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Der Deutsche Schachbund und seine Jugendorganisation, die Deutsche Schachjugend, pflegen seit vielen Jahren ein organisatorisch kompliziertes und zeitweise schwieriges Verhältnis.
Die Deutsche Schachjugend handelt eigenverantwortlich im Jugend- und Nachwuchsbereich, ist aber in ihrer Finanzierung und mit ihren Angestellten an den Deutschen Schachbund angebunden. Dies hat in der Vergangenheit immer wieder zu Reibereien und Misstönen geführt. So hat der Deutsche Schachbund zum Beispiel keinen Einfluss auf die von der Deutschen Schachjugend abgeschlossenen Verträge, trägt aber das Haftungsrisiko.
Die gleichen Bedingungen liegen im personellen Bereich vor. Die Angestellten der Deutschen Schachjugend sind inhaltlich nur ihrem Auftraggeber, der Deutschen Schachjugend, verpflichtet, unterstehen aber arbeitsrechtlich dem Deutschen Schachbund und seinen Vertretern.
In einer Atmosphäre der kooperierenden Zusammenarbeit sollte diese etwas komplizierte Organisationsstruktur keine allzu großen Probleme bereiten, wenn aber beide Organisationen beziehungsweise ihre jeweiligen Vertreter, Ehrenamtliche und Angestellte, sich als Folge häufiger Konflikte in eine Konfrontationssituation geraten sind, wird es zum Problem.
Das Verhältnis der beiden Organisation zueinander kann aktuell als zerrüttet bezeichnet werden. Einige Vertreter und Angestellte des Deutschen Schachbundes und der Deutschen Schachjugend sprechen zum Teil nicht mehr miteinander. Der Konflikt fand Ende letzten Jahres seinen auch öffentlichen Höhepunkt, nachdem das Präsidium des Schachbundes beschlossen hatte, den langjährigen Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend Jörg Schulz zu entlassen. Die Deutsche Schachjugend fühlte sich bei dieser Entscheidung übergangen. Der Vorgang wurde auf dieser Seite schon in einigen Beiträgen ausführlich vorgestellt. Aktuell hat DSB-Präsident Ullrich Krause dazu in einem Interview mit der Zeitschrift Schach noch einmal Stellung genommen.
In der Folge wurde zwischen den Vertretern und Gremien der beiden Organisationen darüber beraten, wie man die verfahrene Situation auflösen kann, konnte sich aber auf keinen gemeinsamen Antrag an die Delegierten des Bundeskongresses einigen. Die Deutsche Schachjugend möchte sich als eigenständiger Verein umgründen. Dadurch entstehen eine Reihe von Fragen, die bisher nicht einvernehmlich geklärt werden konnten:
- Für welche Schachfreunde soll die Schachjugend zuständig sein? Wie weit geht der Zuständigkeitsbereich? Die Vorstellung der DSJ ist es, für Spieler bis zum Alter von 27 Jahren zuständig zu sein. Mit dieser Altersgrenze ist man in der Führung des Deutschen Schachbundes nicht einverstanden.
- Wo soll die Geschäftsstelle der Deutschen Schachjugend ihren Sitz haben? Im Falle einer Vereinsgründung der DSJ möchte die Leitung des DSB die Geschäftsstelle der DSj nicht mehr innerhalb der eigenen Geschäftsstelle sehen, da dies in der Vergangenheit auch ein Grund für die Reibereien war. Falls die DSJ eine eigene Geschäftsstelle unterhalten soll, möchte sie vom DSB einen entsprechenden Mietzuschuss haben. Und während die DSJ das Inventar der bisherigen Geschäftsstelle in der DSB-Geschäftsstelle als ihres betrachtet, sieht der DSB das nicht so.
- Eine weitere offene Frage betrifft den Sitz des DSJ-Vorsitzenden im DSB-Präsidium. Bisher war die DSJ dort mit einem Sitz vertreten. Die DSB-Führung sieht dafür aber keine Veranlassung mehr, wenn die DSJ sich als eigenständiger Verein umgründet. Die DSB-Führung ist in der Frage der gegenseitigen Vertretung in den verschiedenen Gremien der Ansicht, dass die DSJ dieses Thema "asymmetrisch" behandele, da die DSJ zwar in den DSB-Gremien vertreten sein möchte, aber keine DSB-Vetreter in den eigenen Gremien vorsehe.
Weitere strittige Fragen betreffen den Finanzplan und das Personalkonzept der DSJ. Jörg Schulz war und ist mit seiner langjährigen Erfahrung in vielen organisatorischen Fragen für die DSJ eine wichtige Personalie. Die DSB-Führung kann sich allerdings aufgrund zurückliegender Erfahrung eine Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr vorstellen.
Für beide Seiten sind die Verhandlungen über die Details dieser organisatorischen Trennung schwierig, weil sie viele weitreichende Folgen nach sich ziehen. Im Hintergrund steht natürlich auch der Kampf um die Verteilung der vorhandenen Mittel und um Einfluss und Handlungsfreiheit. Nach monatelangen Verhandlungen sind die Fronten inzwischen sehr verhärtet.
Auf ihrer Webseite wirbt die Deutsche Schachjugend für ihre Umgründung als eigenständiger Verein. Dort heißt es:
Am 22. August 2020 werden der Kongress des Deutschen Schachbundes (DSB) und die DSJ-Jugendversammlung darüber entscheiden, ob die DSJ ein eingetragener Verein (e.V.) werden kann. Das ist sowohl für den DSB als auch für die DSJ vorteilhaft, denn die DSJ ist als Jugendverband eigenständig, da ist es sinnvoll, dass sie rechtlich ein eigener Verein ist. Mit dem DSB bleibt sie trotzdem so eng verbunden wie bisher. Für die Landesverbände, Vereine und alle Spielerinnen und Spieler ändert sich durch die Umgründung in einen e.V. praktisch nichts.
Die Meinungen im Schachbund dazu sind jedoch geteilt. Im Deutschen Sport gebe es praktisch keinen Verband, dessen Jugendorganisation als eigenständiger Verein aktiv ist, heißt es. Die Umgründung der Schachjugend in einen Verein würde zudem bedeuten, dass nun zwei Schachverbände im deutschen Schach aktiv wären, was zumindest gewöhnungsbedürftig ist und sicher nicht nur positive Konsequenzen mit sich bringt.
Für die Umgründung zum Verein benötigt die Deutsche Schachjugend beim außerordentlichen Bundeskongress in Magdeburg eine Zweidrittelmehrheit. Der Kongress ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich, denn er findet zu einem Zeit statt, die immer noch sehr unter dem Eindruck der Corona-Pandemie steht. Die Plätze im Konferenzraum des gastgebenden Hotels sind wegen des Abstandsgebotes limitiert und es ist ungewiss, wie viele Delegierte das Risiko einer solchen Versammlung auf sich nehmen wollen. In welcher Weise diese Bedingungen das Abstimmungsergebnis beeinflusst, weiß man erst hinterher oder lässt sich vielleicht auch gar nicht klären.
Sollte die Deutsche Schachjugend mit ihrem Antrag nicht die erforderliche Mehrheit finden, will das geschäftsführende DSJ-Präsidium geschlossen zurücktreten. Das DSB-Präsidium will einen anderen Lösungsvorschlag unterbreiten.