London Chess Classic, Rd. 2: Ein Drache in London

von Marco Baldauf
03.12.2017 – Der Drachen ist ein seltener Gast auf Turnieren von absolutem Weltklasseniveau. Leider muss man sagen, denn taucht er auf, so ist zumeist ein Spektakel garantiert. Hikaru Nakamura legte es heute drauf an und ließ den Drachen los - Maxime Vachier-Lagrave wurde überrascht, navigierte sich aber bravourös durch die Komplikationen. Am Ende stand ein Remis zu Buche, wie auch in den anderen vier Begegnungen | Foto: Lennart Ootes

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Karjakin 1/2 Carlsen

Magnus Carlsen zeigte heute sehr früh an, dass sich gegen Sergey Karjakin keineswegs im Verteidigen üben möchte: mit 9...g5 in der italienischen Partie verzichtete er auf die Rochade und schraubte das Risiko hoch.

 
Karjakin-Carlsen: Stellung nach 9...g5
Carlsen prescht vor

Handshake vor der Partie, dann ging es zur Sache | Foto: Lennart Ootes

Karjakin konterte Carlsens Ausfall mit einem Gegenstoß am Damenflügel und nutzte dabei eine kleine Taktik aus, die es ihm erlaubte seinen angegriffenen Springer en prise auf f3 zu belassen.

 
Karjakin-Carlsen: Stellung nach 12.b5
Auf Carlsens Vormarsch kontert Karjakin am Damenflügel

12...gxf3 wurde mit 13.Dxf3 beantwortet, wonach beide schwarzen Springer angegriffen waren und Carlsen das Material wieder zurückgeben musste. Nach 13...Dxf6! vereinfachte sich die Stellung und wie Carlsen nach der Partie meinte, sei die Stellung zwar noch interessant, aber es sei eben nicht mehr allzu viel los.

Magnus Carlsen war mit dem Resultat nicht unzufrieden - morgen möchte er mit Weiß gegen Vishy Anand zum ersten Sieg kommen | Foto: Lennart Ootes

Caruana 1/2 Aronian

Wenig Grund zum Trübsal hatte ebenso Levon Aronian. Er wiederholte exakt jene Spanisch-Variante die er schon in der Auftaktrunde gegen Ian Nepomniachtchi auf dem Brett hatte, setzte mit 15...Tb8 anstatt 15...Ld7 jedoch einen anderen Akzent. Aronian forcierte eine Struktur, die er als sehr remislich bezeichnete, sobald er seine Schwerfiguren perfekt platzieren kann. Dies gelang ihm ohne große Probleme.

 
Caruana-Aronian: Stellung nach 21.b3
Aronian fand hier die Aufstellung 21...Tb5! nebst ...Db8-b6-c5

Schwarz hat so immer ein Auge auf die Schwachpunkte d5 und c2 während er die eigene Schwäche auf b4 zuverlässig überdeckt. Weiß besetzt zwar beide offene Linien, kann aber keine Fortschritte erzielen. Daher Remis im 31. Zug.

Mit Schwarz großartig gelitten, mit Weiß wenig Druck erzeugt: Fabiano Caruana muss in London noch eine Schippe drauf legen | Foto: Lennart Ootes

Vachier-Lagrave 1/2 Nakamura

Die Drachenvariante: extrem gefährlich, extrem riskant, extrem taktisch. Eine suboptimale Eröffnung für Spieler mit solider Herangehensweise. Zu genau einem solchen Spieler hat sich Hikaru Nakamura die letzten Jahre gemausert. Doch zu seltenen Gelegenheiten möchte er das Risiko hochschrauben und zocken. Warum auch nicht? Eingebracht hat es ihm heute jedoch nicht viel, am Ende musste er ein Turmendspiel verteidigen. Am Anfang sah es jedoch gut für Nakamura aus, denn Vachier-Lagrave wurde von der Eröffnungswahl überrascht und musste sich ohne Vorbereitung durch die Komplikationen wühlen, Nakamura verlor den Vorsprung auf der Uhr allerdings bald.

Hikaru Nakamura: 52 Minuten für 17...Sa5?! | Foto: Lennart Ootes

Was lange Zeit nach einem absoluten Spektakel roch verlor leider etwas Biss, als die Kontrahenten in ein Turmendspiel abwickelten, das sich jedoch auch als tückenreich für Schwarz erwies - Nakamura brillierte jedoch in der technischen Phase und sicherte das Remis.

 
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Sizilianische Drachenvariante Band 1: Hauptvariante mit 9.Lc4

Band 1 befasst sich mit der Hauptvariante nach 9.Lc4, der schärfsten Fortsetzung von Weiß. Nielsens Repertoire-Vorschlag ist die Soltis-Variante (12…h5), die auch von Magnus Carlsen regelmäßig gewählt wurde.

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Kein Drachentöter, aber zumindest ein Drachenbändiger: Maxime Vachier-Lagrave | Foto: Lennart Ootes

So 1/2 Nepomniachtchi

 
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Ian Nepomniachtchi | Foto: Lennart Ootes

Anand 1/2 Adams

Michael Adams kann bisher äußerst zufrieden sein: anders als die anderen neun Teilnehmer gehört die britische Nr. 1 als Wild-Card Teilnehmer nicht zum Kreis der absoluten Elite und geht sicherlich als leichter Außernseiter ins Rennen. Natürlich ist Adams mit all seiner Erfahrung und einer stolzen Elozahl von 2715 keineswegs der Fisch im Haibecken - dies stellte er mit einer soliden Verteidigungsleistung gegen Vishy Anand heute unter Beweis. Anand probierte es zwar lange und hatte sicherlich leichten Vorteil, doch an Adams führt heute kein Weg vorbei.

Die Runde in vollem Gange | Foto: Lennart Ootes

In der Tabelle liegen damit alle Spieler mit 1.0/2 gleichauf. 10 Remis zum Auftakt sind sicherlich nicht das Ergebnis auf das man hoffte, allerdings spiegelt dies vielmehr großteils fehlerfreies Spiel denn gähnende Langeweile wider. Für Morgen könnten bereits die Messer gewetzt sein: Magnus Carlsen möchte mit Weiß gegen Vishy Anand punkten, Levon Aronian freut sich ebenso auf den ersten Aufschlag mit Weiß. Im US-amerikanischen Duell zwischen Wesley So und Hikaru Nakamura könnte ebenfalls zur Sache gehen.

Morgen ab 15 Live!

Partien der 2. Runde

 
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Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

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