OIBM Tegernsee: Adly führt

von Marco Baldauf
03.11.2017 – Als einziger Spieler mit einer weißen Weste führt Ahmed Adly nach sechs gespielten Runden am Tegernsee. Gergely Antal aus Ungarn zog gegen ihn den Kürzeren, ebenso Chanda Sandipan. Berichtenswertes ereignete sich allerlei: Verpasste Matt in 1, Sandipans Stonewall, der schlechte Läufer. Ebenso spannende Partien liefert der amtierende U16-Weltmeister Andrey Esipenko (Foto). Mit 5.5/6 liegt er auf Platz Zwei | Foto: Turnierseite

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Runde 4: Gute Läufer, schlechte Läufer

Die Favoriten sind weiter auf dem Vormarsch. Alle Großmeister mit 3.0/3 gewannen auch ihre vierte Partie. Nun gibt es noch 15 Spieler mit weißer Weste, 11 davon sind Großmeister. Für die heutige 5. Runde kommt es zu spannenden Aufeinandertreffen. An Brett 6 kam es zum Aufeinandertreffen zwischen Karsten Schuster und Chanda Sandipan. Karsten ist FIDE Meister, Amateur und spielt für Gröbenzell in der bayerischen Landesliga. Sandipan ist Großmeister aus Indien, Vielspieler und für SG Solingen in der Bundesliga am Brett. Die gestrige Begegnung bot gewisse Highlights.

Chanda Sandipan | Foto: Turnierseite

 

The Dutch Stonewall - A fighting repertoire against 1.d4

In der Holländischen Stonewall-Variante kämpft Schwarz vom ersten Zug an um die Initiative. Gehen Sie mit GM Erwin l'Ami auf eine faszinierende Reise und lassen Sie sich von ihm die Tiefe und den Reiz dieser attraktiven Eröffnung demonstrieren!

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Wohin mit dem schlechten Läufer ist immer eine schwierige Frage. Manche ziehen ihn raus und tauschen ihn ab, manche behalten ihn gerne im Käfig. Den Spielertypus „Französisch-Spieler“ kennt jeder. Oftmals steht er ganz bemitleidenswert mit seinem eingemauerter Läufer auf c8. Von dort deckt er aber die schwachen Bauern auf a6 und e6 ganz hervorragend.

Alex Seyb ist kein Französisch-Spieler. So etwas Passives käme ihm nicht ins Haus. Mit einem Strukturträger auf c8 kann er dementsprechend nichts anfangen. In seiner gestrigen Partie gegen GM Ahmed Adly tauscht er seinen Läufer lieber auf f3 ab. Der Bauer auf a6 macht ihm später jedoch große Sorgen.

 

Diese Sache mit den Läufern...da hilft oft das ganze Grübeln nichts | Foto: Turnierseite

Was unterscheidet den Großmeister vom Amatuer? In der Begegnung Schuster-Sandipan zeigte sich tieferes Verständnis des Figurenpotenzials auf Seiten des Profis, Adly kannte die Eröffnung besser als Seyb, welcher daraufhin früh unter Druck geriet und schwierige Entscheidungen treffen musste – um die Pauschalität der Partieanalyse etwas zu relativieren: ich habe keine Ahnung, ob ...Lg4 ein Fehler ist. Alex war auch nach der Partie überzeugt, dass es zumindest der prinzipielle Zug ist.

Oftmals sagt man ja, im Endspiel unterscheidet sich die Spielstärke am deutlichsten.

Aus Ulf Anderssons Partien kann man etwas über Endspiele lernen | Foto: Turnierseite

Leon Mons ist aus einer anderen Generation als Andersson. Junge Spieler werden oft bezichtigt, von Endspielen wenig Ahnung zu haben und nur Eröffnungen zu können. Dass dies nicht unbedingt richtig ist, stellte Leon gestern ein weiteres Mal unter Beweis. Oder um es mit einem Zitat des US-amerikanischen Fernschachspielers und Buchautors Gerzadowicz zu sagen: "Aus Eröffnungen lernt man Eröffnungen, aus dem Endspiel lernt man Schach". Leon hat also Schach gelernt.

 

Runde 5: Die Luft wird dünner

An den ersten sieben Brettern spielten heute Spieler mit je 4.0/4. Drei davon endeten entschieden, vier Remis. Als erstes trennten sich Aloyzas Kveinys und Anton Korobov friedlich. Nach nur einer halben Stunde war das Unentschieden unterschriftsreif. Länger setzte man sich hinterher zu Analyse und Bier zusammen. Zu Siegen kamen Ahmed Adly, Chanda Sandipan und Kaido Kualots. Adly bestätigt seine bisher gezeigte Form und nimmt den ungarischen Großmeister Gergely Antal völlig auseinander.

 

Gergely Antal ohne Chance gegen den Angriffswirbel seines Gegners | Foto: Turnierseite

Was machten in Zwischenzeit die „vier Nachzügler“? Wir erinnern uns: aufgrund von Flugausfällen trafen die vier Großmeister Fier, Zubov, Huschenbeth und Jumabayev erst am Sonntag am Tegernsee ein und mussten mit einem Handicap von 0/1 in das Turnier starten. Seitdem rollen sie das Feld gemeinsam von hinten auf: alle vier stehen bei 4/5 und sind nun auf Tuchfühlung mit der Spitze.

In Lauerstellung: Großmeister Alexander Fier aus Brasilien | Foto: Turnierseite

Leon Mons spielte gegen den argentinischen GM Fernando Peralta und kam mit Schwarz zu einem soliden Remis. Ich hatte abends die Gelegenheit, ein paar Kommentare zur Partie von ihm einzufangen.

 

Melanie Lubbe verlor in der 4. Runde gegen GM Yinglun Xu, meldete sich aber in der 5. Runde mit schönem Angriffsschach zurück.

 

Melanie Lubbe | Foto: Turnierseite

Runde 6: Spannende Duelle und verpasste Matts

Ein vielen Schachfans bekanntes, geduldetes, aber keineswegs erfreuliches Szenario sind die berühmt-berüchtigten Großmeister-Remis auf Open. Die erfahrenen Jungs schlagen in den ersten Runden die Amateure um sich dann gegen ihresgleichen durchzuremisieren. „Sicher ins Preisgeld“ kommen lautet oftmals die Devise. Am Tegernsee durften wir bisher in kleinen und so auf jeden Fall verträglichen Dosen Zeugen dieser Strategie sein. Im Großen und Ganzen wurde in Runde 6 an den Spitzenbrettern wieder fleißig gekämpft - es gab nur ein kurzes Remis zu sehen.

Alleiniger Spitzenreiter ist nun Ahmed Adly. In einer spannenden und keineswegs einseitigen Partie besiegte er Chanda Sandipan.

 

Volle Konzentration am Spitzenbrett | Foto: Turnierseite

Hinter dem ägyptischen Topgroßmeister stehen drei Spieler bei 5.5/6. In Runde 7 lautet die Paarung an Tisch 1 Kulaots-Adly, dahinter spielt Aloyzas Kveynis gegen Andrey Esipenko. Der U16-Weltmeister aus Russland zeigt weiterhin gut Form und gewann eine starke Partie gegen Matthias Dann. Sofern er diese überhaupt noch benötigt ist er mit einer Performance von über 2700 Elo auf Kurs für die GM-Norm (benötigt werden 2600). Es ist ohnehin kurios, dass er mit einer Elo von 2550 nur FIDE-Meister ist. Ich würde wetten, wir haben hier den stärksten FIDE-Meister der Welt zu Gast am Tegernsee.

Turnierdirektor Sebastian Siebrecht hat mit dem amtierenden U16-Weltmeister einen künftigen Weltklassemann an den Tegernsee gebracht | Foto: Turnierseite

 

Ehe er in der absoluten Weltelite ankommt, hat Andrey noch einen langen und steinigen Weg vor sich. Er wäre jedoch nicht der erste Starspieler, der als Kind an der OIBM teilgenommen hat. Im Jahr 2000 und 2001 war ein neun bzw. zehr Jahre alter Norweger zu Gast am Tegernsee. Dieser sollte später als 16. Weltmeister und möglicherweise stärkster Spieler aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen.

Mit fünf Siegen in Folge hat sich auch Niclas Huschenbeth an die Spitzenbretter gekämpft. Niclas macht aktuell ein Semester Pause an der Uni und konzentriert sich voll auf Schach. Vergangene Woche spielte er ein starkes Turnier auf Korsika und überschritt die Grenze von 2600 Elo. Das nächste Ziel 2650 ist schon anvisiert.

2600 ist geschafft, 2650 fest im Blick: Niclas Huschenbeth, Schachgroßmeister und Student a.D. | Foto: Turnierseite

 

Ich muss gestehen, ich bin Wiederholungstäter. Vor zwei Jahren übersah ich in der 2. Runde des Vienna Opens ein Matt in 1. Ok, meine Fortsetzung führte zu einem klar gewonnenen Endspiel, aber etwas doof kommt man sich schon vor, wenn man nach der Partie nach Hause kommt, die Website öffnet und dann dort plötzlich #1 aufleuchtet...gestern stellte sich das Gefühl „Was machst du eigentlich?“ schon früher ein. Kurz nach der Partie kamen die Whattsapp reingeflattert:

Hast Th5 Matt ned gesehen? (mein Bruderherz) - hab mich schon gewundert warum du so lange überlegt hast

Glückwunsch! War ne harte Partie, oder? Aber war Th5 nicht Matt? Statt Te6? (Jochen, mein Mannschaftsführer aus Rosenheim)

Manch einer glaube sogar, ich habs absichtlichtlich nicht gespielt:

Geile Partie, Glückwunsch! Und so richtig schön ausgekostet, schön sadistisch (Rainer, Vorstand von den SF Berlin) – meine Lösung war ja herrlich fies, also wieso Matt setzen?

Matt hin, Matt her, die Partie war jedenfalls spannend genug, sodass ich sie für die Leserinnen und Leser kommentiert habe.

Was? Matt in 1 übersehen? Der IM? Das notiere ich gleich mal... | Foto: Turnierseite

 

Tabelle nach 6 Runden:

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Adly Ahmed 6,0 2366
2 Esipenko Andrey 5,5 2362
3 Kveinys Aloyzas 5,5 2329
4 Kulaots Kaido 5,5 2328
5 Korobov Anton 5,0 2408
6 Romanov Evgeny 5,0 2382
7 Ruck Robert 5,0 2369
8 Gopal G.N. 5,0 2356
9 Sandipan Chanda 5,0 2352
10 Mons Leon 5,0 2338
11 Li Di 5,0 2327
12 Peralta Fernando 5,0 2312
13 Antal Gergely 5,0 2295
14 Xu Yinglun 5,0 2280
15 Iturrizaga Bonelli Eduardo 5,0 2248
16 Postny Evgeny 5,0 2247
17 Zajogin Alexander 5,0 2232
18 Zysk Robert 5,0 2203
19 Lubbe Nikolas 5,0 2194
20 Womacka Mathias 5,0 2187
21 Baldauf Marco 5,0 2185
22 Jumabayev Rinat 5,0 2162
23 Fier Alexandr 5,0 2156
24 Huschenbeth Niclas 5,0 2147
25 Chu Wei Chao 4,5 2288
26 Morawietz Dieter 4,5 2266
27 Dann Matthias 4,5 2261
28 Lubbe Melanie 4,5 2259
29 Henderson De La Fuente Lance 4,5 2245
30 Seyb Alexander 4,5 2244

... 484 Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Alle Partien:

 

Links:

OIBM Tegernsee, Rd. 2-3

OIBM Tegernsee, Rd. 1

Turnierseite

Ergebnisse bei chess-results

 

 

 

 


Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

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