"Ich halte Nigel nicht für eine große Führungspersönlichkeit"

von Macauley Peterson
27.06.2018 – Malcolm Pein, Internationaler Meister, Organisator zahlreicher Turniere und Veranstaltungen möchte 2022 FIDE-Präsident werden. Bei den FIDE-Wahlen 2018 ist er allerdings noch auf der Wahlliste von Georgios Makropoulos. Während des Grand Chess Turniers in Leuven führte Macauley Peterson ein ausführliches Interview mit Pein. Er sprach über seine Pläne zur Reform der FIDE, Nigel Short, Grand Chess Tour und die Vermarktung des Schachs. | Foto: Lennart Ootes / Grand Chess Tour

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Ein Interview mit Malcom Pein - Auszüge

Über die Wechselfälle des Wahlkampfs

Ich habe jemanden, einen Veteranen politischer Wahlkämpfe,  der mich berät, und der mir viele und gute Ratschläge gibt. Bislang hatte er immer Recht, und er hat mir gesagt: "Es wird Überraschungen geben, Wendungen und Dinge, mit denen Du nicht gerechnet hast." Sollte einer dieser Wendungen dazu führen, dass Nigel und ich am Ende auf der gleichen Seite stehen, würde mich das sehr freuen.

Short and Pein

Nigel Short und Malcolm Pein in Leuven | Foto: Lennart Ootes / Grand Chess Tour


Über die Pläne der FIDE die freie Übertragung von Partien einzuschränken

Pein PCA t-shirtIch bin absolut dagegen, leidenschaftlich dagegen. Und war es immer. Tatsächlich habe ich 1993 beim WM-Kampf zwischen Short und Kasparov in London sogar gegen die Übertragungsregeln verstoßen, weil ich Züge aus dem Saal des Savoy Hotels, wo gespielt wurde, herausgeschmuggelt habe. Bis man mich schließlich aus dem Hotel geworfen hat. (lacht)

Bis die Gerichte entscheiden, dass man ein Copyright auf Schachpartien  erheben kann, sollten wir so weitermachen wie bisher, und davon ausgehen, dass ein Zug in einer Schachpartie kaum anders ist als ein Ergebnis im Fußball. Es gibt kein Copyright und man kann die Verbreitung nicht kontrollieren. Deshalb bin ich absolut gegen die Versuche von Agon, genau das zu tun

Ich glaube, nach all den juristischen Niederlagen, die Agon hier erlitten hat, ist es an der Zeit zu sagen: Wenn Du die Rechte an der Schachweltmeisterschaft hältst, dann sorg für eine phantastische Videoübertragung mit guten Kommentaren — wie Agon das bei der Schach-WM in New York 2016 gemacht hat.

Dann sollte man sich noch mit all den anderen einigen, die überall auf der Welt Übertragungen anbieten und dafür sorgen, dass die Sponsoren prominent in Erscheinung ertreten und Frieden schließen.

Tatsächlich bilden die Online-Plattformen wie ChessBase, PlayChess, chess.com, ICC, Lichess, chess24, etc. einen wichtigen Bestandteil der Schachwelt. Millionen von Gelegenheitsspielern nutzen diese Plattformen genauso wie ernsthafte Spieler. Sie tragen zur Verbreitung und zur Förderung des Schachs bei und sind wahrscheinlich die größte treibende Kraft bei der Popularisierung des Spiels. Aber warum zettelt der Dachverband des Schachs dann Streit mit diesen Plattformen an? Er sollte eine Zusammenarbeit anstreben.

Über die Grand Chess Tour als Qualifikationsturnier für das Kandidatenturnier

Ich habe immer gedacht, dass die Grand Chess Tour versuchen sollte, das bedeutendste Schachturnier der Weltzu werden, und zeigen sollte, wie es gemacht wird. Und ich würde sagen, bis zu einem gewissen Grad haben wir das geschafft. Aber ich glaube auch, dass wir noch einen weiteren Quantensprung machen müssen, und ich glaube, die Grand Chess Tour hat mittlerweile genug Status, um die Beteiligung am Weltmeisterschaftszyklus zu rechtfertigen. Ich glaube, unsere Turniere haben eine bessere Übertragung, sind sehr viel interessanter, aufregender, besser verpackt und viel begehrter als die Grand Prix Turniere.

Wenn wir keine Übereinkunft zwischen der Grand Chess Tour und der FIDE erzielen, dass in der Grand Chess Tour ein oder sogar zwei Kandidaten für das Kandidatenturnier ermittelt werden, dann habe ich nichts dagegen, dass im World Cup vier Kandidaten ermittelt werden, denn der World Cup ist sehr demokratisch und das ist eine Menge wert.

Pein and arbiter in Paris

Pein und GCT-SchiedsrichterStéphane Escafre in Paris | Foto: Lennart Ootes / Grand Chess Tour

Über die Entscheidung, die Kandidatur von Makropoulos zu unterstützen

In meinen Augen wurde die FIDE in der Amtszeit von Kirsan von Russland dominiert - das war einer der unangenehmeren Aspekte seiner Amtszeit. Ich bin nicht Anti-Russland — Russland ist eine große Schachnation mit großen Spielern, großen Turnieren, einer großen Schachtradition, und Russland sollte eine ganzer und wichtiger Teil im Weltschach bleiben, aber ich möchte nicht, dass Russland den Dachverband beherrscht. Und ich habe die Angst, dass wenn Arkady Dvorkovich gewählt wird, Russland den Weltschachverband weiterhin beherrschen wird. Und wir haben gesehen, was passiert ist, als Ilyumzhinov am Ruder war: die Organisation hat es geschafft, dass sie kein Bankkonto mehr hat.

Ich habe die Befürchtung, wir am Ende weiter mit Personen kooperieren müssen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, wenn die Dominanz Russlands in der FIDE anhält. Etwas beunruhigend finde ich hier, dass der US-Kongress andere russische Politiker und Geschäftsleute bereits vorgewarnt hat, und auf eine Liste verwiesen hat, wem demnächst Sanktionen drohen. Ich habe einen kurzen Blick auf die Liste geworfen und Arkady Dvorkovich steht darauf. Das bereitet ein wenig Sorgen. Damit möchte ich nicht kommentieren, ob was richtig oder falsch oder was auch immer ist, ich sage nur, so liegen die Dinge.

Über die Kandidatur von Nigel Short

Leider, und aus Gründen, die ich bereits klar benannt habe, halte ich Nigel nicht für eine große Führungspersönlichkeit. Er hat in vielen Bereichen Defizite. Allerdings sind er und ich in so vielen Dingen einer Meinung, dass es schade ist, dass wir nicht zusammenarbeiten können, aber ich glaube einfach nicht, dass es dazu kommt.

Ich habe Nigel gesagt, dass in Anbetracht der Tatsache, dass meine Ziele zur Verbesserung der FIDE seinen Zielen sehr ähnlich sind, er öffentlich erklären sollte, dass seine Anhänger unsere Liste unterstützen sollten. Denn ich will Dinge fast genauso ändern, wie Nigel es will.

Das vollständige Interview im englischen Original bei Ben Johnsons Perpetual Chess Podcast


Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Johannes Fischer

Links

Interview mit Nigel Short


Macauley ist Editor in Chief der ChessBase News in Hamburg, Germany, und Producer des The Full English Breakfast chess podcast. Er war Co-Producer eines Dokumentarfilms über Magnus Carlsen.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren