Master Class Band 1: Bobby Fischer

von Tobias Dolgener
02.04.2015 – Bobby Fischer war launisch, exzentrisch, kontrovers, aber er hat viele Leute für das Schach begeistert. Auch Tobias Dolgener, früherer Zweitligaspieler. Er begegnete dem Amerikaner sogar einmal zufällig in der U-Bahn von Budapest und bekam ein Autogramm. Natürlich war Dolgener auf die Master Class DVD über Fischer gespannt. Und wieder begeistert. Mehr...

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Mit dem Fritz-Trainer auf den Spuren von Bobby Fischer

Bobby Fischer hat auf mich schon immer eine riesengroße Faszination ausgeübt. Der kometenhafte Aufstieg – mit 15 jüngster Großmeister im Jahr 1958 (der Rekord wurde erst 1991 (!) von Judit Polgar gebrochen) – und dann der Kampf als Einzelner gegen die geballte sowjetische Schach-Supergroßmacht, das ist schon legendär und absolut einmalig. Wohl nie zuvor hat ein Schachspieler eine solche Begeisterung ausgelöst wie Fischer mit seinem Sturm auf den Weltmeisterthron im Jahr 1972. Die fantastische Siegesserie mit 20 Gewinnpartien in Folge (nicht die einzige, über frühere wurde hier berichtet), die 6:0 Matcherfolge gegen Taimanow und Larsen, der Sieg gegen Petrosjan und dann das „Match des Jahrhunderts“ gegen Spassky sind unvergessen und fester Teil der Schachgeschichte.

Im Zuge des Schachbooms, den Fischer ausgelöst hatte, wurde in dem Dorf auf der schwäbischen Alb, in dem ich aufwuchs, ein Schachklub gegründet. Und so kam ich auch dazu, mich mit Schach zu beschäftigen. 1978 hatte ich meinen ersten großen Erfolg, als ich mit 9 Jahren als allerjüngster Teilnehmer das Schülerschachturnier gewann. Danach hatte ich jedoch andere Interessen, und fing an Leichtathletik zu betreiben und Tischtennis zu spielen.

Erst später, nach einem Umzug in eine Kleinstadt, hat meine Schachleidenschaft begonnen.  Einer meiner Schulkameraden im Gymnasium wollte nicht glauben, dass ich schon mal „Meister“ war und nahm mich in den Schachklub mit. Dort konnte ich schnell Erfolge gegen Erwachsene verbuchen, und meine Schachlaufbahn begann. Damals gab es noch keine Chessbase Schachdatenbanken, und das Wissen musste man sich aus Büchern besorgen. Im Laufe der Zeit hatte ich einiges über Bobby Fischer gesammelt (siehe Foto). Das Buch, was mich am meisten beeindruckt hat, war „Meine 60 denkwürdigen Partien“. Eine schöne Zusammenfassung der verschiedenen Werke über Fischer findet man hier.

Im April 1993 habe ich an meinem ersten (und einzigen) Großmeisterturnier in Budapest teilgenommen, in dem Péter Lékó eine GM-Norm erreichte. Danach absolvierte ich in der ungarischen Hauptstadt vom September an ein Praktikum bei einer Computerfirma im Rahmen meines Studiums. Den genauen Tag weiß ich nicht mehr, aber eines Abends auf der Heimfahrt mit der U-Bahn saß mir plötzlich Bobby Fischer direkt gegenüber. Ich war überrascht und aufgeregt. Als er ausstieg, bin ich ihm gefolgt und habe ihn erst am Ausgang oben eingeholt und ihn höflich um ein Autogramm gebeten. Er hat es mir auf die Rückseite einer Visitenkarte gegeben. Das war wirklich unglaublich, die Schachlegende persönlich zu treffen. Obwohl er nichts gesagt hat und schnell weitergeeilt ist, war das für mich damals ein großes Erlebnis.

Verständlicherweise war mein Interesse riesengroß, den Fritz-Trainer der Reihe „Master Class“ über Bobby Fischer  zu studieren. Mit ChessBase kam es zur digitalen Evolution im Schach. Bei mir fing es mit der MS-DOS Version 2.0 an, inzwischen sind wir bei ChessBase 13 angelangt, das sogar über so moderne Funktionen wie den Zugriff über die Cloud verfügt. Über Fischer habe ich damals die Monographie von Robert Hübner gekauft. Recht interessant wurden die 60 denkwürdigen Partien und deren Analysen kritisch unter die Lupe genommen. Mit der Veröffentlichung des Fritz-Trainers über Fischer steht nun ein ganz modernes Trainingsmittel zur Verfügung, mit Videolektionen von Großmeistern.

Was heutzutage sehr bequem ist, dass man aus dem Web-Shop von Chessbase nicht nur eine DVD bestellen, sondern auch sofort durch einen Download über das Internet die Dateien auf seinen heimischen PC herunterladen kann. Nach wenigen Minuten waren die 1,2 GB des Fischer Fritz-Trainers bei mir übertragen. Bei der Installation kann man zwischen verschiedenen Sprachen (DE, EN, ES, FR, IT, NL) wählen. Die Videos wurden auf Deutsch und Englisch produziert. Nach Aktivierung mit der erhaltenen Seriennummer ist der Fritz-Trainer startbereit.

In der Datenbank Übersicht im ChessBase Programm selber hebt sich der Trainer sehr gut ab, da als Datenbanksymbol das Bild der DVD zu sehen ist. Wobei jedoch der Besitz der Chessbase Software nicht unbedingt Voraussetzung ist. Im Lieferumfang enthalten ist das Leseprogramm ChessBase Reader, daher kann man die DVD auch eigenständig nutzen.

Nach dem Start kommt man auf dem „Text“-Reiter in das „Cockpit“; von hier aus lassen sich  bequem über Links die einzelnen Themen aufrufen:

Als erstes habe ich mir die Kurzbiographie durchgelesen, um den Werdegang von Bobby Fischer nachzuvollziehen. Danach steuerte ich die Sammlung mit allen Partien von Fischer an. Sehr beeindruckt hat mich dabei der Aufbau. Die einzelnen Partien wurden nicht nur kommentarlos in einer Datenbank gesammelt, sondern mit Texteinführungen vorangestellt und in Abschnitte gegliedert. Diese enthalten auch die Turniertabellen, Beschreibungen und sogar Fotos:

Die meisten Partien sind dabei ausführlich kommentiert und auch farblich mit den wohlbekannten Medaillen gekennzeichnet:

Toll ist auch die Eröffnungsbaumübersicht. Fischer mit Weiß und mit Schwarz. Damit kann man das Repertoire des Weltmeisters schön nachvollziehen und erhält einen statistischen Überblick über seine Erfolge. Klar hat er mit Weiß hauptsächlich 1. e4 gespielt, aber interessant zum Beispiel, dass er mit 1.b3 viermal eröffnet und dabei eine Ausbeute von 100 % erzielt hat.

Neugierig war ich auch auf die 100 Trainingsfragen, worin man sich selber testen kann, ob man die Züge von Fischer auch gefunden hätte. Man erhält automatisch eine Zeitvorgabe zum Überlegen, und wenn man gar nicht weiterkommt, kann man sich einen Tipp über die Hilfe anzeigen lassen:

Schon allein dieses umfangreiche Material würde den Kauf dieser Fritz-Trainer DVD lohnen, jedoch läuft das alles nur unter „Zusatzmaterial“!

Der Hauptteil besteht aus den Videos mit einer gesamten Spielzeit von 5 Stunden! Mit Hilfe des ChessBase Mediasystems kommen dabei die Großmeister Dorian Rogozenco und Mihail Marin (beide aus Rumänien), sowie Karsten Müller und der Internationale Meister Oliver Reeh direkt auf den heimischen Bildschirm. Dieser ist dann so aufgeteilt, dass man groß das Schachbrett sieht, auf der rechten Seite ein Video und darunter wird die Notation aufgeführt.

Die Meister legen dabei Ihre persönlichen Einblicke und Erklärungen ausführlich dar und so erhält man ein persönliches Training präsentiert.

Oliver Reeh ist für die Taktik zuständig und weist aufschlussreich auf die Feinheiten in einer Stellung hin, auch farblich werden die jeweiligen Drohungen hervorgehoben.

Dann stellt er jeweils eine Frage zum Erraten des nächsten Zuges. Dabei stoppt das Video und man hat die Möglichkeit, die richtige Lösung zu finden. Schafft man dies nicht beim ersten Versuch, kann man nochmal wiederholen. Wenn man nicht auf die Lösung kommt, lässt sich diese mit einem Klick auch anzeigen. Danach wird das Video fortgesetzt und das Rätsel gelöst. Das machte Spaß, vor allem weil mir noch nicht alle Stellungen bekannt waren. Nur in dem ersten Videoclip mit der „Partie des Jahrhunderts“ zwischen Donald Byrne und Fischer aus dem Jahr 1956 waren mir die Lösungszüge schon geläufig. Der elfte Zug von Schwarz ist jedoch so verblüffend; ich würde staunen, wenn den jemand findet, ohne die Partie schon zu kennen. Die entscheidenden Momente  werden von Reeh mit mehreren Testfragen schön vorgestellt. In der Partiedatenbank findet man diese außerdem sehr ausführlich von Karsten Müller kommentiert vor.

Neben Taktik gibt es in dem Fritz-Trainer auch Videos über Strategie. Hierfür ist Mihail Marin zuständig. Seine Einleitung im ersten Video erscheint mir etwas holprig und stockend, aber man muss ihm ja zugutehalten, daß Deutsch nicht seine Muttersprache ist. Die englischsprachige Version ist ihm im Vergleich hierzu besser gelungen. Das Partienmaterial hat Marin - zum Thema passend - gut gewählt. Es beginnt mit dem Kampf gegen den Isolani in der Partie Fischer – Filip (Palma de Mallorca 1970). Interessant, wie Marin Vergleiche zu den Partien von Karpov anführt. Tatsächlich gab es in der zweiten und sechsten Partie im Kandidatenfinale zwischen Karpov – Sokolov (Linares 1987) einen ähnlichen Aufbau mit der Dame auf c1. Was jedoch etwas verwirrend ist, dass Marin im 18. Zug aus Versehen die Züge verwechselt. Filip spielte zuerst Tc8 und nicht Lf6. Ansonsten sind die Erklärungen sehr ausführlich und nachvollziehbar.

Marin geht auch auf die Vorschläge von Kommentatoren ein. Wie ich aus dem Buch von Elie Agur ("Bobby Fischer – A study of his approach to chess") entnehmen konnte, wurde der Rückzug im 15. Zug mit dem Läufer nach b7 damals als Fehler verurteilt. Dies stellt Marin klar, dass stattdessen 15.-Dc8 nicht unbedingt besser ist. Ein bisschen schade finde ich, dass auf Alternativen zum Ende der Partie nicht weiter eingegangen wird. Filip selber hat diese Partie im Schachinformator 10 kommentiert und zum Beispiel im 30. Zug a5 für Schwarz vorgeschlagen. Oder Schulenburg/Konikowski geben in ihrem Buch „Fischers Vermächtnis“ im 23. Zug als aktivere Möglichkeit Tc2 an. Vor allem jedoch hätte Filip statt dem Verzweiflungszug 35.-g5 noch die Verteidigung 35.-Tc8 gehabt, wie Karsten Müller in seinem Buch „Bobby Fischer – The career and complete games of the american world champion“ anführt (Partie 645). Das hätte man im Video berücksichtigen können.

Die weiteren drei Videos sind allesamt sehr instruktiv. Vor allem gefällt mir das zweite mit der Partie gegen Taimanow. Die verschiedenen Feinheiten und Manöver werden von Marin ausführlich erklärt. Der Schlussteil dieser Partie wird von Karsten Müller unter den Endspielvideos lehrreich untersucht.

Mit 25 Videoclips ist das Thema Endspiele auch am umfangreichsten und meiner Ansicht nach handelt es sich dabei um das Glanzstück dieses Fischer Trainers. Als Endspielexperte hat sich Karsten Müller ja schon lange einen Namen gemacht. Sein Buch „Grundlagen der Schachendspiele“ (zusammen mit Frank Lamprecht) ist bereits ein Klassiker. Außerdem ist Müller als Autor diverser ChessBase Endspieltraining-DVDs bekannt.

Sein Material hier nun auf dem Fritz-Trainer hat Müller übersichtlich in 4 Kapitel unterteilt. Die Clips machen einen schon vom Namen her neugierig, so z. B. „Benkos brilliante Idee“, „Taimanows Albtraum“ (davon gibt es gleich drei!), „Ein Blitz aus heiterem Himmel“. Da bekommt man Lust aufs Anschauen. Mit Begeisterung trägt Müller das Material sehr unterhaltsam und instruktiv vor. Immer wieder wird auch klar, wie wichtig die Kenntnis der Endspielregeln ist.

Für den Bereich Eröffnungen ist Dorian Rogozenco verantwortlich, in vier Videos gibt er einen Überblick über Fischers  Eröffnungsvorlieben. Ganz erstaunlich ist dabei wie gut Fischer sich vorbereitete, was ja damals ohne Chessbase und ohne Internet nicht so einfach wie heute war. Eindrucksvoll zeigt dies Rogozenco im zweiten Video, der taktische Zug 12. Ld5!! gespielt in der Partie Fischer – Rubinetti (Palma de Mallorca 1970) kam im Jahr davor, in der ungarischen Meisterschaft 1969 in zwei Partien aufs Brett und war Fischer offensichtlich bekannt. In den Vorgängerpartien Ribli – Szekely und I. Polgár – Filep hat Schwarz  interessanterweise das Opfer beide Male abgelehnt – mit Dc8 bzw. Db6 und Weiß hat beide Male gewonnen.

Für Rubinetti war der Zug wohl eine Überraschung. Nach der Annahme des Opfers hat er schnell verloren.

Rogozenco hätte ergänzend noch hinzufügen können, dass komischerweise dieselbe Eröffnungsvariante im Jahr 2006 (!) zwischen zwei starken Spielern mit über 2500 ELO in Kogan gegen Popov wiederholt wurde. Nach Annahme des Opfers war der neue Zug 16. – Kc7 keine Verbesserung, und auch hier gewann Weiß schnell. Das Studium wie Fischer die Eröffnungen behandelt hat, kann also auch heute noch wertvoll sein.

Fazit

Mit diesem Fritz-Trainer der Reihe Masterclass hat man einen umfangreichen Einblick in das Schaffen von Bobby Fischer. Anhand der Videos bekommt man von den GMs und dem IM ein wertvolles Training zu sich nach Hause geliefert. Dabei ist es ganz praktisch, dass, wenn man ein Video nicht sofort zu Ende anschaut, das Programm sich die Stelle merkt, an der man aufgehört hat, und beim nächsten Aufruf von dort fortsetzt. Schon allein das Zusatzmaterial mit der Datenbank, den Taktikfragen und Eröffnungsbäumen macht die DVD außerordentlich empfehlenswert. Mit den Videos zusammen ist diese DVD ein absoluter Knüller. Schachspieler jeglicher Spielstärke können von diesem Fritz-Trainer ungemein profitieren. 5 Sterne von 5!

Beispielvideo

 

Master Class Band 1: Bobby Fischer

• Videospielzeit: ca. 5 Std. (Deutsch)
• Interaktiver Taktiktest mit Videofeedback
• Alle Fischer-Partien, Tabellen, Hintergrundwissen, Kurzbiographie
• „Fischer-Powerbook“: Das Repertoire des Weltmeisters als Variantenbaum
• Taktik-Training: 100 Fischer-Partien mit Trainingsfragen
• Mit ChessBase 12 Reader

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Tobias Dolgener analysiert beruflich Software-Probleme für das deutsche Unternehmen SAP. Schachlich war er früher sehr aktiv und hat in der 2. Bundesliga Süd gespielt, sowie an mehreren IM- und einem GM-Turnier teilgenommen. Das Datenbankprogramm ChessBase hat er seit 1990 im Einsatz.