Schach im Kriminalroman: "Kant und der Schachspieler" von Marcel Häußler

von Johannes Fischer
20.06.2024 – Hört man den Namen "Kant", denkt man vermutlich zunächst an den Königsberger Philosophen Immanuel Kant (22. April 1724 - 12. Februar 1804), der vor dreihundert Jahren geboren und vor 220 Jahren gestorben ist. Doch in Marcel Häußlers Kriminalroman "Kant und der Schachspieler" geht es zwar auch um Vernunft, Logik und Moral, doch hier heißt Kant Joachim und arbeitet als Kommissar bei der Münchner Mordkommission. Wo er in einem Fall ermittelt, in dem das Schach eine wichtige Rolle spielt. | Foto: Cover-Ausschnitt des Buches "Kant und der Schachspieler"

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Den ersten Auftritt hatte der Münchner Kommissar in dem 2021 erschienenen Roman Kant und der sechste Winter, ein Jahr später, 2022, folgte Kant und der Schachspieler, und 2023 erschien dann mit Kant und das Leben nach dem Tod der dritte Band der Reihe.

Im zweiten Band taucht der Kommissar in die Schachszene Münchens ein, nachdem man bei Rückbauarbeiten auf einem alten Fabrikgelände in einem stillgelegten Chemikalientank die Wachsleiche eines Mannes gefunden hat, der eine schwarze Dame umklammert hielt. Papiere hatte er jedoch nicht bei sich, und bei dem Versuch, die Identität des Toten festzustellen, stößt die Polizei in ihrer Vermisstendatei bald auf Jakob Holler "Deutscher Meister U16, … Zweiter Platz bei der Europäischen Blitzmeisterschaft, dritter bei der offenen ungarischen Meisterschaft, mehrere Jahre 1. Bundesliga". Holler ist ein hochbegabter Einzelgänger mit beachtlichem Scharfsinn und einer gehörigen Portion krimineller Energie, der aus seinem Schachverein geworfen wurde, nachdem man ihm beim Cheating ertappt hatte. Zwei Jahre vor dem Fund der Leiche wurde er als vermisst gemeldet.

Als Kant und sein Team versuchen, mehr über Holler zu erfahren, stoßen sie auf Immobilienbetrug im großen Stil und müssen immer wieder erkennen, dass nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Außerdem begegnen sie Obdachlosen mit teuren Jacken, windigen Immobilienmaklern, einem vorbestraften Boxer, einem zwielichtigen Notar und einem Möchtegern-Künstler, der vom Erbe seines Vaters lebt. Aber sie treffen auch Schachspieler wie Ivica, der Kant dabei hilft, Spuren zu finden, die Holler auf Schachseiten im Internet hinterlassen hat. Und Vereinsspieler, deren "heiliger Ernst" beim "Navigieren ihrer Figuren über das Brett" den Kommissar, der selbst gerne Schach spielt, verblüfft:

Kant fragte sich, was für ein Mensch man sein musste, um sein Leben einem Spiel zu widmen, das mehr unterschiedliche Verläufe kannte, als es Atome im Universum gab. Machte das die Faszination aus? Das Gefühl, an etwas teilzuhaben, das größer war als das eigene Leben? Oder ging es nur darum zu beweisen, dass man schlauer war als andere Menschen? Er wusste es nicht, und vermutlich hätte ihm auch keiner der Spieler eine Antwort auf diese Frage geben können. (Marcel Häußler, Kant und der Schachspieler, S. 108)

Natürlich, die Beschreibung des "Schachgenies" Jakob Hollers als hochintelligentem Einzelgänger mit krimineller Energie entspricht gängigen Klischees von Schachspielern, aber Häußler überreizt dieses Motiv nicht und zeigt sich bei der Darstellung des Schachs generell als stilsicher und informiert.

Dabei dient das Schach in diesem Roman vor allem als Setting. Die Hauptrolle wird von der Ermittlungsarbeit von Kommissar Kant und seinem Team übernommen. Sie gehen Spuren nach, verhören Verdächtige, studieren alte Akten, haben Einfälle und Ideen und kommen trotz mancher Irrtümer der Lösung des Falles Schritt für Schritt näher. Um Handlung und Charaktere interessanter zu machen, kämpfen sie dabei immer auch mit persönlichen Problemen.

Kant macht sich Sorgen um seine 16-jährige Tochter, die für mehr Umweltschutz demonstriert, sein engster Mitarbeiter Anton Rademacher glaubt angesichts einer bevorstehenden Operation, dass er bald sterben wird, und Hanna Weiß, die neue Mitarbeiterin im Team, kämpft mit Zwangsstörungen. Außerdem gibt es noch Ben Dörfner und Petra Lammers, die herausfinden müssen, wie sie mit der erotischen Spannung, die zwischen ihnen herrscht, umgehen können und wollen.

Solche Charaktere, der Kriminalfall, die Handlungsführung und die glaubhaft geschilderte Polizeiarbeit machen Kant und der Schachspieler zu einem unterhaltsamen, soliden, gut geschriebenen Kriminalroman, in dem das Schach als reizvolles Setting dient.

Marcel Häußler, Kant und der Schachspieler, Heyne-Verlag 2022, 320 Seiten, 15,00€.

Über den Autor

Der Heyne-Verlag, bei dem die Reihe über Kriminalkommissar Kant erschienen ist, schreibt über Marcel Häußler:

Marcel Häußler wurde 1970 in Essen geboren. Um die Jahrtausendwende arbeitete er in Köln als Kameraassistent und Cutter, als ihn die Liebe aus der Großstadt in ein bayerisches Dorf verschlug. Zwei Jahre später zog es ihn aus der Provinz nach München. Heute lebt er halb in Deutschland, halb in Portugal. Er veröffentlichte mehrere Kurzgeschichten, schrieb an Drehbüchern mit und übersetzte über dreißig Romane aus dem Englischen.

Marcel Häußler | © Sebastian Weidenbach / Penguin Random House Verlagsgruppe

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".
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