Ein Interview mit Polina Karelina, der besten Schachspielerin auf den Bahamas

von Arne Kaehler
19.08.2020 – Wer an die Bahamas denkt, denkt wohl weniger an Schach, sondern vor allem an Sonne, Meer und Urlaub. Doch die Insel im Atlantik hat eine aktive Schachszene und Polina Karelina gehört dazu. Sie ist die beste Spielerin des Landes und in einem Interview spricht sie über ihre Schachleidenschaft, die Polgars und das Schachleben auf den Bahamas. | Foto: Paul Truong

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Schach auf den Bahamas

Die Bahamas liegen im Atlantik unterhalb von Miami und oberhalb von Kuba und bestehen aus mehr als 700 Inseln, von denen 30 bewohnt sind. Auf der Rangliste der nach Fläche größten Länder der Welt liegen die Bahamas auf Platz 178, bei der Einwohnerzahl kommen sie auf Platz 155. Nationalsport ist Kricket, aber Schach wird auch gerne gespielt.

Polina Karelina vs. Valentine Cox

Arne Kaehler: Polina, du bist die beste Spielerin der Bahamas. Wie und wann hast du Schach gelernt?

Polina Karelina: Die Regeln habe ich mit vier gelernt und etwa ein Jahr später habe ich bereits in Turnieren auf den Bahamas gespielt. Mit sechs habe ich die Landesmeisterschaft U10 gewonnen und mit acht die Landesschülermeisterschaft U18. Auch danach ging es vielversprechend weiter: ich gewann die Jugendmeisterschaft der Bahamas, als jüngste Spielerin oder Spieler überhaupt, und fing an, gegen Erwachsene zu gewinnen, unter anderem gegen den damaligen Landesmeister.

Doch mit elf bekam ich ernsthafte gesundheitliche Probleme, und meine Mutter und ich sind in die Ukraine gezogen, um sie behandeln zu lassen. Ich spielte weiter Schach und gewann noch im gleichen Jahr die U12-Meisterschaft der Mädchen in Kiew. Aber ein paar Monate später habe ich wegen chronischer Rückenschmerzen aufgehört Schach zu spielen.

Erst Ende 2015, da war ich 14, habe ich beschlossen, wieder mit dem Schach anzufangen. Das war sehr schwer und meine Ergebnisse waren sehr wechselhaft. Im Januar 2016 habe ich mein erstes Turnier nach meiner Rückkehr zum Schach gespielt, und kam dort zu meiner eigenen Überraschung sogar zu einem Remis gegen einen Spieler mit einer Elo-Zahl von 2000. Aber alles in allem verlief dieses Jahr sehr wechselhaft und es ging auf und ab.

AK: Wo auf den Bahamas bist du groß geworden und wie ist es, auf einem solchen Inselstaat groß zu werden?

PK: Als ich klein war, habe ich auf Paradise Island gelebt, einer kleinen Insel, die zu New Providence gehört, wo auch die Landeshauptstadt Nassau liegt. Die meisten Turniere auf den Bahamas werden auch in Nassau gespielt, abgesehen von ein paar wenigen, die im Old Fort Bay Club im Atlantis Hotel auf Paradise Island stattfinden.
Die Bahamas bestehen aus etwa 700 Inseln und Inselchen, und obwohl die Leute häufig das Boot benutzen, um von einer Insel zur anderen zu kommen, ist es oft leichter, das Flugzeug zu nehmen, denn viele der Inseln liegen recht weit voneinander entfernt.
Die Entfernung macht es schwer, Turniere zu organisieren, an denen Spieler von allen Inseln teilnehmen können, aber manchmal kommen Spieler nach Nassau, um dort ein Turnier zu spielen. Der Schachverband der Bahamas unternimmt große Anstrengungen zur Förderung des Schachs und trainiert Schachlehrer auf den einzelnen Inseln. Man hofft, bald größere Turniere organisieren zu können, in denen Spieler von allen Inseln der Bahamas teilnehmen können.

AK: Du bist Women Candidate Master. Wann und wie bist du zu diesem Titel gekommen?

PK: Im Mai 2016 habe ich im Frauenturnier des Subzonenturniers 2.3.5 gespielt. Meine Ergebnisse in diesem Turnier waren extrem unbeständig und ich hatte große Startschwierigkeiten. Aber in der Mitte des Turniers gelang mir ein Comeback und meine Gegnerin in der letzten Runde war WCM (Women Candidate Master) und ich brauchte nur ein Remis, um selber WCM zu werden. Ich habe sogar gewonnen und fünf Monate nach meiner Rückkehr zum Schach war ich Titelträgerin.

 

Aber trotzdem hatte ich das ganze Jahr hindurch zu kämpfen, und ich hatte das Gefühl, unter meinem Niveau zu spielen. Doch ich habe nicht aufgegeben und gegen Ende des Jahres und Anfang 2017 stellten sich Erfolge ein und ich gewann die eine oder Partie gegen die stärksten Spieler der Bahamas. Die folgende Partie habe ich bei der Landesmeisterschaft 2017 gespielt. Mein Gegner, NM Frank Gibson, war sieben Mal Landesmeister und ist seit Jahren die Nummer eins der Bahamas. Er spielt jetzt nicht mehr oft, aber ich freue mich, dass ich ein paar schöne Partien gegen ihn gewinnen konnte.

 

Bei allem, was ich tue, setze ich mir hohe Ziele und suche die Herausforderung. 2017 wurde ich zu einem Turnier in Barbados eingeladen, bei dem in zwei Gruppen gespielt wurde. Ich habe mich für das stärkere Turnier angemeldet, in dem die meisten Teilnehmer über 2100 Elo hatten. Ich hatte die mit Abstand niedrigste Zahl, aber zu meiner eigenen Überraschung holte ich 1,5 Punkte und gewann gegen einen IM. Und auch etliche meiner anderen Partien waren knapp.

 

Das war eine nützliche Erfahrung und ab 2018 habe ich regelmäßig Turniere auf den Bahamas gewonnen und wurde in die Nationalmannschaft berufen und konnte an der Schacholympiade 2018 teilnehmen. Im offenen Turnier. Die Olympiade war eine phantastische Erfahrung. Ich habe am ersten Brett gespielt, alle elf Runden. Das war hart, aber ich habe viel gelernt und die und die Mannschaft hat sich gut geschlagen. Einer unserer Spitzenspieler, CM Byron Small, hat bei der Olympiade einen weiteren CM-Titel für die Bahamas geholt.

Die folgende Partie wurde in der ersten Runde der Landesmeisterschaft 2019 gespielt. Mein Gegner, NM Valentine Cox, ist einer der stärksten Spieler des Landes. Ich hatte oft Probleme gegen ihn und so war diese Partie sehr wichtig für mich. Danach habe ich die nächsten sechs Runden in Folge gewonnen und lag zusammen mit dem Titelverteidiger, CM Kendrick Knowles, an der Spitze. Meine letzten beiden Partien habe ich dann leider verloren, aber trotzdem wurde ich am Ende Zweite, und da sich Knowles durch sein Ergebnis bei der Landesmeisterschaft 2018 bereits für das Olympiateam 2020 qualifiziert hatte, ging der Qualifikationsplatz für die Olympiade 2020 an mich. Ich freue mich darauf, die Bahamas bei der Olympiade 2020 in Moskau wieder im Open zu vertreten!

 

AK: Wird Schach in den Bahamas gefördert und wirst du unterstützt?

PK: Wir sind ein kleiner Verband und Schach als Sport steckt auf den Bahamas noch in den Kinderschuhen. Wir haben viele Talente, aber wenig Gelegenheit, internationale Turniere zu spielen, und so ist es für uns schwieriger, uns zu verbessern als für Spieler in anderen Ländern mit einer größeren Schachszene. Aber die Organisatoren einer Reihe von lokalen Turnieren konnten Sponsoren gewinnen, und das hat enorm dazu beigetragen, das Schach auf den Bahamas zu fördern. Dank der harten Arbeit von BCF-Präsident CM Elton Joseph und FM Cecil Moncur spielen mehr talentierte Junioren als je zuvor Turniere, und es ist spannend zu sehen, wie sich Schach auf den Bahamas weiter entwickelt.

Die Mannschaft der Bahamas bei der Schacholympiade Olympiad 2018

AK: Was tust du, wenn du kein Schach spielst?

PK: Ich studiere Informatik online und kommenden Herbst fange ich an, BWL in Österreich zu studieren. Ich hoffe, ich kann während meines Studiums in Europa mehr Turniere spielen als jetzt.

AK: Polina Karelina ist kein unbedingt typischer Name für die Bahamas.

PK: Ich habe Familie in Russland und der Ukraine. Mein Stiefvater kommt von den Bahamas und so habe ich auch hier Familie.

AK: Letztes Jahr, im September 2019, hat der Hurrikan Dorian Teile der Bahamas verwüstet. Ist es gefährlich, auf den Bahamas zu leben, oder ist es dort tatsächlich so paradiesisch, wie viele Leute es sich vorstellen?

PK: Natürlich, und vor allem angesichts der globalen Erwärmung, sind Hurrikans eine Gefahr für die Karibik, und wir alle müssen unseren Beitrag dazu leisten, die Umwelt zu schützen. Aber dennoch sind die Bahamas immer noch einer der schönsten Orte der Welt.

Ein schwimmendes Schwein in Pig Beach - Major Cay

AK: Du hast die gesundheitlichen Probleme erwähnt, die du mit elf hattest. Wie geht es dir jetzt?

PK: Mir geht es gut. 2015 wurde ich operiert, danach habe ich wieder angefangen, Schach zu spielen.

AK: Du hast sogar einmal gegen Magnus Carlsen gespielt. Wie kam es dazu?

PK: Als ich wieder mit dem Schach angefangen habe, habe ich die PlayMagnus App zum Training genutzt, und jedes Jahr lädt das Unternehmen 10 bis 12 Spieler und Spielerinnen zu einem Simultan gegen Magnus ein. 2016 wurde ich eingeladen – eine schöne Überraschung! Das Simultan fand in New York statt. Natürlich wusste ich, dass das Ergebnis feststand, aber trotzdem wollte ich eine gute Partie spielen. Allerdings war ich ziemlich nervös und habe schon in der Eröffnung jede Menge falsch gemacht. Trotzdem, die Erfahrung war cool!

Magnus Carlsen vs. Polina Karelina (Analyse)

AK: Hast du einen Lieblingsspieler oder eine Lieblingsspielerin? Und ein Lieblingsbuch?

PK: Die Polgar-Schwestern! Susan, Sofia und Judit haben mich inspiriert, seit ich angefangen habe, Schach zu spielen. Als ich gerade angefangen hatte, habe ich "Chess: 5334 Problems, Combinations and Games" von ihrem Vater, László Polgár, gelesen. Das war mein Lieblingsbuch, als ich klein war.

AK: Willst du nach deinem Studium in Europa bleiben oder willst du auf die Bahamas zurückkehren?

PK: Ich weiß es noch nicht. Im Moment will ich dort einfach nur studieren. Aber wie auch immer, auf den Bahamas werde ich immer zuhause sein.

AK: Vielen Dank für das Interview!

PK: Ich bedanke mich!

Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer

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Arne Kaehler, ein kreativer Kopf, der sich für Brettspiele im Allgemeinen begeistert, wurde in Hamburg geboren und lernte schon in jungen Jahren das Schachspielen. Durch das Unterrichten von Schach für Jugendteams und das Erstellen von schachbezogenen Videos auf YouTube konnte Arne diese Leidenschaft ausweiten und hat sogar einen Onlinekurs für alle erstellt, die lernen möchten, wie man Schach spielt. Arne schreibt für die englische und deutsche Nachrichtenseite, konzentriert sich aber vornehmlich um Content für die medialen ChessBase Kanäle.

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