Interview mit Schachboxweltmeisterin CM Alina Rath

von Tatiana Flores
25.02.2024 – Alina Rath ist nicht nur eine gute Schachspielerin - die amtierende Berliner Meisterin spielt für Kiel in der Frauenbundesliga - sondern auch neben dem Brett sehr schlagkräftig. Die Martial Arts Sportlerin sammelte beim Schachboxen gleiche mehrere Weltmeistertitel. Tatians Flores sprach mit der Berlinerin über das besondere Training beim Schachboxen, die Erlebnisse und den Aufwand bei den Wettkämpfen ... und mangelnde Anerkennung. | Alina Rath hat 2023 erfolgreich ihren Titel als Schachboxweltmeisterin verteidigt. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von ChessBoxing World.

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Interview mit Schachboxweltmeisterin CM Alina Rath

Anfang des neuen (Schach-)Jahres nahm sich die Schachboxweltmeisterin CM Alina Rath nach ihrem dreistündigen Training Zeit für ein lebhaftes Gespräch mit der internationalen Schachjournalistin Tatiana Flores. In diesem exklusiven Interview für ChessBase unterhielten sich die beiden Schach-Kolleginnen über Raths erneutem Sieg bei der Schachboxweltmeisterschaft 2023 in Riccione (Italien) und ihre bisherigen schachlichen Höhepunkte. Die 35-jährige Berlinerin gab ebenfalls viele Einblicke in ihren Trainingsalltag, sowohl als auch was ihre Wünsche für diese noch junge Sportart angeht. 

Tatiana: Worin bist du deiner Einschätzung nach besser: im Schach oder im Boxen?

Alina: Eindeutig im Schach! Das liegt einfach daran, dass ich keine klassische Boxerin bin. Ich mach eigentlich MMA (Mixed Martial Arts). Boxen ist ein Teil davon, aber das mache ich halt nicht ständig. Ich boxe weniger, als das ich Schach spiele. Die Intensität mit der ich boxe, ist also dafür zu bewerten. Ich habe zum Beispiel keine reinen Box-Kämpfe, ich hatte bisher nur einen reinen MMA-Kampf. Das heißt, ich spiele natürlich mehr Schachpartien und Schachturniere, als dass ich bei Kampfsportturnieren mitmachen würde. Das Problem ist natürlich auch, dass ich wohl keine Boxkämpfe machen darf. Es gibt da die Regel, dass wir als Schachboxer nicht an Amateur-Boxturnieren teilnehmen dürfen, weil wir vom Boxverband nicht zugelassen werden. So dürfen auch Amateur-Boxer nicht an Schachboxtunieren teilnehmen, weil sie dann ihre Lizenz beim Amateur-Boxen verlieren und keine Box-Wettkämpfe mehr bestreiten dürfen. Bei Profi-Boxern greift die Regel allerdings nicht.

Ich weiß leider nicht, ob das Problem auf dieser Ebene nur in Berlin besteht oder es beim deutschen Boxverband so funktioniert ... Selbst wenn diese Regel nicht greifen würde, wäre ich zu alt um an Amateur-Boxturnieren teilzunehmen, da man seinen ersten Boxkampf vor dem 30. Lebensjahr bestritten haben muss und mein MMA-Kampf dafür leider nicht zählt.

Tatiana: Interessant. Letzteres lassen wir mal so stehen …

Alina: (Lacht.) Ich glaube, es geht auch darum, dass man die Kämpfer schützen möchte, weil ab einem gewissen Alter die Leistungsfähigkeit nachlässt. Jedenfalls ist es gar nicht so einfach, für mich an reinen Boxkämpfen teilzunehmen.

Tatiana: Wie trainierst du normalerweise und wie unterscheidet es sich vom Training für eine Weltmeisterschaft?

Alina: Bei mir ist es so, dass ich direkt vor einer Weltmeisterschaft versuche, 6 Mal die Woche zu trainieren. Wenn möglich, fange ich 3 bis 4 Monate vorher damit an und die Intensität mit der ich dann trainiere, ist auch viel, viel höher. Manchmal trainiere ich zwei Mal am Tag, dann versuche ich, mehr Krafttraining miteinzubinden. Ich habe ganz oft auch das Problem, dass ich meistens abnehmen muss für meine Gewichtsklasse. Das liegt daran, dass nicht so viele Frauen teilnehmen und ich gucken muss, dass ich noch in eine Gewichtsklasse reinpasse; im Zweifelsfall ob ich noch eine Gewichtsklasse runtergehen müsste. Daran wird der Trainingsumfang auch ein bisschen angepasst. Ich mache auch zum Beispiel viel mehr Sparring, wo ich ansonsten eher sage, „ach ja, das muss nicht sein“ oder „heute nur lockeres Sparring, weil ich am Wochenende einen Schachwettkampf habe“. Im Zweifelsfall gehe ich laufen, wenn ich es doch mal nicht zum Training schaffe. Diszipliniert essen, also keine Süßigkeiten mehr, auch wenn es schwerfällt. Das ist immer besonders schwierig für mich! (Lacht.) Das mache ich normalerweise nicht. Klar, man achtet schon so ein bisschen auf die Ernährung, aber dann kann ich mir sagen, wenn ich mich mal nicht so fit fühle, macht es nichts, wenn ich nur vier Mal zum Training gehe, anstatt jeden Tag. Dann habe ich auch nicht das Gefühl, dass ich jeden Tag trainieren muss, damit ich optimal vorbereitet bin.

Tatiana: Das ist dann ja schon eine intensive Vorbereitung – das finde ich gut!

Alina: Das Ding ist ja, dass wenn ich im Schach verliere, mich das natürlich ärgert. Das wurmt mich, dann bin ich auch angesäuert. Im Schachboxen bekomme ich aber Einen drauf. Das tut dann schon weh und dann ist immer mein Anreiz, dass ich besser vorbereitet sein möchte als meine Gegnerin. Da ich nicht weiß, wie viel meine Gegnerin trainiert, muss ich einfach davon ausgehen, dass sie vielleicht genauso hart trainiert wie ich.

Auf die Unterstützung ihres Teams, Freundes und ihrer Familie kann sich die Berlinerin verlassen. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von ChessBoxing World.

Tatiana: Welche Hilfe oder Unterstützung hast du zur Vorbereitung für die WM 2023 in Riccione bekommen?

Alina: Zum einen ist es so, dass von boxerischer Seite her die Trainer wussten, dass ich zur WM fahre. Dadurch haben sie nicht nur besonders auf die Technik bei mir geachtet, sondern auch wirklich darauf, dass meine Sparringspartner ungefähr dieselbe Größe haben wie ich. Ich ging davon aus, dass die Inderin vom letzten Jahr wieder dabei ist, – die hat ungefähr so meine Größe – also brauchte ich auch Sparringspartner in meiner Größe. Beim MMA habe ich auch noch eine Trainingspartnerin von mir gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn wir beim Sparring mehr Box-Runden machen als MMA-Runden. Dadurch habe ich einfach nur reines Box-Sparring gemacht. Es ist so dass, wenn man fragt, man dann auch die Hilfe bekommt. Schachlich wusste ich, dass ich besser bin. Da war es mir nicht ganz so wichtig. Da habe ich es tatsächlich so gemacht, dass ich vor Ort, als ich gemerkt habe, dass ich vielleicht eine andere Variante spielen möchte, ich dann meinen Trainer Bescheid gesagt habe, was ich spielen soll. Nach dem Motto: „Was soll ich spielen, sag mal was, mache ich dann“. (Lacht.)

Tatiana: Finanziell gibt es wahrscheinlich keine Hilfen vom Schachbund oder irgendeinem Boxverband?

Alina: Also vom Schachbund sowieso nicht. Wir hatten letztes Jahr ganz großes Glück. Wir hatten eine Speditionsfirma aus Berlin als Sponsor bekommen Fahnert-Umzüge. Vom Schachbund aber nichts. Das war jetzt auch die erste WM, die ich nicht selbst zahlen musste. Davor haben wir die Kosten zu 100 % selbst getragen.

Tatiana: Hat der Sponsor das ganze deutsche Team unterstützt oder nur dein Verein, also Chess Boxing Berlin?

Alina: Mein Berliner Team. Es gibt ja noch die Kollegen aus Köln, die hatten keinen Sponsor. Das war echt praktisch für uns. Du brauchst halt deinen Trainer vor Ort. Du brauchst jemanden, der sich um die Organisation für dich kümmert. Diese Organisations-Meetings waren jeden Abend. Teilweise haben die um 4:10 Uhr begonnen und sind dann bis weit nach Mitternacht gewesen und ich finde, das kann ich als Sportlerin nicht auch noch mitmachen. Da muss sich jemand drum kümmern, der nicht kämpft, das geht einfach nicht. Ich persönlich finde, dass um optimale Leistung zu erbringen, Schlaf ein superwichtiger Faktor ist. Wenn ich nicht ausgeschlafen bin, weil ich morgens um 11 Uhr kämpfen muss, aber die Besprechung bis nachts um 3 ging, geht das nicht.

Tatiana: Das ist ja echt ein Fortschritt, dass ihr letztes Jahr einen Sponsor hattet.

Alina: Ja! Wir haben uns alle auch richtig drüber gefreut.

CM Rath nimmt die Vorbereitungen für die Schachboxweltmeisterschaften sehr ernst und trainiert intensiv, um in Bestform zu sein. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von ChessBoxing World.

Tatiana: Wie fühlt es sich an, “so richtig eine auf die Zwölf zu bekommen”? Nach deinem letzten Kampf sahst du etwas „angeschlagen“ aus …

Alina: (Lacht.) Also ich sah nicht so gut aus, das sah schon ziemlich dramatisch aus. Das ist natürlich auch dem geschuldet, dass es bei mir genetisch so ist, dass ich ganz schnell Nasenbluten bekomme. Du musst nur ganz leicht meine Nase streifen und schon schießt das Blut bei mir aus der Nase. Ich muss aber auch zugeben, dass ich vor Aufregung nicht allzu viel mitbekommen habe. Ich glaube, ich habe – nachdem ich den ersten Treffer kassiert habe – abgeschaltet. Ich war zwischendrin irritiert, warum ich da irgendwie auf dem Boden lag, weil sie mich nicht getroffen hatte. Ich weiß nicht, ob man es auf dem Video gut sieht, aber ich habe das Gleichgewicht verloren und bin hingefallen, weil sie mich weggedrückt hat. Dadurch wurde ich halt angezählt, wo ich mir dachte „hä, warum? Verstehe ich nicht“. Wegen des Nasenblutens musste ich noch mit den Ringärzten diskutieren, weil sie den Kampf deswegen abbrechen wollten. Sie haben auch mehrfach gefragt, ob alles bei mir in Ordnung ist, ob ich Schmerzen habe. Das Problem ist, wie gesagt, dass ich mich vor Aufregung nicht richtig dran erinnern und dir keine konkrete Aussage geben kann. (Lacht.)

Tatiana: So schnell geht das mit dem Vergessen!

Alina: Ich habe es hinterher tatsächlich schon gemerkt, also die Nase war geprellt, nicht gebrochen. Am nächsten Tag war sie auch schon abgeschwollen, nur noch ein bisschen dick. Bestimmte Treffer habe ich dann schon so gemerkt. Ich hatte hier eine Beule, dort eine Beule am Kopf. Ich wusste nachts nicht, wie ich schlafen sollte! Wobei das auch an dem ganzen Adrenalin liegen könnte, davon hatte ich so viel, dass ich die ganze Nacht nur sehr wenig geschlafen habe. Ich war noch so geflasht vom Kampf und dem ganzen Drumherum!

Tatiana: Kannst du mir erklären, wie die Anstrengung beim Boxen deine Leistung in der Partie Schach beeinflusst?

Alina: Das Problem ist ganz oft, dass man fürs Schach eigentlich ruhig sein muss und das Adrenalin beim Boxen ist da kontraproduktiv. Es beeinflusst dich negativ, darum ist es auch superwichtig, dass du in dieser Minute, die du Zeit hast, dir die Handschuhe auszuziehen, deinen Puls wirklich runterbringst. Ansonsten ist es so, dass du dich nicht gut konzentrieren kannst. Deswegen machen es viele tatsächlich so dass, wenn sie am Zug sind, erstmal ein paar Sekunden runterlaufen lassen, damit sie noch etwas runterkommen, damit sie sich besser konzentrieren können. Man sieht es auch ganz oft im Training: In den ersten Runden geht der Übergang vom Boxen zum Schach noch ganz gut, desto später es wird, desto mehr lässt die Qualität der Züge einfach nach. Ich hatte das zum Beispiel mit Lawrence Trent, glaube ich. Er hatte beim Schach zwei Punkte Vorsprung, nach dem Schachbox-Kampf war er jedoch so K. O., dass er seine Dame eingestellt hat. Darüber habe ich mich ganz schön gefreut! (Lacht.)

Tatiana: Das glaube ich dir gerne!

Alina: Vielen fehlt die Kondition und das beeinflusst sie dann einfach negativ. Wenn dein Herz noch am Pumpen ist in dem Moment, dann denkst du „Oh Gott, erst mal Luft holen“, dann funktioniert das mit dem Denken einfach nicht gut.

Mit diesem eindeutigen Sieg gegen einem sehr gut vorbereiteten Gegner sicherte sich Alina Rath ihren ersten FIDE-Titel.

Tatiana: Auch im Schach feierst du Erfolge. Du wurdest unter anderem 2010 Deutsche Blitzmeisterin, letztes Jahr Berliner Frauen-Schnellschach-Einzelmeisterin und hast 2023 auch deinen CM-Titel erteilt bekommen. Erzähle mir bitte etwas über deine eigenen Lieblingspartien oder auch wichtigsten Turniere.

Alina: Ich finde immer, alle Partien, die ich nicht verliere, sind meine Lieblingspartien! (Lacht.) Wobei Verlustpartien auch unglaublich lehrreich und spannend sein können. Aktuell ist eins der wichtigsten Turniere die Frauenbundesliga, die ich mitspiele für Kiel. Ich spiele am ersten Brett und natürlich habe ich erst einen halben Punkt aus 6 Partien, aber ich bin froh, dass ich überhaupt einen halben Punkt habe. Das Niveau ist ganz anders als das, was ich von vorher gewohnt bin. Ich merke, dass das so ein Unterschied macht, dass meine Gegnerinnen mindestens 200 Elo-Punkte besser sind – wenn nicht sogar mehr – als die vorherigen Gegnerinnen. Das fördert mich auf einer ganz anderen Ebene. Ich glaube, auch wenn ich die Saison nicht viele Punkte mache, hilft mir das unglaublich in meiner schachlichen Entwicklung. Ich finde es jetzt auch nicht schlimm, wenn ich Partien verliere. In dem Sinne habe ich auch nichts zu verlieren.

Tatiana: Willst du kurz erzählen, wie du deinen CM-Titel bekommen hast?

Alina: Klar! Also ich habe letztes Jahr den Europapokal in Albanien mitgespielt, wo es eine Ausnahmeregelung gab: Wenn man mindestens 50 % der Punkte macht, kriegt man automatisch den CM-Titel verliehen. Ich habe an Brett 4 im offenen Turnier gespielt, was schon ganz lustig war, weil ich die niedrigste Wertungszahl hatte. Ich meinte dann schon „Leute, meint ihr nicht, dass Brett 4 ein bisschen zu viel für mich ist?“. Ich hatte mit das niedrigste Rating an Brett vier und wusste, dass 50 % zu erspielen, für mich nicht machbar wäre. In der ersten Runde habe ich gegen einen 2450 gespielt, in der dritten gegen einen 2400 und da dachte ich mir „50 % schaffe ich so eindeutig nicht!“. Ich war dann aber ganz glücklich. Ich hatte dann einmal eine 2250, da hatte ich Remis gespielt, obwohl ich die Partie hätte gewinnen können, genauso wie gegen einen 2280. Da stand ich ganz klar auf Gewinn, es war aber eine sehr lange Kombination von 8 Zügen, die ich dann bis zum 5. nur richtig gesehen habe. Am Ende habe ich dann doch die 50 % geschafft. Als sich der Schachbund bei mir meldete und fragte, ob ich Interesse am CM-Titel hätte, da dachte ich mir „klar!“.

Dank einer Sonderregelung konnte Alina Rath sich den CM-Titel beim Europapokal 2023 in Albanien erspielen. (Quelle: https://ratings.fide.com/profile/24607886)

Tatiana: Was motiviert dich – neben deinem Beruf als Controllerin – Schach und Schachboxen so leidenschaftlich nachzugehen?

Alina: Im Endeffekt sind es zwei Sachen, die mir Spaß machen und ich brauche es auch, mich nach der Arbeit auszupowern, deswegen kommt mir der Kampfsport entgegen. Ich finde die soziale Komponente auch sehr schön – gerade im Verein. Ich brauche den Austausch, ich bin keine Einzelkämpferin; deswegen spiele ich hauptsächlich keine Einzelturniere, sondern nur Mannschaftsturniere beim Schach. Selbst bei der Schachbox-WM waren wir ein Team. Wir sind als Team dort hingefahren und haben uns gegenseitig angefeuert. Das ist halt das, was ich brauche.

Tatiana: Voll cool, dass du das auch im Schachboxen in deinem Verein gefunden hast.

Alina: Ja, wirklich. Das ganze Team hat bei meinem Kampf echt mitgefiebert, wobei ich glaube, mein Freund hat am meisten gelitten! (Lacht.)

Tatiana: Wie steht denn dein restliches Umfeld zu dieser noch jungen und außergewöhnlichen Sportart?

Alina: Die finden es alle total cool! Für diejenigen, die es nicht kennen, ist es erst mal natürlich total gegensätzlich [das Schach und Boxen]. Was ich immer mal wieder habe, ist, dass Freundinnen und Freunde überhaupt gar kein Verständnis für die Sportart aufbringen, das liegt meistens eher daran, dass sie nie Sport in einem Verein getrieben haben. Die haben dann weder Verständnis dafür, dass man Schachboxen macht oder Schach überhaupt spielt … Grundsätzlich bekomme ich aber positive Reaktionen drauf. Von meiner Mutter allerdings weniger, weil sie es nicht sehen kann, wenn ich getroffen werde. Ich hatte meine Eltern mal beim Showkampf dabei. Mein Vater fand es total aufregend, meine Mutter meinte nur „Oh Gott, das war so doll“! Ich habe nur gesagt, dass ich anders aussehen würde, wäre es echt gewesen! Ich hatte ja nur Sparring gemacht mit meiner einen Freundin. Ich glaube, es ist für meine Mutter halt ganz dramatisch, wenn man einen Treffer kassiert.

Tatiana: Gegen wem würdest du im Schachboxen gerne mal antreten?

Alina:  Magnus Carlsen meinte, für 10 Millionen würde er auch Schachboxen machen. Ich würde mich natürlich als Gegner bereitstellen. Wenn er es mal wirklich macht, wäre ich dabei! (Lacht.) Das ist aber eine sehr gute Frage. Es gibt leider nicht viele Frauen, deswegen würde ich mich freuen, wenn wir mehr Teilnehmerinnen vom Schach bekommen würden. Ich kann es natürlich verstehen, wenn man es nicht kennt, aber für jede, die es mal ausprobieren möchte, opfere ich mich gerne als Gegnerin. Ich würde das sehr toll finden.

Tatiana: Und im Schach? Hast du da auch jemanden?

Alina: Ich würde gerne mal gegen Judith Polgar spielen, auch wenn ich weiß, dass es wohl unmöglich sein wird … Ich finde sie und ihre Schwestern haben sehr viel fürs Frauenschach getan.

Mehr Anerkennung und mehr Schachspielerinnen im Schachboxen, das wünsch sich die Weltmeisterin für die Zukunft. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von ChessBoxing World.

Tatiana: Was wünscht du dir für die Zukunft des Schachboxens?

Alina: Tatsächlich, dass wir mehr ernst genommen werden. Aktuell ist es noch so, dass wir belächelt werden, sowohl vom Schach als auch vom Boxen. Ganz nach dem Motto, wir können beides halt nicht richtig. Das hatten wir leider auch schon. Viele haben ein großes Mundwerk und sagen, dass es nicht so schwer sein kann, wir können ja weder richtig Schach spielen noch Boxen. Dann denke ich mir immer, die Leute sollten es selbst ausprobieren, um zu sehen, wo die Schwierigkeit drin liegt. Wir haben auch immer mal wieder in den Probetrainings welche, die sich das ganz einfach vorgestellt haben und zugeben, dass es ja doch nicht so ganz trivial ist. Es ist beides verknüpft und viele wissen gar nicht, welchen Einfluss es hat, komplett aus der Puste weiter Schach spielen zu müssen. Das ist überraschenderweise dann nicht mehr so einfach wie vorher … deswegen würde ich mir wünschen, dass wir für unsere Leistung mehr Anerkennung bekommen. Wir werden oft bei den kuriosen Sportarten aufgeführt und ja … Dass sich das ändert.

Tatiana: Also ich finde es richtig cool, was ihr da macht, aber das weißt du schon. Vielleicht kommen tatsächlich einige auf den Geschmack durch unser Interview hier. Vor allem auch ein paar Frauen aus dem Schach, wie du vorhin meintest.

Alina: Das wäre natürlich superschön! Ich weiß aber auch, dass es schon sehr wenige Frauen im Schach gibt und wenn ich überlege, warum sollte der Frauenanteil im Schachboxen dann höher sein? Das sind ja dann gerade zwei Komponenten, die für Frauen nicht besonders einladend sind.

Tatiana: So wie ich es aber von dir kenne, geht ihr beim Schachboxen in deinem Verein alle sehr respektvoll miteinander um.

Alina: Ja, das absolut! Tatsächlich habe ich mich letztes Jahr supergefreut, dass welche vom Berliner Schachverband zu uns bekommen sind, weil ich durch Zufall eine getroffen habe und ich sie dann spontan eingeladen habe. Sie meinte, dass eine Freundin von ihr das seit Jahren aus ausprobieren wollte, sich alleine aber nie getraut hat. Dann sind sie beide zusammen zu uns gekommen und eine ist auch geblieben. Die andere konnte aus Zeitgründen nicht, aber beide fanden es toll. Über mehr solcher Zufälle würden wir uns alle sehr freuen. Ich finde das einfach schön, weil ich glaube, dass, wenn keine Frauen da sind, es schwerer ist, andere Frauen reinzukriegen. Hast du aber einen gewissen Pool an Frauen, dann fühlen sie sich automatisch wohler. Dann weckt es halt auch Interesse.

Tatiana: Das finde ich auch. Ansonsten fragt man sich, was da nicht stimmt, dass keine Frau mitmachen möchte.

Alina: Richtig! Und es ist nicht so wie beim Schach, dass dann sexistische Sprüche kommen. Das habe ich noch nie erlebt und im Zweifelsfall klärt man das im Ring. (Lacht.) Die Atmosphäre ist wirklich angenehm bei uns und im Endeffekt sind wir alle wie eine kleine Familie, die eine Leidenschaft teilt.

Tatiana: Echt schade, dass ich nicht in Berlin wohne, aber du weißt ja, sobald ich mal dort bin, komme ich mit!

Alina: Auf jeden Fall!

Tatiana: Nochmals vielen Dank für deine Zeit, liebe Alina! Das ChessBase-Team und ich wünschen dir weiterhin viel Erfolg beim Schach und Schachboxen!

Alina: Sehr gerne und ich habe mich über deine Interview-Anfrage sehr gefreut! Vielen Dank!

Das Interview wurde am 27.01.2024 über Zoom geführt und von Tatiana Flores transkribiert.

Mehr Fotos der Schachboxweltmeisterschaft 2023 in Riccione:

Tag 1: https://www.chessboxingworld.com/gallery.asp?giornata=01&data=01/11/2023
Tag 2: https://www.chessboxingworld.com/gallery.asp?giornata=02&data=02/11/2023

Mehr über Alina Rath und das Schachboxen:

https://de.chessbase.com/post/deutsche-alina-rath-ist-schachbox-weltmeisterin
https://de.chessbase.com/post/5-weltmeisterschaft-im-schachboxen
https://schachliebe.de/schachboxen/
https://de.chessbase.com/post/der-chessboxing-club-berlin-bei-der-5-chessboxing-weltmeisterschaft
Schachgeflüster Podcast mit Alina Rath https://www.youtube.com/watch?v=0lku2BIzEQE
https://de.chessbase.com/post/weltmeisterschaften-im-schachboxen-achtmal-gold-fuer-deutschland


Tatiana Flores wurde 1998 in Andorra geboren und zog, als sie 14 war, mit Ihrer Familie nach Deutschland. Sie arbeitet als Schach-Journalistin, Dichterin und mehrsprachige Autorin. Sie begeistert sich neben dem Schachspielen auch für Literatur und Musik. Tatiana Flores, International Chess Journalist https://tatianaflores.de/en/home/