FIDE vs Freestyle - Der Streit geht weiter

von ChessBase
29.01.2025 – Der Streit zwischen der FIDE und Freestyle Chess geht weiter. Nachdem Jan Henric Buettner die FIDE in einem Interview mit dem norwegischen NRK scharf angegriffen hatte, veröffentlichte Buettner jetzt einen offenen Brief an FIDE CEO Emil Sutovsky. In diesem Brief ging er auf die Entwicklung des Konflikts ein, aber erklärte abschließend "Freestyle möchte Frieden, keinen Streit. Wir sind weiterhin bereit, jährlich 50.000 US-Dollar an die FIDE zu zahlen, um sicherzustellen, dass die Spieler ungestört bleiben." Sutovsky reagierte umgehend und schilderte auf X/Twitter seine Sicht der Dinge. Buettners Angebot kommentierte er jedoch nicht.

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Der offene Brief Jan Henrik Buettners

Die deutsche Übersetzung

Lieber Emil,

im vergangenen Jahr haben du, Arkady und die FIDE einen langen Weg zurückgelegt – von deinen Opernarien, die du mir am Telefon vorgesungen hast, über deine Anfrage, die FIDE-Schach-960-Weltmeisterschaft letztes Jahr in Weissenhaus auszurichten, bis hin zu Arkadys stundenlangen Treffen mit Henrik und mir in London, um die Turnierpläne zu koordinieren und sicherzustellen, dass die Spieler keine Terminüberschneidungen haben.

Die Zusammenarbeit wird jedoch immer angespannter. Eine bemerkenswerte Ausnahme war die Einladung von Arkady an Magnus und Fabiano, ein Freestyle Summit in Singapur zu spielen, allerdings wurden wir dann bei unserer Ankunft ignoriert und abweisend behandelt. Es scheint, dass die "good cop (Arkady) / bad cop (Emil)" Taktik der FIDE zum Scheitern verurteilt war. Jetzt scheint die FIDE dieses Spiel völlig aufgegeben zu haben und eine konfrontative Haltung gegenüber den Spielern einzunehmen. Ich halte diese Wende für kontraproduktiv. Anstatt konstruktiv mit uns, den Organisatoren der Freestyle Chess Grand Slam Tour, zusammenzuarbeiten, hat die FIDE genau die Spieler verprellt, die ihr größtes Kapital sind. Nichtsdestotrotz ist Freestyle weiterhin offen für den Dialog und bemüht, mit der FIDE zusammenzuarbeiten, um unnötige Konflikte zu vermeiden.

Um es noch einmal klarzustellen: Unsere Tour ist keine "Weltmeisterschaft" im traditionellen Sinne, wie ich sowohl Arkady als auch Vishy erklärt habe. Sie trägt den Titel "Freestyle Chess Grand Slam Tour". Am Ende jedes Jahres krönen wir einen Champion im Freestyle Chess – ein Format, das sich in Zukunft weiterentwickeln könnte, möglicherweise über Chess960 hinaus zu anderen neuen Formaten, aber nicht zum klassischen Schach.

Der Titel "Weltmeister" spiegelt in diesem Zusammenhang das einzigartige Format unserer Veranstaltungen wider und stellt keinen Versuch dar, den traditionellen Weltmeisterschaftszyklus der FIDE in Frage zu stellen. Wenn die FIDE wirklich ein Problem mit der Verwendung des Begriffs "Weltmeisterschaft" hat, müsste sie ähnliche Fälle ansprechen, wie die Tandem-Weltmeisterschaft, an der sogar Spieler wie Ding Liren teilgenommen haben. Dennoch hat die FIDE weder Ding noch andere für ihre Teilnahme bestraft. Diese Inkonsequenz offenbart das wahre Motiv hinter den Handlungen der FIDE: Geld.

Obwohl Freestyle bereit war, der FIDE 100.000 US-Dollar pro Jahr anzubieten - als reine Geste des guten Willens und um Schikanen zu vermeiden - wurde dies abgelehnt. Die Forderung der FIDE nach 500.000 US-Dollar, eine ungerechtfertigte Summe für ein Format, an dem sie nicht beteiligt ist, deutet darauf hin, dass der finanzielle Gewinn der Hauptgrund ist. Unsere Sponsoren, von denen viele es vorziehen, jede Verbindung mit der FIDE zu vermeiden, unterstützen unsere Entscheidung, unabhängig zu bleiben.

Die jüngsten Maßnahmen der FIDE, wie die Androhung von Sanktionen gegen Spieler und die Forderung, Vereinbarungen unter unangemessenem Druck und ohne Rechtsbeistand zu unterzeichnen, sind zutiefst beunruhigend. Das ist weder ethisch noch professionell. Die FIDE versucht, ihre marktbeherrschende Stellung auszunutzen, um Spieler unter Druck zu zwingen, sich zu unterwerfen. Solche Taktiken sind inakzeptabel und Freestyle wird weiterhin die Interessen der Spieler gegen diesen Machtmissbrauch verteidigen.

Im Gegensatz zur Vorgehensweise der FIDE stehen bei Freestyle die Spieler im Vordergrund. Deshalb haben wir einen Anwalt eingeschaltet, um sie vor dem überzogenen Vorgehen der FIDE zu schützen. Kein Spieler hat seine Pflichten verletzt, sondern die FIDE hat sich unangemessen verhalten. Freestyle konzentriert sich weiterhin darauf, ein positives Umfeld für die Spieler zu schaffen, damit sie sich ohne unnötige politische Einmischung auf ihre Partien konzentrieren können.

Zusammengefasst:

  • Freestyle konkurriert nicht mit FIDE und behauptet auch nicht, "größer als FIDE" zu sein.
  • FIDE besitzt nicht die Rechte an allen schachbezogenen Aktivitäten und hat auch keine ausschließliche Autorität über das Wort "Welt".
  • Freestyle möchte Frieden, keinen Streit. Wir sind weiterhin bereit, jährlich 50.000 US-Dollar an die FIDE zu zahlen, um sicherzustellen, dass die Spieler ungestört bleiben.
  • Sollte die FIDE ihre Schikanen fortsetzen, wird Freestyle die Spieler mit allen Mitteln verteidigen.

Anstatt die Situation eskalieren zu lassen, fordere ich die FIDE auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und konstruktive Gespräche zu führen. Spieler zu belästigen, zu bedrohen oder zu sanktionieren ist nicht nur kontraproduktiv, sondern untergräbt auch die Grundsätze des fairen Wettbewerbs und des Respekts für die Schachgemeinschaft.

Ich stehe dir oder Arkady jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Jan

Die Antwort Emil Sutovskys

Die deutsche Übersetzung

Ich habe mehrmals mit Herrn Büttner gesprochen und immer meine positiven Gefühle über das Projekt zum Ausdruck gebracht. Das erste Mal in einem zweistündigen Gespräch direkt nach ihrer Auftaktveranstaltung. Es war mehr als freundlich und wir begannen nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen, obwohl er offen sagte: "Wir brauchen die FIDE nicht für dieses Projekt und wir müssen es nicht Weltmeisterschaft nennen". Nichtsdestotrotz hatte ich eine sehr positive Einstellung gegenüber einer neuen, ambitionierten Person in der in der Schachwelt. Ich lobte Jan öffentlich und erwähnte in meinen Interviews, dass „eine steigende Flut alle Boote anhebt“. Ich freute mich auf mehr Werbung für Schach, mehr Möglichkeiten für Spieler...

Und dann hatten wir ein weiteres Gespräch, und noch eines, und noch eines. Mehrere Monate lang diskutierten wir über eine mögliche Zusammenarbeit: die Einführung von FIDE-Ratings für Chess960, mögliche Qualifikationsturniere, Herausforderungen bei der Ausrichtung weiterer Freestyle-Veranstaltungen im Jahr 2024 ("niemand will Geld in die Hand nehmen, und das Einzige, was die Inder angeboten haben, war ein Rabatt auf die Hotelkosten"), die Angleichung des Turnierkalenders im Jahr 2025. Ich teilte die Informationen offen mit und gab bereitwillig Ratschläge, wenn ich darum gebeten wurde.

Um die Bezeichnung Weltmeisterschaft ging es nie.

"Wir brauchen das nicht. Wir sind nicht die FIDE, die sich um alle kümmern muss. Wir machen unsere Tour mit den Besten." Schön und gut – und immer noch viel Raum für Zusammenarbeit.

Aber dann hat sich etwas geändert. Wir können nur raten, was oder wer das beeinflusst hat.

Und dann beschloss Freestyle Chess, die Publicity und das Budget der FIDE-Weltmeisterschaft in Singapur zu nutzen.

Und die Veröffentlichungen in den großen Medien wurden am Vorabend der Weltmeisterschaft organisiert und griffen sowohl das WM-Match als auch das klassische/reguläre Schach direkt an.

Und sie legten die Pressekonferenz in Singapur auf den gleichen Tag wie die Eröffnungsfeier des WM-Kampfs, und plötzlich war statt einer Freestyle Tour/Grand Slam plötzlich "Weltmeisterschaft" angesagt.

Seitdem wurde es immer bitterer.

Ich wundere mich immer noch über diesen Sinneswandel.

Warum startet man die Serie nicht friedlich, sondern zettelt stattdessen einen solchen Kampf an, der die Schachgemeinschaft spalten soll? Ist es persönlicher Ehrgeiz? Oder die Erkenntnis, dass sich "Weltmeisterschaft" besser verkauft? Oder der Versuch zu beweisen, dass dies DIE Weltmeisterschaft ist? Wenn ja, dann wird es nicht funktionieren.

Die FIDE war immer offen für einen Dialog, aber wir haben Verpflichtungen gegenüber der gesamten Schachgemeinschaft, und wir werden sie erfüllen.

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