New York 1924, Runde 2: Aljechin startet mit zwei Siegen
Die von Spielern wie Aron Nimzowitsch, Richard Reti oder Gyula Breyer progagierten neuen Ideen im Schachspiel sorgen in der Meisterpraxis für immer neue Eröffnungsexperimente. Plötzlich machen die besten Spieler der Welt Züge, die früher undenkbar erschienen oder belächelt worden wären. Ein gutes Beispiel dafür ist die Aljechin-Verteidigung, in der Schwarz nach 1.e4 Sf6 spielt und den weißen e-Bauern provoziert, vorzurücken und den Springer weiter anzugreifen.
Lange Zeit hat man diese Idee, mit der Weiß das Zentrum schnell mit Bauern besetzen kann, als exzentrisch abgetan, aber seit sich die Erkenntnis allmählich durchsetzt, dass auch scheinbar starke Bauernzentren schwach und anfällig sein können, hat man sich die Eröffnung genauer angeschaut.
Vor allem Aljechin hat sich um diese Variante verdient gemacht und sie mehr als einmal in ernsthaften Turnierpartien ausprobiert, zum Beispiel gegen Friedrich Sämisch und Endre Steiner beim Turnier in Budapest 1921. Inspiriert wurde Aljechin dabei wahrscheinlich von den Untersuchungen des Moskauer Meisters Michail Kljazkin, der ein leidenschaftlicher Verfechter des paradoxen Anfangszugs von Schwarz ist und den Aljechin aus seiner Zeit in Moskau sicher kannte.
Möglicherweise hat Aljechin "seiner" Eröffnung in der zweiten Runde des Turniers in New York jetzt weitere Anhänger beschert. Denn er kam nach 1.e4 Sf6 mit Schwarz gegen den als sehr solide geltenden Ungarn Geza Maroczy zu einem schnellen und kraftvollen Sieg.
Geza Maroczy
Das blieb jedoch der einzige Sieg der Runde. Das mit Spannung erwartete Duell zwischen Ex-Weltmeister Emanuel Lasker und dem amtierenden Weltmeister Capablanca endete in einem von beiden Seiten verhalten gespielten Spanier nach 30 Zügen ohne viel Aufregung mit Remis.
Für mehr Unterhaltung sorgten da die weniger korrekt gespielten Partien. Eine davon war die Partie zwischen Edward Lasker und Efim Bogoljubow, die einmal mehr illustriert, dass nichts so schwer ist, wie eine gewonnene Partie zu gewinnen.
Edward Lasker ist übrigens der einzige Amateur im Feld der Profis. Er wurde am 3. Dezember 1885 in Kempen, in der Provinz Posen in Deutschland geboren, aber emigrierte nach Studium in Breslau und Berlin nach kurzem Stopp in London in die USA. Lasker ist Ingenieur von Beruf und entwickelte in den Jahren 1921 bis 1923 eine elektrische Brustpumpe, die vielen Babys das Leben gerettet und Lasker reich gemacht hat.
Edward Lasker in New York 1924
Doch obwohl Lasker Amateur ist, sollte man ihn nicht unterschätzen. So hat er nur ein Jahr zuvor, 1923, einen Wettkampf gegen Frank Marshall um die US-Meisterschaft nur sehr knapp mit 8,5-9,5 verloren.
Und auch gegen Efim Bogoljubow zeigte Edward Lasker in schlechter Stellung eine ganze Menge an taktischem Einfallsreichtum. Dankenswerterweise hat er die entscheidenden Momente der Partie im Anschluss beleuchtet.
Nach zwei Runden liegt Aljechin jetzt mit 2 aus 2 alleine an der Spitze des Feldes. In Runde 3 trifft er mit Weiß auf Emanuel Lasker – und hier wird sich zeigen, ob Lasker wirklich noch ein ernsthafter Anwärter auf den Turniersieg ist oder ob die große Zeit des Mannes, der 27 Jahre lang Weltmeister war, endgültig vorbei ist.
Ergebnisse der 2. Runde
Em. Lasker ½-½ J.R. Capablanca
Ed. Lasker ½-½ E. Bogoljubow
F. Marshall ½-½ S. Tartakower
F. Yates ½-½ D. Janowsky
G. Maroczy 0-1 A. Aljechin
Spielfrei: Richard Reti
Stand nach der 2. Runde
Partien der Runden 1 und 2
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