10.10.2024 – Bei der Schacholympiade in Budapest haben sich eine Reihe von jungen Talenten mit starken Leistungen in den Vordergrund gespielt. Bei der Frauenolympiade glänzten junge Spielerinnen wie Lu Miaoyi (China), Carissa Yip und Alice Lee (USA) und vor allem Divya Deshmukh, die mit ihrem Team Gold gewann. Thorsten Cmiel stellt die 18-Jährige mit ihren Partien vor. | Foto: Dariusz Gorsinski
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Budapest: Superstars in the making
Bei Schacholympiaden präsentieren sich regelmäßig einige junge Spielerinnen und Spieler und werden bei Erfolg für ein breites, internationales Publikum bekannt oder bekannter. In Budapest war das nicht anders. Manchmal ahnt man vorher, dass so etwas passieren kann und ein nationaler Star zu einem internationalen Superstar wird. In Chennai 2022 hatte ich mich bereits zu Beginn auf das Beobachten der indischen B-Mannschaft festgelegt. Wäre da nicht diese eine Partie gewesen und ich hätte die Goldjungs von Turnierbeginn an verfolgt. Gukesh verlor aus einer Gewinnstellung heraus seine Partie gegen Nodirbek Abdusattorov und Indien B wurde damals nur Dritter. Geschichte wiederholt sich im Sport allerdings doch und diesmal reichte es sowohl für Gukesh erneut für die Goldmedaille als auch für das Team in der offenen Klasse. Der inzwischen achtzehnjährige Gukesh sprach selbst von einer Schuld, die er diesmal eingelöst habe.
Ich hatte diesmal zwei nationale Stars ausgeschaut, deren Partien ich in Budapest genauer verfolgen wollte, diesmal waren es zwei Spielerinnen: Divya Deshmukh, die im letzten Jahr mehrfach für Furore sorgte und den IM-Titel (IM) und in diesem Jahr die U20-Juniorenweltmeisterschaft gewann. Die andere Kandidatin war die erst 14-jährige Chinesin Lu Miaoyi, die in diesem Jahr bereits in Rekordzeit den IM gebastelt hat und in Budapest letztlich Bronze am Reservebrett gewann.
Lu Miaoyi | Foto: FIDE/ Michal Waluza
Sehr überzeugend waren zudem bei den Frauen zwei US-Amerikanerinnen: die 21-jährige IM Carissa Yip (Gold an Brett 2) und die 14-jährige IM Alice Lee (Silber an Brett 4). Wer gezielt die Partien von Talenten bei der Schacholympiade verfolgt oder nacharbeiten möchte, dem seien ferner die zwei türkischen Junggroßmeister Ediz Gurel (9 aus 11 und Bronze an Brett 2) und Yagiz Kaan Erdogmus (8 aus 11) empfohlen. All die genannten Spielerinnen und Spieler hätten aufgrund ihrer Leistung ein eigenes Porträt verdient. Genau wie Vantika Agrawal vom Siegerteam der Inderinnen.
Vantika | Foto: Dariusz Gorsinski
Aber kommen wir zurück zur Heldin dieser Geschichte.
Während im Januar diesen Jahres das Tata Steel Turnier in Wijk aan Zee ausgetragen wurde, beschwerte sich Divya aus meiner Sicht zurecht über dumme Kommentare in sozialen Medien und sie wolle mehr Kommentare über ihr Schach lesen. Tatsächlich sollten Spielerinnen und Spieler möglichst während sie Turniere spielen auf das Lesen von Kommentaren in Social Media verzichten, wie mir ihr ehemaliger Trainer Ramesh RB dieses Jahr ganz allgemein als Tipp sagte. Anyway, here weg go…
Das erste Video-Portrait mit 12 Jahren:
Kaum eine andere Spielerin sammelt internationale Erfolge wie die achtzehnjährige Inderin. Bestens seit Jahren dokumentiert von Sagar Shah in zahllosen Videointerviews. Wir steigen später ein: Das Jahr 2023 war überaus erfolgreich für die sehr aktive Spielerin aus dem indischen Nagpur, einer Millionenstadt im zentralindischen Bundesstaat Maharashtra. Ein Ausrufezeichen im Frauenschach setzte Divya in 2023 als sie kurzfristig als Ersatzspielerin für Vaishali einsprang und prompt das Tata Steel Schnellschachturnier in Indien gewann. Divya besiegte dabei zum Auftakt die amtierende Weltmeisterin Ju Wenjun. Die Inderin hatte zuvor beim Abu Dhabi Masters ihre definitive IM-Norm erzielt und dafür zwei von fünf Großmeistern geschlagen.
Sie hat ohnehin bereits eine ganze Reihe an Skalps von starken Großmeistern an ihrem Trophäengürtel. Der Erfolg bei dem Tata Steel Rapidturnier brachte ihr im Januar die Teilnahme am starken Challengers-GM-Turnier des gleichen Sponsors in Wijk aan Zee. Sie holte viereinhalb Punkte und legte etwas Rating zu. Im Frühjahr 2024 gewann Divya dann die Juniorenweltmeisterschaft im indischen Gandhinangar. Sie war haushohe Favoritin, aber diesem Druck, zumal im eigenen Land gespielt wurde, muss man erst einmal standhalten. Es gelang der Inderin überzeugend.
Bereits in Chennai 2022 gewann Divya eine Bronzemedaille am Reservebrett der indischen B-Mannschaft.
Divya und Vantika Agrawal rückten seither ins erste Team auf, überzeugten in Budapest beide mit Doppelgold am dritten und vierten Brett und trugen maßgeblich zum Erfolg des Teams bei. Dabei mussten die beiden jüngsten Spielerinnen im Team zehn (Vantika) und elf Partien (Divya) spielen. Für Fans der Vorteil, dass es mehr Partien der jungen Heldinnen zu verfolgen gab. Während Vantika zu Beginn etwas mit Startproblemen zu kämpfen hatte, begann Divya überzeugend. Die ersten beiden Runden gewann die Inderin am zweiten Brett überzeugend gegen eine Gegnerin aus Jamaika, ein Sieg gegen eine Spieler aus der Tschechoslowakei folgte. In der dritten Runde kam ein ebenfalls überzeugender Sieg gegen ihre Gegnerin aus der Schweiz hinzu.
Partien 1, 2 und 3.
Auffallend ist der unbändige Kampfgeist, den Divya in schlechteren Stellungen gelegentlich entwickelt. Sie hat schon einige Großmeister mit dieser Eigenschaft zum Verzweifeln gebracht und Partien aus eigentlich hoffnungslosen Lagen heraus gewonnen. In der vierten Runde war die Schachgöttin Caissa eine Inderin. Divya hatte früh bereits eine objektive Gewinnstellung, aber ihre französische Gegnerin verkomplizierte die Angelegenheit und die Inderin verpasste mehrere gute Chancen und stellte im 31. Zug eine Figur ein. Später dann konnte ihre Gegnerin, Mitra Hejazipour durch eine einfache Tauschaktion im 38. Zug die Partie für sich entscheiden, spielte aber anders und das Spiel kippte erneut. Divya konnte auf ihr Glück vertrauen an diesem Tag, denn nach einer Unaufmerksamkeit war für die Gegnerin nochmal der Ausgleich drin. Für die Teamwertung war dieser Sieg gar nicht wichtig, da die indischen Frauen in Fahrt waren und mit dreieinhalb zu einem halben Punkt gewannen. Für Divya war diese Partie jedoch ein Art Weckruf.
Partie 4
Es folgte die fünfte Runde, die im Nachhinein betrachtet die Schacholympiade für die Inderinnen entschied: Diesmal gewannen Vaishali und Vantika ihre Weißpartien. Divya steuerte einen hart umkämpften halben Punkt gegen die starke und gleichaltrige Kazachin Xeniya Balabayeva bei.
Partie 5
In der Runde vor dem Ruhetag spielten das indische Frauenteam gegen die Armenierinnen. Divya trat gegen die erfahrene Großmeisterin – der höhere Titel ist gemeint - Elina Danielan an und zeigte vermutlich ihre beste Leistung in Budapest. Die Eröffnung war ihre eigene Wahl und betont ihren Wunsch nach aggressiven Spielweisen, die nicht immer solide sein müssen. Die Eröffnungswahl erwies sich als hervorragend und Divya gewann letzlich im großen Stil.
Partie 6
In der siebten Runde gewannen die Inderinnen überzeugend gegen die nach Elozahlen an zweiter Position gesetzten Georgierinnen. Divya benötigte viel Zeit und akzeptierte ein Remisangebot ihrer Gegnerin Nino Batsiashvili, ihre zweite Gegnerin mit einem Großmeistertitel. Mit sechs Punkten aus sieben Partien war eine Großmeisternorm durchaus ein realistisches Ziel, schien es zu diesem Zeitpunkt, zumal Divya wahrscheinlich noch gegen zwei Spielerinnen mit Großmeistertitel antreten würde.
Partie 7
In der achten Runde spielten die Inderinnen verlustpunktfrei gegen die polnischen Frauen. Der Wettkampf ging recht klar verloren, da die Polinnen an den ersten zwei Brettern gewannen und Vantika am vierten Brett an dem Tag nicht über ein Remis hinaus kam. Divya hatte einen weiteren guten Tag und gewann mit Schwarz ihre Partie recht deutlich, wieder nach einer mutigen Eröffnungswahl (9...h5!?).
Partie 8
Die Niederlage mussten die indischen Frauen allerdings erst einmal verkraften, da ihr Vorsprung vor allen anderen Teams plötzlich dahin war und Indien nach der achten Runde nur noch punktgleich mit Polen und Kazachstan das Feld anführte. Das Team entschied Vaishali gegen die Vereinigten Staaten eine Spielpause zu gönnen und Divya musste in der neunten Runde wieder am zweiten Brett ran. Damit war ihre einzige Chance auf ihre erste Großmeisternorm dahin, denn die einzige Großmeisterin im US-Team, Irina Krush spielte am dritten Brett. Divya musste zudem gegen eine andere Überfliegerin im Feld, Carissa Yip, ran. Die beiden Spielerinnen, beide Internationale Meister(innen) waren bestens präpariert und die Partie endete friedlich. Da Harika Dronavalli erneut hinter sich greifen musste, war der Sieg von Vantika entscheidend für das Unentschieden der Mannschaft.
Partie 9
Durch das Unentschieden gegen die stark aufspielenden US-Amerikanerinnen, hatten die Kazachinnen die Führung übernommen, da sie gegen die Polinnen erfolgreich waren. In der zehnten Runde spielte Indien gegen die starken Chinesinnen, die allerdings bei der Schacholympiade ohne ihren vier stärksten Großmeisterinnen angetreten waren. Hou Yifan, Ju Wenjun, Lei Tingjei und Tan Zhongyi fehlten. Vermutlich hatte der chinesische Verband nicht ausreichende Honorare angeboten, hieß es. Divya gewann an diesem Tag gegen die Chinesin Ni Shiqun, erneut in großem Stil und mit einer schicken Schlusskombination nach einem Versehen ihrer Gegnerin in ohnehin schwieriger Lage.
Partie 10
Die Kazachinnen hatten in der zehnten Runde gegen die Georgierinnen unentschieden gespielt und beide Topteams Lage punktgleich vorne. In der letzten Runde musste also ein hoher Sieg her. Tatsächlich lief es optimal für Indien. Die Kazachinnen sicherten sich durch ein weiteres Unentschieden gegen die Vereinigten Staaten den zweiten Platz und Indien gewann souverän mit dreieinhalb Punkten das letzten Match gegen Aserbaidschan. Divya gewann nach einem gröberen positionellen Fehler ihrer Gegnerin Govhar Beydullayeva ohne erkennbaren Aufwand.
Divya Deshmukh (8.5/10!) after a crucial win today keeps India's gold medal hopes alive: "Every setback is tough to deal with, but I think we dealt with it in a good way!" #ChessOlympiadpic.twitter.com/Bja0VnHdfa
Divya Deshmukh fasste bei der Pressekonferenz die Schacholympiade aus indischer Sicht sehr schön zusammen:
„Es hat ganz gut angefangen, aber in der Mitte hatten wir ein paar Rückschläge. Ich bin wirklich stolz darauf, wie wir damit umgegangen sind. Wir haben uns mit Widerstandsfähigkeit zurückgekämpft und sind schließlich mit der Goldmedaille hier. Ich bin überwältigt von meinen Gefühlen.“
Im Oktober ist Divya auf den elften Platz der Frauenweltrangliste vorgerückt und hat mit einer Elozahl von 2501 bereits eine wichtige Voraussetzung für den Großmeistertitel erfüllt. Seit Januar sind 81 Punkte hinzu gekommen. Ein vergleichbares Eloplus kann die Schachwelt nur bei Arjun Erigaisi beobachten. Divya ist aus dem Jahrgang 2005 und genau wie Praggnanandhaa noch ein Jahr im Juniorenalter. Beim nächsten Frauen Grand Prix können Fans die Inderin in Aktion sehen. Das Turnier findet vom 29. Oktober bis zum 9. November in Shymkent in Kazachstan statt.
23.05.2024 – Vier Spieler hatten am Ende des Sharjah Masters 6,5 Punkte aus 9 Partien erzielt teilten sich Platz eins, aber da Wertungsbester und Turniersieger war 17-jährige Iraner Bardiya Daneshvar. Auf den Plätzen zwei und drei landeten Volodar Murzin und Sam Shankland, Shamsiddin Vokhidov wurde Vierter. Auch das Challengers wurde im Tiebreak entschieden: Turniersiegerin wurde die 18-jährige Inderin Divya Deshmukh, Leya Garifullina und Sina Movahed landeten auf den Plätzen zwei und drei. Agshin Alizada gewann das Futures. | Foto: Aditya Sur Roy
24.10.2023 – Vaishali Rameshbabu stand immer etwas im Schatten ihres spielstarken jüngeren Bruders Praggnanandhaa. Beim Qatar Open holte die 22-Jährige nun aber ihre dritte GM-Norm und ist auf dem Weg in die Frauen-Weltspitze. Thorsten Cmiel hat ihren Erfolg beim zweitstärksten Open in diesem Jahr nachgezeichnet.
Nach 1.d4 c5 2.d5 g6 3.c4 Lg7 ergibt für Schwarz eine interessante positionelle Möglichkeit, wenn Weiß hier mit dem natürlichen Zug 4.Sc3 fortsetzt. Schwarz kann nämlich mit4...Lxc3 Weiß einen hässlichen Defekt in seiner Bauernstruktur verschaffen. Dabei gibt Schwarz zwar seinen Fianchetto-Läufer auf, erhält aber auch eine Reihe von Vorteilen und einen klaren strategischen Plan. Oft wird nach dem Wiedernehmen auf c3 (5.bxc3) mit 5...f5 fortgesetzt, wodurch Schwarz das weiße Spiel im Zentrum mit e2-e4 unterbindet. Da der in die USA ausgewanderte starke georgische Großmeister Romandzindzichashvili gerne so spielte, wird diese Verteidigung Dzindzichashvili-Indisch, bzw. kurz: Dzindzi-Indisch genannt. Heute wenden auch starke Spieler wie Radoslaw Wojtaszek und Hikaru Nakamura sie gelegentlich an. Kenneth Nahnsen hat sich mit dieser interessanten Eröffnung intensiv auseinandergesetzt und stellt die wichtigsten Ideen und Varianten in sieben Video-Lektionen mit einer Gesamtlaufzeit von ca. 60 Minuten vor. Mit Dzindzi-Indisch können Sie ihren Gegner ohne große Vorbereitung von Anfang an in die Defensive drängen.
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