Das neue ChessBase Magazin Nr. 221: Ju Wenjun – Porträt einer dreifachen Weltmeisterin

von Stefan Liebig
08.09.2024 – Die neue Ausgabe des ChessBase Magazin platzt geradezu auseinander wegen der vielen interessanten Themen: Ju Wenjuns Karriere und Spielstil ist nur eines davon. Außerdem geht es im oft interaktiven Format um Festungen, das Prinzip der schlechten Figuren, aktuelle Turnierpartien, Endspiele und vieles mehr.

ChessBase Magazin 221 ChessBase Magazin 221

Schachfestival Biel 2024 mit Analysen von Le Quang Liem, Donchenko, Bjerre u.a.. Sokolov, King und Zwirs zeigen neue Eröffnungsideen im Video. 10 Repertoireartikel von Holländisch bis Königsindisch u.v.m.

Mehr...

Seit einigen Ausgaben erscheint das ChessBase Magazin im interaktiven ChessBase books-Format. An immer mehr Stellen werden die interaktiven Möglichkeiten genutzt. Die Vorteile vom Zusammenspiel aus dem Ebook-Format und den Videos sowie der zuschaltbaren Engine ergänzen die einzigartig gebündelten Inhalte von international erfahrenen Trainern. Egal ob in der Eröffnungs-, Mittel- oder Endspielphase immer wieder erhält der Leser die Möglichkeit, seine im Video zuvor erlernten Kenntnisse in einer oder mehreren dazu passenden Übungen auf den Prüfstand zu stellen. Im Herbst wird dann auch die bereits im Frühjahr begonnene Umstellung der Fritztrainer auf diese effektive Trainingsplattform umgesetzt.

Doch nun zu dem Inhalt der 221. Ausgabe des ChessBase Magazin, der auf diese neuartige Weise präsentiert wird:

Chinesische Dominanz

Die am 31. Januar 1991 in Shanghai geborene Ju Wenjun errang 2018 den Titel der Schachweltmeisterin im Finalmatch gegen Jekaterina Lagno, 2020 verteidigte sie den Titel gegen Alexandra Gorjatschkina (beide Russland) und 2023 gegen ihre Landsfrau Lei Tingjie. Ju Wenjun wird in der FIDE-Weltrangliste der Frauen mit einer Elo von 2563 auf Platz 2 geführt. 2017 war sie die erst fünfte Frau, die die 2600er-Schallmauer durchbrach.

Grund genug für die Experten des CBM, den amtierenden Champion unter die Lupe zu nehmen. In Kapitel 2 zeigen Martin Breutigam, Ljubomir Ftacnik, Michal Krasenkow und viele weitere Meister ihre persönliche Lieblingspartie, der 33-Jährigen, die die seit 1991 währende und nur selten unterbrochene chinesische Dominanz so erfolgreich fortsetzt.

In Kapitel 5 analysiert Mihail Marin die außergewöhnliche Spielweise Ju Wenjuns. „Eine solche Beharrlichkeit auf dem höchsten Thron, selbst wenn sie Gegnerinnen von höchstem Kaliber und völlig unterschiedlichen Stilen gegenübersteht, spricht für die Solidität ihres Stils“, leitet der Großmeister das Kapitel ein. Er klassifiziert sie als „in erster Linie positionelle Spielerin“. Demnach hat sie ein feines Gespür für Harmonie, das es ihr ermöglicht, ihre Figuren auf den besten Feldern zu entwickeln und umzugruppieren. Der Trainer und Großmeister zeigt aber auch die Probleme ihres Stils auf: „Das ist ihre Hauptstärke, die sich allerdings manchmal auch in eine Schwäche verwandeln kann.“

In einem 23-minütigen Video gibt Marin tiefe Einblicke in ihre Spielweise. Anschließend hat er noch zwei instruktive Beispiele ausgewählt, in denen sich der Zuschauer im interaktiven Modus selbst ans Lösen machen kann. In weitere Analysen (ohne Video) geht Marin noch sehr 

intensiv auf die Bereiche Statische Strategie, Initiative, Erdrückender Raumvorteil – die zwei Seiten einer Medaille sowie Zögern ein. Dies erscheint im charakteristisch für die 

beeindruckende Spielerin aus Fernost, deren Repertoire Karsten Müller mit seinen Musterendspielen komplettiert. Dabei blickt er in seinem 21-minütigen Videobeitrag auf (fast) alle möglichen Figurenkonstellationen, um ihre außergewöhnliche Klasse nachzuweisen. Zudem gibt er noch einige Aufgaben zum Selberlösen als Zugabe.

In der Partie Koneru,H - Ju,W 0-1 spielte Schwarz 88...Ld4?, woraufhin Weiß eine studienartige Remisverteidigung übersah. Können Sie sie finden? (Auflösung am Ende des Textes)

Weitere besondere Themen des CBM #221:

Eröffnungen

In den Eröffnungsvideos geht es kämpferisch zu: Ivan Sokolov setzt auf 6.a4 im Slawen, während Nico Zwirs mit h4 im Englischen auf dem anderen Flügel losstürmt – ganz anders Daniel King: Er will lieber im Zentrum für Action sorgen und zeigt seine Meinung zum Englund-Gambit.

Understanding Middlegame Strategies Vol.1 - 9

In this Video-Course we deal with different dynamic decisions involving pawns. The aim of this course is to arm club/tournament players with fresh ideas which they can use in their own practice.

Mehr...

Rainer Knaak hingegen zeigt in seinem Eröffnungsfallenbereich ein Beispiel, in das wohl die meisten tappen könnten und das in vielen Eröffnungen auftreten kann:

Eine Falle, in die jeder in verschiedenen Eröffnungen tappen kann.

Turnierhighlight

Le Quang Liem kommentiert seinen Schwarzsieg gegen Vincent Keymer in Biel. Er erwähnt, dass Keymer erstmals 1.e4 gegen Pragg spielte, die Partie ist leider nicht aufgenommen worden, aber es werden noch weitere Spiele des Schweizer Traditionsturniers analysiert.

ChessBase 17 und Eröffnungslexikon 2024

Dein Schlüssel zu frischen Ideen, präzisen Analysen und zielgenauem Training!

Mehr...

Training von Experten

Ein weiteres Highlight stellt im selben Kapitel die zweite Folge der neuen Rubrik „Festungen“ des ehemaligen Bundestrainers Dorian Rogozenco dar. In seiner Einleitung zeigt er ein verblüffendes Beispiel:

Sam Shankland gab diese Stellung in der Partie gegen Giri (Wijk aan Zee 2019) auf, obwohl er mit …Kd6 Richtung Festung marschieren kann und sich so einen halben Punkt sichern kann.

Der Trainer blickt weiter auf andere Festungen und auch auf interessante Ausnahmen. Mit interaktiven Videos nähert man sich dem Verständnis der Finessen dieser Thematik Schritt für Schritt.

In Jan Markos´ Praxistipp für Turnierspieler geht es um das Prinzip der schlechten Figur. Er zeigt, wie man mitunter mit wenig Aufwand gewinnen kann. Sehen Sie selbst:

Hier ein kostenloses Video.

Kurzporträt Erigaisi mit Testpartien

Martin Breutigam und Robert Ris beleuchten die Spielweise von Erigaisi in ihren Testpartien. Bemerkenswerterweise traten in den letzten Monaten meist Gukesh und Pragg ins Rampenlicht und in ihrem Schatten spielte sich Erigaisi bis auf Rang 4 in der Weltrangliste vor.

Fazit

Zahlreiche Beiträge zum Eröffnungsrepertoire, Taktik Total von Oliver Reeh und weiterer „Endspielfeinschliff“ von Karsten Müller mit dem Schwerpunkt Springerendspiele sowie die üblichen Zusammenfassungen der gezeigten Aufgaben und Partien runden das alle Bereiche abdeckende und wieder extrem lehrreiche Trainingspaket ab. Das CBM #221 ist also nicht nur etwas für Ju-Wenjun-Fans, sondern zeigt neben den abwechslungsreichen Beispielen aus der Weltmeisterinnenpraxis auch noch viele weitere und interaktiv nutzbare Inhalte zum Training und einfach nur zum Genießen.

-----

Lösung Koneru,H – Ju, W:

89.Lg6? übersah die studienartige Verteidigung: 89.Td8+ Ke5 (89…Kc5 90.Lf3 Sf1 91.Kxf1 Txf3+ 92.Ke2=) 90.Lg6! und Schwarz wird dominiert, z.B. …Tc3 91.Tf8=.


Stefan Liebig, geboren 1974, ist Journalist und Mitinhaber einer Marketingagentur. Er lebt heute in Barterode bei Göttingen. Im Alter von fünf Jahren machten ihn seltsame Figuren im Regal der Nachbarn neugierig. Seitdem hat ihn das Schachspiel fest in seinen Bann gezogen. Höhenflüge in die NRW-Jugendliga mit seinem Heimatverein SV Bad Laasphe und einige Einsätze in der Zweitligamannschaft von Tempo Göttingen waren Highlights für den ehemaligen Jugendsüdwestfalenmeister.
Diskussion und Feedback Senden Sie Ihr Feedback an die Redakteure