Siegburger Spieler verklagen DSB

von André Schulz
05.06.2020 – Drei Spieler des SC Siegburg haben beim Amtsgericht Siegburg Klage gegen den Deutschen Schachbund eingereicht. Sie möchten gerne am Spielbetrieb in der Zweiten Bundesliga West teilnehmen, dürfen aber nicht, weil sie die eingeforderte Unterwerfungserklärung nicht unterschreiben möchten.

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Ein Streit, der schon lange zwischen dem Deutschen Schachbund und Spielern der Zweiten Bundesliga West schwelt, hat nun seinen Weg vor ein ordentliches Gericht gefunden. Drei Spieler des SC Siegburg, nämlich Dr. Robert Hübner, Bodo Schmidt und Dr. Axel Breest, würden gerne in der 1. Mannschaft des SC Siegburg am Spielbetrieb in der Zweiten Bundesliga teilnehmen, doch der Deutsche Schachbund erlaubt es ihnen nicht. 

Wer nämlich in der 1. oder 2. Bundesliga spielen möchte, muss dafür eine Unterwerfungserklärung, "Spielervereinbarung" genannt, unterschreiben. Dieses Verfahren ist aus formalen juristischen Gründen notwendig geworden, um gegen Spieler Sanktionen verhängen zu können, die sich nicht an die Spielregeln halten. Der DSB führt das Verfahren in der 2. Bundesliga durch. In der 1. Bundesliga kümmert sich der Schachbundesliga e.V. darum. Auslöser war der Fall "Falko Bindrich". In einer Bundesliga-Partie gegen Sebastian Siebrecht hatte Bindrich ein Mobiltelefon mit auf die Toilette genommen, verweigerte dann aber die Einsicht auf das Gerät, zu Klärung, ob er dort ein Schachprogramm zur Analyse seiner Partie verwendet hat. Bindrich wurde vom DSB gesperrt, konnte aber erfolgreich Einspruch einlegen, da es keine juristische Grundlage für die Maßnahme gab. (s. Wikipedia)

Die juristische Grundlage wurde in der Folge durch die Spielervereinbarung geschaffen. Von Anfang an gab es jedoch Widerstand gegen diese Vereinbarung, da sie einigen Spielern zu weit ging, ihnen der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und auch die Befugnisse für die Schiedsrichter vor Ort zu groß erschien. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass der Spieler im Zweifelsfall zulassen soll, seine Kleidung, seine Gepäckstücke und sich selbst auf elektronische Hilfsmittel untersuchen zu lassen.

Insbesondere der Godesberger SK, mit seiner von Bodo Schmidt geführten 1. Mannschaft, die damals in der Zweiten Bundesliga West spielte, erhob Einspruch. Dieser wurde aber vom Schachbund abgewiesen. Der Schachbund argumentiert, dass er im Prinzip auch nur die Vorgaben der FIDE auf nationaler Ebene umgesetzt hat. Die Diskussion um die richtige Vorgehensweise in dieser Sache hat den Godesberger SK seinerzeit schwer erschüttert und führte letztlich zum Abgang vieler Spieler.

Einige der Spieler haben beim SC Siegburg eine neue Heimat gefunden, darunter Dr. Robert Hübner und Bodo Schmidt. Mit ihnen ist auch der Konflikt umgezogen. Der SC Siegburg ist ein Verein mit einer 100-jährigen Tradition und nun mit seiner ersten Mannschaft erfolgreich. 2018/19 gewann die Mannschaft die NRW-Liga und stieg damit in die Zweite Bundesliga auf. In der 3. Liga wird auf die Spielervereinbarung verzichtet, mit dem Aufstieg wurde sie erforderlich.

Robert Hübner hat sich schon im letzten November in einem Offenen Brief gegen die Unterwerfungserklärung gewendet (s.u.). Bereits vor Beginn der Corona-Krise und der zeitweiligen Einstellung des Spielbetriebs haben Dr. Robert Hübner, Bodo Schmidt und Dr. Axel Breest die Klage gegen die Unterwerfungserklärung beim Amtsgericht Siegburg eingereicht. Der Corona-Lockdown hat das Verfahren natürlich nicht beschleunigt. Die Frist für die Stellungsnahme des Deutschen Schachbundes läuft in Kürze ab.

 

Auf dem Weg zu einer Spielervereinbarung...

Widerstand gegen die Spielervereinbarung...

Offener Brief von Dr. Robert Hübner...

Die Spielervereinbarung (pdf)...

Webseite des SC Siegburg...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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Pemoe6 Pemoe6 08.06.2020 01:43
Ich sehe bei keinem einzigen der Gegner der Spielervereinbarung auch nur ansatzweise einen Alternativvorschlag. Soll die Handy-Benutzung während der Partie also offiziell nicht sanktionierbar sein, so wie es im Falle Bindrich vorgelebt wurde? Und etwaige ansatzweise Maßnahmen konsequent durch die Gerichte niedergeschlagen werden (dto.)?
DoktorM DoktorM 07.06.2020 03:05
Auch im beruflichen Umfeld gibt es Regeln, die man beachten muss. Wer aus irgendwelchen Gründen keinen Bauhelm tragen möchte (weil er die Frisur zerstört oder weil das einem irgendwelche Stimmen befehlen), darf auch nicht auf einer Baustelle arbeiten. Ebenfalls sind Menschen mit bestimmten Krankheiten oder fehlenden Impfungen von einigen Arbeitsbereichen ausgeschlossen. Beim Fußball und anderen Ballsportarten dürfen die Spieler auch nicht alles, was anderen Menschen erlaubt ist (z.B. bestimmte Wetten abschließen). Die Spieler müssen sogar an Dopingkontrollen teilnehmen, die weit über eine oberflächliche Leibesvisitation hinausgehen. Aktuell müssen die Spieler sogar regelmäßige Coronatests über sich ergehen lassen und auf bestimmte Freizeitaktivitäten verzichten.

Was die 1. und 2. BL im Schach verlangen, ist dagegen nicht der Rede wert. Zusätzlich ist es sinnvoll.
Nosferatu Nosferatu 07.06.2020 02:37
Vielleicht hätte man in dem Artikel noch erwähnen sollen, wer seinerzeit (Saison 11/12 bis 13/14) beim Godesberger SK Mannschaftskollege der Herren Dr. Robert Hübner und Bodo Schmidt war - nämlich der prominenteste Cheater der Gegenwart, welcher zudem und pikanterweise just zu jener Zeit (gem. Elo-Profil) ganz offensichtlich in den Jungbrunnen fiel ... ... auch auf das Risiko hin, dann einen Großteil der geneigten Leserschaft bäuchlings auf dem Boden liegend, mit beiden Fäusten auf selbigen eintrommelnd und mit tränenerstickter Stimme um Gnade flehend wiederfinden zu können. ;-)
Sangesgott Sangesgott 06.06.2020 07:05
Ich bin gewiss kein Freund davon, wenn in einer Spielervereinbarung die Zustimmung zu einer möglichen Leibesvisitation vorgeschrieben wird. Aber: Das Smartphone ist nunmal das potentielle Doping des Schachsports. Und bisher habe ich auch noch keine besseren Vorschläge gesehen, um diesem Problem zu begenen. Anybody?
Anna Karenina Anna Karenina 06.06.2020 06:09
Lieber DoktorM, es ist alles andere als einfach. Für etliche Spieler ist das Schachspielen der Beruf, so dass Grundrechte tangiert werden. Das setzt die Hürden für einen Ausschluss deutlich höher als bei der von Dir genannten Vergleichsgruppe (Zuschauer beim Fußball). Sodann nimmt der DSB in Anspruch alleinvertretungsberechtigt für den Schachsport zu sein, was möglicherweise zu einem Kontrahierungszwang ohne eine (allzu) einschränkende Unterwerfungserklärung führen kann. Der Rechtsstreit ist jedenfalls alles andere als einfach. Es bleibt spannend - Popcorn und Cola raus :-).
DoktorM DoktorM 06.06.2020 03:52
Hier verstehen einige nicht, dass diese Vereinbarung nicht anders geartet ist als in anderen Bereichen. Auch der DFB ist gegen Gewalt. Da wird sich ein entsprechender Passus in der Satzung oder sonstwo finden. Wer ins Stadion möchte, muss sich den Regeln des DFB und der Hausordnung unterordnen. Dazu gehört auch eine oberflächliche Leibesvisitation vor dem Stadion. Das Spielen in der Schach-Bundesliga (1 und 2) ist ein freiwilliges Angebot. Wer die dort bestehenden Regeln nicht akzeptieren möchte, kann eben nicht mitspielen. So einfach ist das.

Wenn ein Hersteller nur grüne Autos verkauft, sollte man ihn nicht verklagen, auch rote Autos zu verkaufen. Wer das dennoch macht, hat vielleicht ein Problem, das ganz woanders liegt. Vielleicht im medizinischen Bereich. Das kann aber nur ein Fachmann überprüfen.
EmanuelGlaskern EmanuelGlaskern 06.06.2020 12:36
DoktorM lässt sich gerne einer "oberflächlichen" Leibesvisitation unterziehen. Von mir aus gerne, aber dann bitte nur beim Arzt. Zum Schachspielen gehört dies nicht dazu.

Ich wünsche den Siegburgern alles Gute, damit diese unsägliche Regelung endlich gekippt wird. Die von Silviolo gestellte Frage ist allerdings auch interessant - wurde das Prozedere denn überhaupt jemals angewendet? Mir ist kein Fall bekannt.
schachkauf schachkauf 06.06.2020 12:26
Hat einer von euch die Spielervereinbarung mal durchgelesen? Hier soll man u.a. auch Folgendes unterschreiben;

"Der DSB verurteilt jegliche Form von Gewalt, unabhängig davon, ob sie körperlicher oder seelischer Art ist; er verurteilt jedwedes Verhalten, das das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzt. "

Denkt der DSB, dass jeder Schachspieler in den Bundesligen ein sexueller Gewaltverbrecher ist und es daher notwendig sei, dass die Spieler das unterschreiben?

*kopfschüttel*
acepoint acepoint 06.06.2020 11:42
Wer in jedem Beitrag anderen, die nicht seiner Meinung sind, einen Arzt empfiehlt, ist Teil eines grundsätzlichen Problems.
DoktorM DoktorM 05.06.2020 11:25
Das Anliegen der Bundesligen ist klar. Was das Anliegen der Kläger ist, ist nicht klar. Daher habe ich den guten Arzt empfohlen. Er wird für etwas Klarheit sorgen.
Silviolo Silviolo 05.06.2020 10:39
Wie sieht das alles eigentlich in der Praxis der sechs (?) letzten Jahre, seit Einführung dieser sehr deutschen
Regelung, in den Bundesligen aus?
Wieviel Leibesvisitationen und sonstige Folgen der Vereinbarung sind in der Praxis durchgeführt worden?

Wer hat sich sonst ausdrücklich gegen die Vereinbarung gewandt?
Welcher Verein - sonst verstößt die Antwort vermutlich gegen die DSGVO ...

Mir sieht das Ganze fast so aus, dass mit Wonne und mit dem finanzstarken Verein (Sponsor) im Rücken alte Grunsatzdiskussionen mit lautstarker öffentlicher Begleitung wieder aus dem Keller (der Schachgeschichte und der unteren Ligen) hervorgeholt werden.
Prinzipienreiterei ... Durchaus von beiden Seiten ...Weil solche "Grundsatzdiskussionen auf Sein oder Nichtsein" (hier in der 2.Liga ...) im organisierten Schach ziemlich oft vorkommen.

Als Normal-Schachspieler wendet man sich mit Grausen. Und kann beiden Seiten nur empfehlen, statt weiter die
alten Briefe mit neuem Datum zu versenden, einfach mal miteinander zu sprechen und nach Schnittmengen, einvernehmlichen Lösungen zu suchen. Im kleinen Kreis, ohne öffentliche Begleitung, dafür aber auf beiden Seiten mit dem Versuch, die Interessen der anderen Seite zumindestens nachzuvollziehen.
Im Alltag heißt das "Moderation". Statt 100 % stur auf der einzig seligmachenden eigenen Meinung zu bestehen.
Aber Gericht und Schlagzeilen sind natürlich viel attraktiver und tun dem empfindsamen Ego von Schachmeistern und Juristen gut.
Sind aber für das Image von Schach in der Öffentlichkeit kontraproduktiv. Was jedoch beide Seiten nicht als ihr Anliegen sehen, wie wir ja seit vielen Jahren wissen. Bedauerlicherweise.
DoktorM DoktorM 05.06.2020 08:54
Eine Leibesvisitation ist in vielen Fällen erlaubt. Z.B. wenn man dieser zugestimmt hat. Ein Schiedsrichter wird eine oberflächliche Leibesvisitation durchführen, so ähnlich wie am Flughafen oder am Eingang zu einem Fußballstadion. Man darf nicht mitfliegen bzw. ins Stadion, wenn man sich dieser Leibesvisitation verweigert. Insofern bleibe ich bei meiner Einschätzung.
Anna Karenina Anna Karenina 05.06.2020 08:33
Nun ja, DoktorM, ganz so einfach ist es nicht. Sollte die Spielervereinbarung als AGB-Regelung angesehen werden, dann ist sie schon wegen der Berechtigung des Schiedsrichters, eine Leibesvisitation ohne richterlichen Beschluss vorzunehmen, als Ganzes unwirksam. Denn bei AGB's gibt es keine geltungserhaltende Reduktion. Und es spricht einiges dafür, dass es sich bei der Spielervereinbarung um AGB's handelt. Denn der DSB verwendet sie in einer Mehrzahl von Fällen, stellt den Inhalt nicht zur Disposition und es handelt sich eindeutig um vertragliche Regelung. Statt eines Arztes dürfte hier eher der Besuch eines erfahrenen Anwalts weiter helfen. Es ist spannend zu sehen welche der beiden Parteien hier am Ende die Nase vorn hat.
DoktorM DoktorM 05.06.2020 07:53
Die Regeln legen fest, dass eine Spielervereinbarung unterschrieben werden muss. Wer sich nicht an die Regeln halten möchte, darf nicht mitspielen. Das ist simple Logik. Eine Klage ändert daran nichts. Vielleicht hilft ein Besuch bei einem guten Arzt.
GrobiGermany GrobiGermany 05.06.2020 12:58
Siegburg - da war doch was. Achja, das ist die Mannschaft, die duch die Ligen hoch gesponsort wurde (von 2015/16 in der Verbandsliga Ost Mittelrhein jedes Jahr aufgestiegen bis in die 2. BL) und dabei auch nicht davor zurückschreckte, in der letzten Runde der Saison 2017/18 in der NRW Klasse mit einem satten Eloplus nach wenigen Minuten dem Gegner Südlohn ein 4:4 und damit den Klassenerhalt zu schenken, um den eigenen Aufstieg zu sichern.
Das hat sicherlich nicht viel mit dem Thema des Artikels zu tun, auch wenn damals schon 2 der genannten Spieler an Bord waren. Ein wenig bizarr mutet aber schon an, dass Herr Hübner ausgerechnet bei einem Legionärsverein anheuerte, dessen Weg in die zweite Liga vorprogrammiert war und sich somit wieder bewusst in die durchaus berechtigte Diskussion um die Spielervereinbarung stürzte, wegen der er den GSK verlassen hatte. Aber vielleicht bietet der offenbar gut ausgestattete Verein auch die finanzielle Grundlage für den nun erfolgten Schritt!?
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