gesprochen. Es ging dabei um Klauseln, die von den Spielern bei Turnieren unterzeichnet worden waren und diese für einen längeren Zeitraum an die FIDE bindet. Aus Sicht der Freestyler sind solche Klauseln nichtig oder in jedem Fall wegen des Ausnutzens der eigenen Marktmacht angreifbar. Für Caruana war vor allem wichtig, dass er sanktionsfrei seinen Terminkalender für das nächste Jahr planen konnte. Er hatte sich kurz vorher als erster Spieler für das Kandidatenturnier 2026 qualifiziert. In die Abläufe bei der Freestyle Organisation sei er nicht eingebunden und scheint darauf auch Wert zu legen.

Wörtlich sagt Caruana (hier in deutscher Übersetzung):
Ich möchte nur eine Sache sagen, denn es gab diese ganze Freestyle-Drohung, wo Spieler bedroht wurden oder nicht. Ich meine ich würde nicht sagen, dass ich bedroht wurde. Ich habe keine solchen Worte benutzt, mir wurde es so erzählt und dass ich keine ausgefallenen Adjektive benutzen werde. Mir wurde ganz konkret gesagt, nachdem Freestyle angekündigt hatte, dass sie nächstes Jahr die Weltmeisterschaft ausrichten würden, die Freestyle-Weltmeisterschaft, dass ich aufgrund eines Vertrags, den ich in der Vergangenheit für Kandidaten unterschrieben habe, rechtlich nicht berechtigt sei, an einer Schachweltmeisterschaft teilzunehmen.

Weiter sagt Fabiano im Video, dass er eine Zusage von Arkadij (Dvorkovich) erhalten habe bei Teilnahme nicht bestraft zu werden. Das Statement (vom 21. Dezember 2024) von Freestyle habe er als Erklärung verstanden, die aber noch recht vage klang, ihm aber Sicherheit gab.

Arkady Dvorkovich im Interview (15. Januar 2025)

Der FIDE-Präsident gab Sagar Shah von Chessbase India ein Interview und ging dabei auch auf Fragen zur Situation mit Freestyle Schach ein. Das Statement von Dvorkovich passte zu seinen bisherigen Einlassungen zum Thema. Unter anderem verteidigte er Sutovsky als Teil seines Teams. Man solle ihn stattdessen attackieren. Ein Angebot, das vierzehn Tage später von den Freestylern aufgegriffen wurde.

FIDE Statement vom 21. Januar 2025

Die FIDE hat sich einen Monat Zeit gelassen für ihr nächstes Statement als Reaktion auf die Pressemeldung der Freestyler vom 21. Dezember 2025. Überraschend ist daran allerdings nichts und die Position ist gut nachvollziehbar.

   

FIDE-Erklärung zum „Freestyle Chess“-Projekt (in deutscher Übersetzung):

Im Hinblick auf die jüngsten Mitteilungen des „Freestyle Chess Players Club“ („FCPC“) erklärt die FIDE Folgendes:

Der Internationale Schachverband (FIDE) ist der einzige international anerkannte Dachverband des Schachs (insbesondere durch das Internationale Olympische Komitee), der alle offiziellen internationalen Schachwettbewerbe regelt. Obwohl wir immer offen für die Zusammenarbeit mit privaten Organisationen und Initiativen innerhalb der Schachgemeinschaft waren, behält die FIDE ihre wichtigste Rolle in Bezug auf die Regeln, Titel und Wertungen. Der Status der FIDE und ihre globale Verantwortung gegenüber der Schachgemeinschaft sind eindeutig und nicht verhandelbar.

Die FIDE hat nichts dagegen, dass kommerzielle Plattformen, Projekte oder privat geführte Vereine wie der FCPC in eigener Angelegenheit mit Spielern in Kontakt treten. Die Versuche des FCPC, sein Projekt als Weltmeisterschaft zu präsentieren, stehen jedoch im Widerspruch zum etablierten Status der FIDE und ihrer Autorität über Weltmeistertitel in allen relevanten Varianten des Schachs – einschließlich Chess960/Freestyle Schach, wie im FIDE-Handbuch dargelegt.

Darüber hinaus bedroht die vom FCPC eingeschlagene Vorgehensweise die Erfüllung der bestehenden vertraglichen Verpflichtungen der Spieler gegenüber der FIDE. Die vom FCPC-Projekt unternommenen Schritte führen zwangsläufig zu Spaltungen in der Schachwelt – und wir erinnern uns nur zu gut an die unglücklichen Folgen einer ähnlichen Spaltung, die in nicht allzu ferner Vergangenheit stattfand.

Obwohl der formale Status der Freestyle Chess Serie 2025 noch nicht feststeht, möchte die FIDE sicherstellen, dass alle Spieler ihren Zeitplan für 2025 planen können. Aus diesem Grund hat die FIDE aus Kulanzgründen und um den Spielern für die unmittelbare Zukunft ausreichend Sicherheit zu geben, beschlossen, die Freestyle Chess-Serie 2025 in den Kalender aufzunehmen und sich nicht auf einschlägige rechtliche Klauseln in bereits unterzeichneten Verträgen über die Teilnahme von Spielern an Freestyle-Veranstaltungen 2025 zu berufen.

Nichtsdestotrotz behält die FIDE alle ihre Rechte in Bezug auf den Weltmeisterschafts-Titel und wird bereit sein, gegen Organisatoren und Initiatoren von Serien vorzugehen, die beschließen, sich ohne die Zustimmung der FIDE als „Weltmeisterschaft“ zu bezeichnen.

Wir sind offen für einen Dialog und freuen uns darauf, eine für beide Seiten akzeptable Vereinbarung zu treffen, vorausgesetzt, dass die Führungsrolle und die bewährte Autorität der FIDE über die Weltmeisterschaften von den potenziellen Partnern respektiert wird.

Sollte eine solche Vereinbarung nicht zustande kommen, fordert die FIDE, dass die Freistilserie nicht den Status einer „Weltmeisterschaft“ erhält. Die FIDE wird nicht zögern, alle rechtlichen Mittel gegen diejenigen einzusetzen, die ihre Rechte verletzen – seien es die Initiatoren, Organisatoren und/oder Investoren des Projekts.

Da der Weltmeisterschaftszyklus 2025-2026 im Gange ist, wird von allen qualifizierten Spielern erwartet, dass sie einen zusätzlichen Vertrag unterzeichnen, der eine Klausel enthält, die besagt, dass die Teilnahme an alternativen Schachweltmeisterschaften in einer nicht von der FIDE genehmigten Schachvariante (mit Ausnahme der Freestyle-Tour im Jahr 2025) zum Ausschluss aus den beiden aufeinanderfolgenden FIDE-Weltmeisterschaftszyklen führen würde.

Als Teil der Verträge verpflichtet sich die FIDE, die Turniere auf höchstem Niveau und mit wesentlich höheren Preisgeldern auszutragen – die Termine und Orte werden im FIDE-Kalender veröffentlicht.

Buettner bereit zum Krieg

Die Rhetorik entgleitet dem Freestyle Chef zusehends. Der Ton wird rauer und die Angriffe persönlicher. Am 28. Januar 2025 veröffentlicht Chess.com einen Artikel von Tarjei Joten Svensen, einem norwegischen Schachjournalisten in Diensten von Chess.com. Svensen berichtet über Angriffe gegen Dvorkovich, die Jan Henric Buettner gegenüber dem norwegischen Sender NRK und einem anderen Newsoutlet (VG) geäußert habe. Buettner reagiert damit laut Svensen auf die Erklärung der FIDE.

Jan Henric Buettner (zitiert nach Tarjei J. Svensen )

Ich denke, es ist unglaublich lächerlich. Ich habe es kommen sehen, also war es nicht überraschend, aber trotzdem lächerlich.

Wir sind zum Krieg bereit, aber wenn die FIDE bereit ist, etwas Vernunft an den Tag zu legen, sind wir bereit, mit ihnen zu sprechen.

Sie können es nicht urheberrechtlich schützen. Jeder kann es organisieren und sie wissen, dass sie uns nicht aufhalten können.

Ich denke, das wird dazu führen, dass sich die Spitzenspieler gegen sie zusammenschließen. Und es kann dazu führen, dass die gesamte FIDE-Organisation auseinander fällt.

Freestyle Chess habe 100.000 Dollar für die Verwendung des Titels „Weltmeisterschaft“ angeboten. Die FIDE verlangte 500.000 Dollar pro Jahr sagte Buettner gegenüber dem Fernsehsender NRK. Seit dem 9. Dezember habe er, Buettner, keinen Kontakt mehr mit FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich gehabt, so Svensen. (Möglicherweise ist der 19. Dezember gemeint, denn da gab es laut Freestyle eine Einigung mit der FIDE.)

Emils Statements (Auswahl)

   

   

   


Emil Sutovsky reagierte sofort bei X, vormals Twitter, auf die via Chess.com verbreitete mediale Attacke. Zudem erinnert er nochmals an die unhöflichen Worte von Magnus Carlsen an seine Adresse und gegenüber seinem Arbeitgeber.

Der offene Freestyler Brief vom 28. Januar 2025

Der offene Brief vom 28. Januar 2025 in deutscher Übersetzung

Lieber Emil,

im vergangenen Jahr haben du, Arkady und die FIDE einen langen Weg zurückgelegt – von deinen Opernarien, die du mir am Telefon vorgesungen hast, über deine Anfrage, die FIDE-Schach-960-Weltmeisterschaft letztes Jahr in Weissenhaus auszurichten, bis hin zu Arkadys stundenlangen Treffen mit Henrik und mir in London, um die Turnierpläne zu koordinieren und sicherzustellen, dass die Spieler keine Terminüberschneidungen haben.

Die Zusammenarbeit wird jedoch immer angespannter. Eine bemerkenswerte Ausnahme war die Einladung von Arkady an Magnus und Fabiano, ein Freestyle Summit in Singapur zu spielen, allerdings wurden wir dann bei unserer Ankunft ignoriert und abweisend behandelt. Es scheint, dass die „good cop (Arkady) / bad cop (Emil)“ Taktik der FIDE zum Scheitern verurteilt war. Jetzt scheint die FIDE dieses Spiel völlig aufgegeben zu haben und eine konfrontative Haltung gegenüber den Spielern einzunehmen. Ich halte diese Wende für kontraproduktiv. Anstatt konstruktiv mit uns, den Organisatoren der Freestyle Chess Grand Slam Tour, zusammenzuarbeiten, hat die FIDE genau die Spieler verprellt, die ihr größtes Kapital sind. Nichtsdestotrotz ist Freestyle weiterhin offen für den Dialog und bemüht, mit der FIDE zusammenzuarbeiten, um unnötige Konflikte zu vermeiden.

Um es noch einmal klarzustellen: Unsere Tour ist keine „Weltmeisterschaft“ im traditionellen Sinne, wie ich sowohl Arkady als auch Vishy erklärt habe. Sie trägt den Titel „Freestyle Chess Grand Slam Tour“. Am Ende jedes Jahres krönen wir einen Champion im Freestyle Chess – ein Format, das sich in Zukunft weiterentwickeln könnte, möglicherweise über Chess960 hinaus zu anderen neuen Formaten, aber nicht zum klassischen Schach.

Der Titel „Weltmeister“ spiegelt in diesem Zusammenhang das einzigartige Format unserer Veranstaltungen wider und stellt keinen Versuch dar, den traditionellen Weltmeisterschaftszyklus der FIDE in Frage zu stellen. Wenn die FIDE wirklich ein Problem mit der Verwendung des Begriffs „Weltmeisterschaft“ hat, müsste sie ähnliche Fälle ansprechen, wie die Tandem-Weltmeisterschaft, an der sogar Spieler wie Ding Liren teilgenommen haben. Dennoch hat die FIDE weder Ding noch andere für ihre Teilnahme bestraft. Diese Inkonsequenz offenbart das wahre Motiv hinter den Handlungen der FIDE: Geld.

Obwohl Freestyle bereit war, der FIDE 100.000 US-Dollar pro Jahr anzubieten – als reine Geste des guten Willens und um Schikanen zu vermeiden – wurde dies abgelehnt. Die Forderung der FIDE nach 500.000 US-Dollar, eine ungerechtfertigte Summe für ein Format, an dem sie nicht beteiligt ist, deutet darauf hin, dass der finanzielle Gewinn der Hauptgrund ist. Unsere Sponsoren, von denen viele es vorziehen, jede Verbindung mit der FIDE zu vermeiden, unterstützen unsere Entscheidung, unabhängig zu bleiben.

Die jüngsten Maßnahmen der FIDE, wie die Androhung von Sanktionen gegen Spieler und die Forderung, Vereinbarungen unter unangemessenem Druck und ohne Rechtsbeistand zu unterzeichnen, sind zutiefst beunruhigend. Das ist weder ethisch noch professionell. Die FIDE versucht, ihre marktbeherrschende Stellung auszunutzen, um Spieler unter Druck zu zwingen, sich zu unterwerfen. Solche Taktiken sind inakzeptabel und Freestyle wird weiterhin die Interessen der Spieler gegen diesen Machtmissbrauch verteidigen.

Im Gegensatz zur Vorgehensweise der FIDE stehen bei Freestyle die Spieler im Vordergrund. Deshalb haben wir einen Anwalt eingeschaltet, um sie vor dem überzogenen Vorgehen der FIDE zu schützen. Kein Spieler hat seine Pflichten verletzt, sondern die FIDE hat sich unangemessen verhalten. Freestyle konzentriert sich weiterhin darauf, ein positives Umfeld für die Spieler zu schaffen, damit sie sich ohne unnötige politische Einmischung auf ihre Partien konzentrieren können.

Zusammengefasst:

  • Freestyle konkurriert nicht mit FIDE und behauptet auch nicht, „größer als FIDE“ zu sein.
  • FIDE besitzt nicht die Rechte an allen schachbezogenen Aktivitäten und hat auch keine ausschließliche Autorität über das Wort „Welt“.
  • Freestyle möchte Frieden, keinen Streit. Wir sind weiterhin bereit, jährlich 50.000 US-Dollar an die FIDE zu zahlen, um sicherzustellen, dass die Spieler ungestört bleiben.
  • Sollte die FIDE ihre Schikanen fortsetzen, wird Freestyle die Spieler mit allen Mitteln verteidigen.
  • Anstatt die Situation eskalieren zu lassen, fordere ich die FIDE auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und konstruktive Gespräche zu führen. Spieler zu belästigen, zu bedrohen oder zu sanktionieren ist nicht nur kontraproduktiv, sondern untergräbt auch die Grundsätze des fairen Wettbewerbs und des Respekts für die Schachgemeinschaft.

Ich stehe dir oder Arkady jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Jan

Anmerkung: Diesen Brief mit den am gleichen Tag öffentlich gewordenen Statements gegenüber norwegischen Medien überein zu bringen ist schwierig. Es ist wahrscheinlicher, dass der Brief von Buettners Anwälten formuliert wurde. Bemerkenswert ist, dass an diesem Tag der Zuschuss zur FIDE auf jährlich 50.000 US-Dollar reduziert werden sollte.

Emils Antwort vom 28. Januar 2025

Emils Antwort in deutscher Übersetzung

Ich habe mehrmals mit Herrn Büttner gesprochen und immer meine positiven Gefühle über das Projekt zum Ausdruck gebracht. Das erste Mal in einem zweistündigen Gespräch direkt nach ihrer Auftaktveranstaltung. Es war mehr als freundlich und wir begannen nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen, obwohl er offen sagte: „Wir brauchen die FIDE nicht für dieses Projekt und wir müssen es nicht Weltmeisterschaft nennen“. Nichtsdestotrotz hatte ich eine sehr positive Einstellung gegenüber einer neuen, ambitionierten Person in der Schachwelt. Ich lobte Jan öffentlich und erwähnte in meinen Interviews, dass „eine steigende Flut alle Boote anhebt“. Ich freute mich auf mehr Werbung für Schach, mehr Möglichkeiten für Spieler…

Und dann hatten wir ein weiteres Gespräch, und noch eines, und noch eines. Mehrere Monate lang diskutierten wir über eine mögliche Zusammenarbeit: die Einführung von FIDE-Ratings für Chess960, mögliche Qualifikationsturniere, Herausforderungen bei der Ausrichtung weiterer Freestyle-Veranstaltungen im Jahr 2024 („niemand will Geld in die Hand nehmen, und das Einzige, was die Inder angeboten haben, war ein Rabatt auf die Hotelkosten“), die Angleichung des Turnierkalenders im Jahr 2025. Ich teilte die Informationen offen mit und gab bereitwillig Ratschläge, wenn ich darum gebeten wurde.

Um die Bezeichnung Weltmeisterschaft ging es nie.

„Wir brauchen das nicht. Wir sind nicht die FIDE, die sich um alle kümmern muss. Wir machen unsere Tour mit den Besten.“ Schön und gut – und immer noch viel Raum für Zusammenarbeit.

Aber dann hat sich etwas geändert. Wir können nur raten, was oder wer das beeinflusst hat.

Und dann beschloss Freestyle Chess, die Publicity und das Budget der FIDE-Weltmeisterschaft in Singapur zu nutzen.

Und die Veröffentlichungen in den großen Medien wurden am Vorabend der Weltmeisterschaft organisiert und griffen sowohl das WM-Match als auch das klassische/reguläre Schach direkt an.

Und sie legten die Pressekonferenz in Singapur auf den gleichen Tag wie die Eröffnungsfeier des WM-Kampfs, und plötzlich war statt einer Freestyle Tour/Grand Slam plötzlich „Weltmeisterschaft“ angesagt.

Seitdem wurde es immer bitterer.

Ich wundere mich immer noch über diesen Sinneswandel.

Warum startet man die Serie nicht friedlich, sondern zettelt stattdessen einen solchen Kampf an, der die Schachgemeinschaft spalten soll? Ist es persönlicher Ehrgeiz? Oder die Erkenntnis, dass sich „Weltmeisterschaft“ besser verkauft? Oder der Versuch zu beweisen, dass dies DIE Weltmeisterschaft ist? Wenn ja, dann wird es nicht funktionieren.

Die FIDE war immer offen für einen Dialog, aber wir haben Verpflichtungen gegenüber der gesamten Schachgemeinschaft, und wir werden sie erfüllen.

Die Abläufe klingen hier etwas anders als sie von den Freestylern dargestellt werden, die aus ihrer Sicht auf eine unwillige Schachorganisation trafen. Als Außenstehender ist schwierig zu beurteilen ab wann das Gespann Buettner/Carlsen erstmals das Thema Weltmeisterschaft aufbrachte. Die Version von Sutovsky klingt jedenfalls genauso plausibel wie die Version der Freestyler.

Bisher unterschätzt: Der indische Take

Der indische Sportskanal Sports Today mit 559.000 Abonnenten und Teil eines indischen Mediaoutlet erklärt in dem ersten Video den 3. Februar 2025 zu einem Entscheidungstag und in einem weiteren Video wird das Risiko für Gukesh beschrieben, der Weltmeister ist. Der Moderator sieht allerdings die FIDE im Nachteil, indem er das Thema Geld in den Vordergrund stellt und den US-Streamer Nakamura zitiert. Der Moderator in Sports Today spricht von einem Bürgerkrieg.

   

Vishwanathan Anand ist im Januar aus dem Turnier in Weissenhaus ausgestiegen. Die Freestyler haben das nicht weiter kommentiert, sondern Anand durch den jungen Usbeken Javokhir Sindarov ersetzt. Der Hintergrund könnte der schwelende Streit zwischen dem Weltschachbund und der Freestyle-Organisation sein. Zudem hatte Magnus Carlsen sich über Anand am Tag seines Widereinstiegs in die Blitzweltmeisterschaft und dessen Rollenverständnis in der FIDE negativ geäußert. Jetzt greifen größere indische Medien das Thema auf und erklären ihren Take, die indische Sichtweise. Erwartungsgemäß wird das Thema größer aufgezogen als nur ein schnöder Kampf um Geld. In diesem Beispiel geht es nicht um FIDE gegen Freestyle, sondern Anand gegen Carlsen. In indischer Perspektive wird der Titel des Schachweltmeisters angegriffen. Die Moderatorin von Firstpost weist auf das Highlander-Motto hin. Es kann nur einen geben. Und der ist momentan ein Inder.

Litigation Kampagne

Als Teil ihrer Kampagne im Rahmen des heraufziehenden Streites hatten die Freestyler Journalisten und andere Influencer im Vorfeld immer wieder gebrieft. Das ist nicht ungewöhnlich in einem öffentlich vorbereiteten Rechtsstreit. In einer Litigation Kampagne geht es darum, die öffentliche Meinung auf die eigene Seite zu ziehen und die eigenen Interessen möglichst umfänglich durchzusetzen. Ein Ziel dieser Kampagne war es beispielsweise, der interessierten Öffentlichkeit zu verkaufen, es ginge der gierigen FIDE nur um Geld. Dem hatte Dvorkovich bereits früh widersprochen.

Ein anderer Versuch bestand darin, öffentlich Zweifel an den Erfolgsaussichten eines Rechtsstreites zu streuen. In einem Beitrag für die FAZ hinter einer Bezahlschranke erinnert Stefan Löffler am 28. Januar an frühere ähnliche Streitigkeiten:

   
„2022 änderte die Plattform Chess.com eine angekündigte WM in „Global Chess Championship“. Inoffizielle Weltmeisterschaften in mehreren Schachvarianten duldet die FIDE aber ebenso wie von der deutschen Firma Amateur Chess ausgerichtete Amateurweltmeisterschaften.“

  

Für Buettner sei eine auf Sportrechte spezialisierte Kanzlei tätig. Löffler fasst seine Recherchen im Sportrecht so zusammen:

“Die Rechtsprechung scheint Buettners Sicht zu bestätigen. Der Deutsche Ringerverband musste Sperren in einer unabhängigen Liga aktiver Ringer aufheben. In zwei Urteilen zeigte der Europäische Gerichtshof Ende 2023 auf, wie UEFA, FIFA und der Eislaufverband ISU ihre dominante Position missbrauchten. Einen einschlägigen Erfolg im Profisport kann die von Buettner beauftragte Kanzlei Quinn Emanuel vorweisen. 2022 brachte sie Sperren der PGA Tour gegen Golfer, die bei der saudisch finanzierten Konkurrenz LIV Tour antraten, zu Fall.“  

FAZ vom 28. Januar 2025: „Das steckt hinter dem Streit um die Schach-WM“.

Einen interessanten Aspekt einer möglichen Kompromisslinie arbeitet Löffler allerdings nicht weiter heraus: Die ACO, die Amateur Chess Organisation, nennt ihre Turniere ACO Weltmeisterschaften. Vielleicht wäre eine ähnliche Lösung eine Möglichkeit gewesen den eskalierenden Streit zu vermeiden. Der Veranstaltungstitel wäre dann „Freestyle World Championship“ und der Bezug zum Schach wäre im Namen der Organisation verschwunden. Die Freestyler wollen aber ihr Turnier anders nennen: Die Freestyle Chess World Championship (FCWC) soll es sein und das haben sie so in ihre Regularien geschrieben. Ein anderer Fall: 2022 hatte ein kurzer Streit der Schachplattform Chess.com noch einen Rückzieher gemacht. Man konnte das Turnier analog auch Freestyle Global Chess Championship nennen. Aber das hat möglicherweise einem nicht zugesagt, wie Sutovsky in einem seiner zahlreichen Tweets spekuliert?

Einen Tag vor dem angekündigten Showdown am 3. Februar 2025 meldet Tarjei J. Svensen, ein Journalist auf der Gehaltsliste von Chess.com, dass die Angelegenheit wohl bereinigt sei und Freestyle sich durchgesetzt habe. Dieses Gerücht erweist sich erneut als gezielte Fehlinformation oder zu frühe interne Erfolgsmeldung der Freestyler.

Die Antwort der FIDE

Der Weltschachbund reagiert scheinbar auf Svensens voreilige Wasserstandsmeldung und vermeldet morgens, dass es erneut zu keiner Einigung gekommen sei. Eine vollständige Erklärung wird für einen späteren Zeitpunkt am gleichen Abend angekündigt. Im Wortlaut heißt es zunächst: (hier in deutscher Übersetzung)

FIDE und Freestyle Chess Tour: Keine Einigung über die Anerkennung der Weltmeisterschaft

Trotz intensiver Verhandlungen gibt der FIDE-Rat an, dass es derzeit keine Einigung bezüglich der Freestyle Tour gibt. Dies liegt daran, dass die andere Partei den Status der FIDE als alleiniger Regulierer der Schachweltmeisterschaften und ihre Befugnis, einen Weltmeistertitel zu vergeben, nicht anerkennt. Eine vollständige Erklärung der FIDE zu dieser Angelegenheit wurde für den gleichen Tag 19 Uhr angekündigt.

FIDE Präsident Arkadij Dvorkovich

Dvorkovich erklärt kurz, dass er keine Vereinbarung mit der Freestyle Organisation unterschreiben wird. Er nimmt dabei Bezug auf persönliche Angriffe gegen sich selbst und sein Team. Das würde seiner Erziehung und seinen Werten widersprechen.

   

Antwort bereits vor dem Statement

Es wird immer schmutziger. Bevor die FIDE mit ihrem Statement herauskommt, gibt es wieder einen offenen Brief von den Freestylern. Jan Henric Buettner zitiert ohne Kontext aus einer privaten Whatsapp Konversation zu den Einigungsversuchen mit Dvorkovich, dem er den Rücktritt anrät aufgrund eines Mangels an Führungsstärke. Auf sein Wort sei kein Verlass, so Buettner. Es klingt so als haben hier zwei aneinander vorbei geredet. Im weiteren Text erläutert Buettner wie er den Verlauf der Gespräche bewertet und sieht Dvorkovich als unzuverlässigen Verhandlungspartner. Die gleiche verfahrene Situation ereigne sich bereits zum dritten Mal. Im Auftrag der Spieler hätten die Freestyler um eine Verlängerung der Frist bis zum 15. Februar gebeten, heißt es. Damit die Spieler sich auf das Turnier in Weissenhaus konzentrieren und eventuell Rechtsanwälte konsultieren können. In den laut Buettner bereits vereinbarten Regelungen stehen mehrere Aspekte auf die man sich geeinigt habe. Eine angemessene Kommunikation und Respekt gegenüber der FIDE steht ganz oben. Weiter unten findet sich ein Hinweis auf das Sponsoring eines von der FIDE ausgewählten Turniers in Höhe von 300.000 US-Dollar. Sowie die Teilnahmemöglichkeit für die Hälfte der Teilnehmer ermittelt in einer Qualifikation.

Dann zeigen die Freestyler Nerven, trotz der aus ihrer Sicht eindeutigen Rechtslage. Aus Angst um ihr Turnier in wenigen Tagen in Weissenhaus gibt Buettner einer Forderung der FIDE nach. Am 3. Februar habe man entschieden, man verzichte auf den Titel Weltmeisterschaft, vorerst, für zehn Monate. Dadurch dürfte das Durchführen des Turniers in Weissenhaus in vier Tagen gesichert sein. De facto erkennt Buettner damit eine Teilniederlage an, auch wenn er es als Rettungsaktion für die verunsicherten Spieler verkauft. Buettner will die Regeln anpassen. Anmerkung: Beim Abrufen der Offiziellen Regeln am 3. Februar 2025 um 17.49 Uhr deutscher Zeit, steht dort immer noch das Regelwerk zur Freestyle Chess World Championship. Das dürfte sich allerdings bald ändern, auch wenn Buettner auf seine Website selbst verweist und das noch einen nicht unerheblichen Widerspruch darstellt. Zum Schluss weist Buettner erneut auf einen anstehenden Rechtsstreit hin, er werde jetzt seine Anwälte einschalten, da weitere Verhandlungen nutzlos seien.

UPDATE (04.02.2025): Inzwischen steht in den Regularien Freestyle Chess Grand Slam Tour. Das genügt der FIDE.

   

FIDE Statement vom 3. Februar 2025

In den letzten Tagen hat die FIDE ausführliche Gespräche mit der „Freestyle Chess Tour“ über die mögliche Anerkennung ihrer Veranstaltung als Weltmeisterschaft geführt. Trotz unserer Bereitschaft zur Zusammenarbeit – einschließlich eines Verzichts für die Teilnehmer des geplanten Wettbewerbs 2025, eines Verzichts auf die Gebühr für die Ausgabe 2025 und der Forderung nach einem Ende der unbegründeten Anschuldigungen gegen die FIDE und der Untergrabung des klassischen Schachs – wurde keine Einigung erzielt.

Die „Freestyle Chess Tour“ hat sich entschieden, die bestehende Autorität der FIDE in Bezug auf den Weltmeistertitel nicht anzuerkennen, und hat sich dafür entschieden, ein privat organisiertes Turnier zu bleiben, an dem hauptsächlich handverlesene Elitespieler teilnehmen, anstatt einen offenen und transparenten Qualifikationsprozess durchzuführen.

Eine echte Weltmeisterschaft muss inklusiv sein, mit transparenten Qualifikationswegen, die den Regeln und Vorschriften der FIDE folgen, die mit dem Konsens der globalen Schachgemeinschaft festgelegt wurden, wie im FIDE-Weltmeisterschaftszyklus zu sehen ist. Ohne diese Grundsätze ist die Integrität des Titels in Gefahr.

In Anbetracht dessen müssen Spieler, die an der Freestyle Chess Tour 2025 teilnehmen möchten, die Verzichtserklärung bis zum 4. Februar 2025, 18:00 Uhr MEZ, unterzeichnen, um für den offiziellen FIDE-Weltmeisterschaftszyklus zugelassen zu bleiben. Wir weisen darauf hin, dass dieses Dokument den Spielern keine neuen Anforderungen auferlegt, sondern ihnen eine einmalige Ausnahme von ihren bestehenden vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der FIDE gewährt. (Deutsche Übersetzung)

In dem Statement der FIDE klingt manches anders als bei den Freestylern. Zwei Punkte sind herauszuheben: Die Freestyler wollten die FIDE nicht anerkennen. Die Veranstaltung ist aus Sicht der FIDE gegen die klassische Weltmeisterschaft, das größte Asset des Weltschachbundes, konzipiert.

Carlsen mit direkter Attacke auf Dvorkovich

Der neue Standard im Weltschach scheint es zu sein, interne Diskussionen und ohne wirklichen Kontext öffentlich zu machen. das soll die Glaubwürdigkeit des Gegenüber erschüttern. Carlsen will einen Wortbruch beweisen, man kann die Hinweise aber auch so sehen, dass Dvorkovich sein Versprechen, in 2025 keinen Spieler für die Teilnahme am Freestyle-Turnier zu bestrafen, einhält. In der Diskussion hatte er ausdrücklich eine Einigung als noch nicht sicher bezeichnet. Die Freestyler scheinen anzunehmen, dass Dvorkovich das Gremium der FIDE falsch informiert hat.

„Ich kenne keine Kompromisse. Wenn ich etwas machen will, dann muss es perfekt sein. Da ist es wirklich egal, was es kostet. Wenn es nicht perfekt ist, mache ich es nicht“, sagt Jan Henric Buettner, die treibende Kraft hinter den Freestyle Chess Events. Zitiert aus einem Porträt Artikel über Buettner

von TJ Svensen vom 29.1.25.

UPDATE

Am 4. Februar 2025 kamen diese TAKE TAKE TAKE Clips heraus.

   


Thorsten Cmiel ist Fide-Meister lebt in Köln und Milano und arbeitet als freier Finanzjournalist.
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