Lockruf der DSOL

von Olaf Steffens
15.03.2023 – Auch dieses Jahr lockt die DSOL wieder mit ihren Reizen. Olaf Steffens weiß das zu schätzen und berichtet über die aktuellen Entwicklungen und Höhepunkte der Online-Liga. Nebenbei verrät er, dass sich alle elf Züge ein Single verliebt und warum die Schachfreunde Deizisau immer Trainingsvorsprung haben.

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Alle elf Züge verliebt sich ein Single – auch beim Online-Schach (Foto: Tuarb Eid)

Warten auf Deizisau. Jeden Abend der Woche wird der Computer angeknipst, jeden Abend in der Hoffnung, die jungen Schwaben bei der DSOL spielen zu sehen. Deizisau, die Titelverteidiger! Deisisau, die Europameister!

Doch es spielen immer nur die anderen. Wobei, auch das ist natürlich toll, Freibauer Mörlenbach-Birkenau am Montag, SF Ochtendung und Schleispringer Kappeln am Dienstag, und den Mittwoch verbringt man bei den digitalen Traditionsvereinen TSG Taucha und Bad Salzdetfurth. Wo aber bleibt Deizisau?

Ein Blick in den Spielplan schließlich offenbart: Deizisau spielt freitags. Ein gewiefter Schachzug des Vereinsmanagements, denn so können sie in Ruhe abwarten, wie die direkte Konkurrenz in den Tagen zuvor spielte - ein ernstzunehmender Standortvorteil im digitalen Titelrennen. Man sondiert das Feld die Woche über, um dann am Freitag mit viel Überblick zuzubeißen. Und wurden die Süddeutschen mit dieser klugen Abwartetaktik im Vorjahr nicht sogar Meister?

Jetzt wissen wir auch, warum. Wer später spielt, kann länger trainieren!

Montag: Alles nach Süden

Die SF Hamburg sind heute der einzige Club aus Nord, der sich in den vier Erstliga-Staffeln an die Bretter schaltet. Alle anderen Ortsnamen haben eine eher süddeutsche Anmutung: Gusenburg, Pfullingen, Herzogenaurach – charmant, da möchte man gleich losreisen!

Die Schachfreunde Hamburg, im Süden gar allein

Im Dunstkreis der südlichen Hemisphäre wussten sich die Nordlichter indes souverän zu behaupten – die Sieger von 2021 wissen, wie das geht mit der DSOL!

Vorne zwar verlor das Vereins-Urgestein Jan-Paul Ritscher, seine Kollegen aber rissen es raus mit 2,5 Punkten in den weiteren Partien. Hervorzuheben die schnörkellos-effektive Positionsbehandlung von Florian Kull - so würde ich mir wünschen, auch mal wieder eine Partie nach Hause zu bringen.

 

 

Und in der Liga 5, was war da los? Spraitbach 3 versalzte Bad Salzdetfurth 3 hier die Suppe und schickte sie mit einem gepfefferten 4:0 zurück ins Niedersächsische.

Mit bei den Schwaben am Start Daniel Filipovic, schon im Vorjahr der DSOL-Spieler der Herzen und ein Vorkämpfer für ausgefallene Eröffnungsaktivitäten. Wildes Zeug!

Daniels Team lief 2022 noch in der 10.Liga auf – nunmehr haben sie sich mit einem fat jump schon die 5.Etage heraufkombiniert. Wenn das so weitergeht … Deizisau, aufgepasst! Aber die spielen ja ohnehin erst am Freitag.

Erst einmal aber zittern die Ligen 5C und 5D, denn in beiden dominiert – eine Spraitbacher Équipe.

Und das nicht zuletzt wegen Daniel bumm bumm Filipovic.

 

 

Alle DSOL-Partien, wild, mild, hardcore, ruppig, können übrigens hier noch einmal nachvollzogen werden – mit Dank an Frank Hoppe, den Web-Admin des Deutschen Schachbundes (und zukünftigen Präsidenten?).

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Heute abend sahen wir sie nicht. Wann kommt Deizisau?

Blick auf das DSOL-Trainingszentrum in Deizisau

Dienstag: Solange wir den Sinn des Lebens nicht kennen, können wir auch schachspielen

Man soll sich dem wissenschaftlichen Fortschritt ja nicht ganz verschließen, auch wenn die Welt dadurch in den letzten 500 Jahren nicht unbedingt besser geworden ist.

So stellte ich mich erneut als Proband zur Verfügung und trat für den SV Werder (1.Mannschaft!) in der DSOL an.

Hätte ich DAS mal lieber sein gelassen.

Die DSOL im mutigen Selbstversuch 2.0

Denn, so die erste Erkenntnis, anders als bei der gerade laufenden Europameisterschaft ist man als DSOLista nicht allein auf seine Partie fokussiert. Sondern auch auf Katzenstupsen, eintreffende Mailnachrichten und nach Hause kommende Familienmitglieder.

Abgesehen davon fällt es – zweite Erkenntnis für die internationale Wissenschaft – einfacher sich zu konzentrieren, wenn auf der anderen Seite des Brettes jemand zu sehen ist, der auf den Punkt lauert, der einen umhauen will, und der einem Angst macht zu verlieren.
Im virtuellen DSOL-Raum, so schön er auch ist, fehlt diese psychologische Ebene ein wenig. (Allerdings – so ist das nunmal in der digitalen Welt.)

In Wirklichkeit hat unsere Katze die Partie gespielt

Und – dritte These – die Abwesenheit einer DWZ-Auswertung bei der DSOL, so berechtigt sie auch ist, erlaubt mentalen Spielraum, der dem Spielernst mitunter abträglich ist. Man sieht es nicht so eng, und kann ohne jede Ratingsorge seine Züge herauspeitschen. Geht es allerdings schief – Erkenntnis Nr.4 – ist es ebenso frustriiiierend (mit sehr sehr vielen „i“) wie bei jedem anderen schachsportlichen Kräftemessen!

Werder gegen SV Horrem (in der Nähe von Köln), Steffens – Arno Hannaske

Bei 8 Minuten Restbedenkzeit spielte ich nun trotz sehr konkreter Stellung einen Bauchzug. Was empfiehlt die Leserschaft?

a) 1.Txg7 +, Kf8 – und dann? Nach 2.Lc4 folgt ja gemein 2...Sd6!

b) Oder doch lieber gleich 1.Lc4+ ?

Der intuitive no-look-move 1.Txg7+ hätte Weiß viel Vorteil verschafft, und den Abend für Werder retten können. War aber nicht, ich spielte 1.Lc4+, Kh7 (und tschüss!), 2.Tg7+, Kh6 (und nochmal tschüss!), und begann mich zu fragen, was ich mir dabei eigentlich gedacht hatte.

Man soll ja immer KandidatInnen prüfen, und fürwahr – dann ist Schach doch wirklich einfach! So gut wie gewonnen wäre die Stellung mit 1.Txg7+, Kf8 und nun 2.Txc7! (Kan-di-dat!)

Es droht La3+ und dann Lc4+, viele Schachs, viele Bauerngewinne. Prima wär’s gewesen.

Wie sehr kann man es versäumen zu rechnen?

Partie verloren, Mannschaft verliert auch – kein richtig schöner Abend. Und am Ende sitzt man wieder ganz für sich allein am Bildschirm.

Ein Glück, dass wir Schach meistens zusammen mit anderen im selben Raum spielen. Menschen, Mannschaftskollegen, Freunde  – so rein virtuell am Brett ganz allein, so fein auch die Idee, es fehlt etwas.

Nach der Partie ist man allein - nicht nur bei der DSOL.

Wie analysiere ich meine DSOL-Partie?  von Martin Fischer

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Alles schön und gut, gelle, aber wann kommt denn nun endlich Deizisau?

Mittwoch: Spraitbach, immer wieder Spraitbach

Überschaubar viel Traffic heute, nur neun Paarungen – es gab nicht allzu viel zu regeln für Schiris und das DSOL-Aufsichtspersonal.

Der Knaller des Abends war natürlich Porz vs Spraitbach in der ersten Liga. Kölner gegen Schwäbische Alb, man ahnt, da treffen Welten aufeinander. Und wie das so ist mit den Schachfreunden 90 Spraitbach in dieser Saison – sie putzen alles weg, und so auch die ehrenwerten Porzer mit 2,5:1,5. Eine Woche – siehe Montag - der Erfolge für Spraitbach 1, 2 und 3!

Schwer ist der Weg nach oben? Nicht für die Schachfreunde Spraitbach!

Auch der Eisenbahner Sportverein Rot-Weiß Göttingen versuchte sich im Rennen an die Tabellenspitze, wurde aber von den routinierten-DSOL-Füchsen aus Taucha gekonnt ausgestoppt. Da scheinen die in den letzten Jahren sehr erfolgreichen Eisenbahner wohl (Achtung Kalauer) einige gute Züge verpasst zu haben. Am Ende tauchten sie mit einem leider heftigen 0:4 unter. Das wird wieder besser werden, liebe Göttinger!

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Alle wissen, wie der Hase läuft in der vierten Auflage der DSOL. Die Software ist bewährt aus den vielen Online-Matches der vergangenen Jahren. Und die BetreuerInnen sind sofort da, wenn es doch mal hakeln sollte, Schiris, Chessbase-Profis auf Spätschicht, so klappt das bestens, vielen Dank! Wir haben aus beiden Ligawochen eigentlich noch keine Klagen vernommen.

Die DSOL, so meine Vermutung, wird von uns Spielern ohnehin gerade als deutscher Exportschlager marktreif getestet – wenn alle Bugs so langsam raus sind, geht das Ganze bald auf den internationalen Weltmarkt. Schön wäre das! Vielleicht kann man mit den globalen  Lizenzgebühren dann auch das mögliche Loch in den Schachbund-Finanzen ausbessern.

An dieser Stelle noch einmal ein großes Lob an Chief Head Supervising Chessbund DSOL Organising President Frank Jäger und an sein Team, alle Betreuer, und die Technik-Haudegen von ChessBase – sie alle schlagen sich wieder viele Abende mit unseren Zugversuchen um die Ohren. Dank dafür!

Im Team sind in diesem Jahr dabei:

IA Gerhardt Bertagnoll

FA Jonathan Born

IA Carsten Haase

IA Frank Jäger

FA Dr. Andreas Junk

Prof. Dr. Jürgen Klüners

IA Bernhard Riess

IA Sandra Schmidt

IA Thomas Wiedmann

Im Anti-Cheating-Team sind:

IA Klaus Deventer

IA Michael Weber

Martin Fischer

IM Prof. Dr. Kenneth Regan

GM Daniel Fridman

Nicht zu vergessen die Kollegen von ChessBase, insbesondere:

Emine Yanik

Martin Fischer

Holger Lieske

Lutz Nebe

 

Liebe LeserInnen und FreundInnen der DSOL – trefft Ihr jemanden von all den Helfern, knuddelt sie alle mal herzlich oder stellt ihnen ein Kaltgetränk hin. Mit schönem Dank fürs Ehrenamt!

Nette Gesten mit Kaffee

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Und Deizisau? Sie blieben in der Kabine, auch heute – alles Hoffen scheint vergebens.

Donnerstag: 80 Jahre Bobby

Bobby Fischer wäre, hätte er heute noch gelebt, sicher eine gute Ergänzung des Helleraner Kaders in der Liga 1C abgegeben. Doch auch ohne den Weltmeister von 1972 schlug Osnabrück-Hellern von 2023 die thüringische Delegation aus Vacha mit 3:1. Noch vor neun Uhr wanderten die Figuren bereits zurück ins Kästchen.

Bobby hingegen wäre heute 80 Jahre alt geworden, und sowohl ChessBase als auch dieser Podcast des Bayerischen Rundfunks werfen ein würdigenden Blick auf sein Leben und Schaffen.

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Mit einem 1,5 : 2,5 kehrte der SKJE (Schachklub Johanneum Eppendorf) vom digitalen Auswärtstrip zum SU Ebersberg-Grafing zurück. Bemerkenswert auch deshalb, weil beide Vereine Vorjahressieger der DSOL sind – die Hamburger gewannen die Liga 2, die Münchener die Liga darunter.

Nichts zu holen für SKJE bei nickligen Ebersbergern. Und Grafingern!

Und: der ESV Rot-Weiß Göttingen kann es noch – 4:0 der zweiten Mannschaft bei den SF Königsbronn 2!

Wobei, Schach, Schach, immer nur Schach? Auch anderes erfreut unsere Gemüter, denn - der Frühling kommt, die ganze Woche schon!

Und auch wenn der Schnee überraschend zurückkehrt, bieten sich in der Natur reizvolle Farbkombinationen.

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Und tja, warten, warten, warten …  auf Deizisau! Sind die Jungs denn immer noch beim Nachwuchstraining?

Freitag: Alles wird gut

Sie haben sich die Woche über ausgeruht? Wurden tagelang vorbereitet im Nachwuchs-ELO-Trainingscamp mit Schwarzwaldblick? Und haben gegen Rinteln (irgendwo im Norden) an drei der vier Bretter ein stattliches Plus von 500 DWZ? -

Man könnte meinen, dass die Deizisauer Schwabenpfeile bei ihrem Auftritt am Freitag ohne Weiteres einem siegreichen Kantersieg entgegenfliegen würden. Doch weit gefehlt.

Lange Zeit blieb die Begegnung weeeeiiit, weit offen, denn die robusten Rintelner wussten zu gefallen! Erst einigten sie sich mit GM Andreas Heimann, dann mit GM Matthias Blübaum auf ein Unentschieden. Solide Wertungszahlarbeit an der Weser!

Lange Zeit ein offenes Match

Erst Rustem Dautov, älterer Jahrgang in der Deizisauer Delegation, gab seiner Mannschaft Sicherheit durch ein spätes Figurenplus gegen Hans-Lennart Seidenstücker. Hier sammelten die Schwaben den einzigen vollen Punkt des Abends, da schließlich auch Marc Gustein gegen Jörn Edling seine Skandinavisch-Partie in einen halben Endspielpunkt ummünzte. 2,5:1,5!

Ein veritabler Achtungserfolg also für Team Rinteln, und tatsächlich behakten sie sich damit schon zum 3.Mal innerhalb von nur 12 Monaten mit den SF Deizisau. Das können nicht viele Vereine unseres Sonnensystems von sich behaupten. So ist das in der DSOL!

Damit enden wir für heute, und natürlich in Vorfreude auf die nächste Deizisauer Begegnung. Wir warten geduldig auf Freitag oder vorher, und wir freuen uns drauf.

Bis es aber soweit ist, hier noch einmal ein Blick zurück mit dem großartigen, dem tragischen Bobby Fischer, und auf das hübsch analoge Schach von 1972.

Turnierseite


Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919, den MTV Leck, den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen. Von 2012 bis 2021 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen. Bloggt seit 10 Jahren auf www.schach-welt.de und VeganeSchachkatzen.de.