Vor 40 Jahren: Kavalek siegt in Bochum

von Klaus Besenthal
03.04.2021 – Wenn ein Schachverein ein rundes Gründungsjubiläum erreicht, dann will er das gebührend feiern - jedenfalls solange nicht gerade, wie in unseren Tagen, eine bösartige Pandemie herrscht. Und wie könnte man schöner feiern, als mit einem Großmeisterturnier? Die SG Bochum 31 jedenfalls hat es im Jahr 1981 so gehalten, als sie ihr 50-jähriges Bestehen mit der im Stadtpark-Restaurant ausgetragenen "Internationalen Deutschen Meisterschaft" beging. Wer damals schon als Schachspieler aktiv war, wird sich bei einem Blick zurück sicher gerne an den einen oder anderen eigentlich bereits vergessenen Namen erinnern. Für alle, die 1981 noch gar nicht geboren waren, gibt es aber auch eine Erkenntnis: "AlphaZero" hatte menschliche Vorkämpfer aus Fleisch und Blut - unter ihnen war auch der Turniersieger Lubomir Kavalek! Heute ist das alles auf den Tag genau 40 Jahre her. | Foto: Gerhard Hund via Wikimedia Commons

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Internationale Deutsche Meisterschaft 1981

1981 gab es bekanntlich noch den "Eisernen Vorhang", und die "Mauer" hatte auch noch einige Lebensjahre vor sich. Zudem war der "Kalte Krieg" gerade "heißer" denn je. Aber der Eiserne Vorhang war nicht für jeden Bürger eines Ostblocklandes gleich undurchlässig. War man als DDR-Bürger tatsächlich durch Todesstreifen und Mauer vom Westen ziemlich hermetisch abgeriegelt, so konnte man als rumänischer oder bulgarischer Großmeister durchaus zu Turnierteilnahmen ins kapitalistische Ausland reisen. Victor Ciocaltea (auf dem Teaserbild erhebt sich der rumänische Großmeister gerade von seinem Stuhl), der in Bochum, nur gut zwei Jahre vor seinem Tod, Sechster wurde, aber auch dessen Landsmann IM Mihail Ghinda (Jahrgang 1949) konnte man bei solchen Anlässen recht häufig begegnen.

Alles in allem war das Teilnehmerfeld des Bochumer Turniers aber auf für die Zeit typische Art und Weise zusammengesetzt: Die meisten Spieler kamen aus dem Westen, einige wenige aus dem Osten und ein paar andere aus der Region bzw. vom gastgebenden Verein.

Mit von der Partie waren in Bochum auch die gebürtigen Tschechen Lubomir Kavalek und Vlastimil Hort. Aber kamen die aus dem Westen? Es war so: Der 1943 in Prag geborene Lubomir Kavalek hatte sich 1968, nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, zunächst nach West-Deutschland abgesetzt und ging dann etwas später in die USA, wo er, bald auch als Staatsbürger, den Rest seines Lebens verbringen sollte. Sein Sieg in Bochum kam nicht von ungefähr: Der Ex-Tscheche gehörte in dieser Zeit zur erweiterten Weltspitze. Kavalek starb im Januar diesen Jahres; er wurde 77 Jahre alt (deutschsprachiger Nachruf von André Schulz). Zu Vlastimil Hort, der 1979 aus seiner tschechischen Heimat nach West-Deutschland gekommen war, muss man hingegen nicht viel sagen: Bis heute erscheinen regelmäßig Beiträge des Großmeisters auf dieser Seite (zuletzt dieser vor ein paar Wochen). In Bochum wurde er hinter Kavalek Zweiter.

Vlastimil Hort in Bochum - um es mit einer Zeile aus Billy Joels "Piano Man" zu sagen: "When I wore a younger man's clothes"... | Foto: Gerhard Hund via Wikimedia Commons

Was es vor 40 Jahren auch noch gab, war das "Großmeisterremis". Im Gegensatz zu heute, wo so etwas oftmals schlichtweg per Turnierordnung verboten ist, konnte das Remis damals frühzeitig einfach vereinbart werden. Aber wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg: Wer nicht Remis vereinbaren darf, der bekommt meist eine dreimalige Stellungswiederholung hin - wenn er das denn, ebenso wie der Gegner, gerne möchte. So gesehen hat dieses Phänomen natürlich doch irgendwie die Zeit überdauert. Das (vereinbarte) Großmeisterremis wurde jedenfalls gerne angewendet, wenn einige wenige sehr viel stärkere Spieler es in einem Turnier mit vielen schwächeren Gegnern zu tun hatten: Man remisierte untereinander und über den Turniersieg entschied dann, im Fernduell, das Punktesammeln gegen die unterlegenen Konkurrenten.

Kavalek und Hort spulten in ihrem direkten Duell neunzehn Züge lang eine supersolide Spanisch-Variante ab, die auch heute noch in exakt dieser Form auf höchstem Niveau angewendet wird:

 

Lubomir Kavalek in Bochum: Der spätere Turniersieger gewann das "Fernduell" gegen Vlastimil Hort deutlich und holte gegen die Konkurrenz mehr Punkte | Foto: Gerhard Hund via Wikimedia Commons

Die künstliche Intelligenz "AlphaZero" hat das Schachspiel sicher um mehr als nur einen Aspekt bereichert, doch beim breiten Publikum hauptsächlich hängengeblieben ist vermutlich die "Randbauernattacke". Die Randbauernattacke als "neuer Aspekt"? Lubomir Kavalek hätte darüber nur gelacht: In der Erstrundenpartie gegen den Deutschen Manfred Hermann (Jahrgang 1942) ließ Kavalek gleich zwei solcher Bauern vorpreschen - und machte den Gegner damit langsam mürbe:

 

Manfred Hermann | Foto: Gerhard Hund via Wikimedia Commons

Aber vielleicht hat die Randbauernattacke auch schon immer fest zum großmeisterlichen Geheimwissen gehört. Vlastimil Hort jedenfalls wusste schon vor 40 Jahren um deren Gefährlichkeit:

 

Meine Partien gegen die Weltmeister

Hort stellte einige seiner Partien gegen die Weltmeister vor und weiß viel über diese großen Persönlichkeiten des Schachs zu berichten.

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Abschlusstabelle nach 15 Runden

Partien

 

 


Klaus Besenthal ist ausgebildeter Informatiker und ein begeisterter Hamburger Schachspieler. Die Schachszene verfolgt er schon seit 1972 und nimmt fast ebenso lange regelmäßig selber an Schachturnieren teil.

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